„Die Flugbranche blieb lange verschont“
Sei es in der Bionik oder in der Erforschung erneuerbarer Energien: An innovativen Ansätzen, wie Kerosin und Abgase in der Luftfahrt eingespart werden können, mangelt es nicht. Bei Siemens etwa tüfteln Ingenieure an Elektroantrieben, im Rahmen des EU-Projekts SARISTU experimentieren Wissenschaftler mit verformbaren Flugzeugflügeln.
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Das deutsche Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM) forscht hingegen bereits seit mehr als zehn Jahre an „Riblets“, einer Oberflächenbeschaffenheit, die der Haut von Haifischen nachempfunden ist. Sogenannte Dentikel, kleine Zähne auf der Haut, sorgen für die große Schnelligkeit des Hais bei minimaler Oberflächenreibung. Die Ingenieure machen sich dieses Prinzip zum Vorbild für Folien und Lacke, die auf Flugzeugen Anwendung finden sollen, um den Luftwiderstand zu minimieren.

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Raue Haifischhaut mit Dentikeln sorgt für Reduktion des Luftwiderstands
Kommerziell nicht nutzbar
Weltweite Aufmerksamkeit konnte eine andere Innovation erlangen: das Solarflugzeug „Solar Impulse 2“, das kürzlich seine Weltumrundung vollendet hat. Ein Jahr lang flog das Flugzeug, unterbrochen durch mehrere Pausen, nur durch die Kraft der Sonne um den Globus.
Doch die Hürde bei all diesen Ansätzen ist die Serienreife und kommerziell nutzbare Umsetzung. Auch die Technologien für die Verwendung von Biotreibstoffen für Flugzeuge wären zwar vorhanden. Aber Biosprit ist teuer und steht nicht massenhaft zur Verfügung. Die Internationale Zivilluftfahrtorganisation der UNO (ICAO) verzeichnet die Flugzeuge, die aktuell mit alternativen Energiequellen unterwegs sind, auf einer Karte. Die Anzahl ist mehr als bescheiden: Sie bewegt sich im unteren zweistelligen Bereich.
Alternativen in ferner Zukunft
„Hier ist noch viel Forschung nötig“, sagt Günther Lichtblau vom Umweltbundesamt zu ORF.at. „Erneuerbare Energie ist für den Flugverkehr derzeit großindustriell nicht umsetzbar, es fehlen Anlagen, sie ist zu teuer. Vielleicht ist das in 20 Jahren vorstellbar.“ Auch das prestigeträchtige Solarflugzeug sei eher als „Testballon“ zu betrachten. Sonnenenergie in der Luftfahrt sei eine „sehr, sehr ferne Zukunftstechnologie“.

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Solarflugzeug „Solar Impulse 2“ ist eher „Testballon“
„Es gibt kein klimafreundliches Fliegen“
Vorerst bleiben Flugzeuge die Klimasünder schlechthin: 2015 verursachten Flüge weltweit 781 Millionen Tonnen an CO2-Emissionen, wie die Internationale Luftverkehrsvereinigung (IATA) selbst meldete. Zum Vergleich: Österreichs Gesamtausstoß in einem Jahr beträgt 70 Millionen Tonnen.
„Wenn wir das Zwei-Grad-Ziel, also die Begrenzung der globalen Erwärmung auf zwei Grad Celsius über dem vorindustriellen Wert, umlegen auf die Bevölkerung, dann beträgt das CO2-Budget pro Person zwei Tonnen im Jahr“, so Lichtblau. Dieses Budget entspreche etwa einem ganzen Jahr Autofahren, sei aber zum Beispiel nach einer Flugreise nach New York und zurück schon aufgebraucht. „Klimafreundliches Fliegen gibt es nicht.“
Abgase richten in der Höhe mehr Schäden an
„Bei Flughöhen von 10.000 Metern sind die Abgase noch treibhauswirksamer, um den Faktor 2,7“, so der Experte vom Umweltbundesamt. Um die wahre Belastung des Klimas durch den Flugverkehr zu ermitteln, muss also der CO2-Ausstoß mit diesem Faktor multipliziert werden. Hinzu kommt, dass die Turbinen auch Stickoxide, Kondensstreifen und Aerosole wie Ruß in die Luft blasen.
