Unterschiedliche Regeln in Europa
Nachdem konservative deutsche Politiker bereits seit mehreren Tagen über ein Verbot der Ganzkörperverschleierung (im Westen manchmal als Burka, manchmal als Nikab bezeichnet) debattieren, hat Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) die Diskussion über ein Verbot Mitte August auch in Österreich wieder angefacht.
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In Europa gibt es ein solches bisher in Frankreich und Belgien, in den Niederlanden sind Ganzkörperschleier teilweise verboten. Auch in den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen entbrannte vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise eine Debatte über ein Burkaverbot. Das Schweizer Parlament lehnte ein solches hingegen bereits im September 2012 ab.
Rund 2.000 Betroffene in Frankreich
Frankreich, das sich auf eine starke laizistische Tradition beruft und in dem Staat und Religion seit jeher strikt getrennt sind, führte als erstes EU-Land bereits im April 2011 ein Vollverschleierungsverbot ein. Bis zu 150 Euro Strafe droht seitdem Frauen, die sich in der Öffentlichkeit vollständig verschleiert zeigen - entweder mit der Burka, die die Augen hinter einem Stoffgitter verbirgt, oder mit dem Nikab, der die Augen meist freilässt.
Nach Angaben des französischen Innenministeriums wurde seither rund 1.600-mal ein Bußgeld verhängt, mehrfach gegen dieselben Frauen. Laut Schätzungen tragen in Frankreich rund 2.000 Frauen Nikab oder Burka, was angesichts der etwa fünf Millionen Muslime im Land nicht viel ist.
Beschränktes Verbot in Niederlanden
In Belgien trat ein Verbot nur wenige Wochen