Die Airlines versuchen zwar, ihre Emissionen zu reduzieren. Doch die Tendenz steigt, das Wachstum der Branche ist enorm. Derzeit bewegen sich rund 26.000 kommerzielle Flugzeuge rund um die Erde. Der US-Konzern Boeing rechnet für die nächsten 20 Jahre mit 36.770 neu in Dienst gestellten Flugzeugen. Auch Airbus sieht starkes Wachstum, beim Passagierverkehr knapp fünf Prozent. Dank des niedrigen Ölpreises ist Kerosin billig zu haben, was auch die Ticketpreise drückt.
Branche blieb lange verschont
Experten fordern daher ein politisches Bekenntnis, die Luftfahrtbranche in die Pflicht zu nehmen. Sie wurde bei internationalen Anstrengungen, das Klima zu schützen, lange Zeit ausgeklammert. „Die Flugbranche startet bei ihren Bekenntnissen von sehr niedrigem Niveau. Sie ist sehr lange verschont worden und jetzt erst in der Phase des Aufholens“, so Lichtblau.
Auf dem Papier gibt es nun schon länger entsprechende Zusagen: Die Industrie hat sich verpflichtet, bis zum Jahr 2050 ihren Schadstoffausstoß um die Hälfte zu reduzieren. Die IATA will im Durchschnitt den Verbrauch der Maschinen um 1,5 Prozent im Jahr verbessern.
Emissionshandel mit Einschränkungen
Es gibt zudem das internationale Klimaabkommen, das im April unterzeichnet wurde und der Ratifizierung harrt. Seit Beginn 2012 ist der Flugverkehr in den EU-weiten Emissionshandel einbezogen. Die EU nahm allerdings internationale Flüge nach Widerstand zahlreicher Länder aus dem System aus. Damit gilt der Handel nur für Flüge innerhalb der EU.
Der Experte fordert, die günstigen Rahmenbedingungen der Luftfahrtbranche strenger zu regeln. Die Preispolitik müsse sich beispielsweise ändern: „Im Extremfall, wenn lange Zeit nichts getan wird, muss dann eben der Kerosinpreis über eine Steuer so hoch steigen, dass der Flugverkehr sehr viel teurer wird. Früh handeln rechnet sich hier“, sagt Lichtblau.
Klimaneutralität als neues Ziel
Das Zauberwort, auf das derzeit aber sowohl die Branche als auch die UNO-Organisation ICAO setzt, heißt „klimaneutrales Wachstum“. Ein solches soll die Umweltprobleme der Branche lösen. Das entsprechende Konzept der ICAO, das im Herbst beschlossen werden soll, sieht vor, dass die CO2-Bilanz auf dem Papier ab 2020 ausgeglichen ist. Das soll etwa durch Kompensationsprojekte umgesetzt werden: Für vermiedene Tonnen CO2 gibt es Zertifikate, die auf dem weltweiten Kohlendioxid-Markt gehandelt werden können.
Umweltschützer sprechen von einem Freikauf und fordern stattdessen die Vermeidung von CO2 durch die Reduktion des Flugverkehrs. Auch der Umwelttechniker Lichtblau ist skeptisch: „Das klimaneutrale Wachstum ist ein schönes Ziel, kommt aber 20 Jahre zu spät. Es müsste heute heißen: Wie kann ich den Ausstoß um 80 Prozent reduzieren?“ Für ihn kommen derzeit drei Maßnahmen in Betracht, um den CO2-Ausstoß zu dämpfen: vermeiden, verlagern, verbessern. Unnötige Flugreisen seien zu reduzieren, ein Teil des Verkehrs sei auch auf Schienen gut aufgehoben. Zudem sollten die Fluglinien weiter Technologien und Effizienz aufpolieren.
Passagier kann auch selbst kompensieren
Passagiere können zudem auch selbst das Prinzip der Kompensation anwenden, um ihre persönliche CO2-Bilanz aufzubessern: Bei Organisationen wie „atmosfair“ können Konsumenten nach Buchung eines Fluges Geld einzahlen. Die Beiträge sollen verwendet werden, um erneuerbare Energien auszubauen und Klimaschutzprojekte zu unterstützen. Die Organisationen wollen so CO2 insgesamt einsparen, wenngleich auch sie betonen, dass Kompensation nur die zweitbeste Lösung ist.
Caecilia Smekal, ORF.at
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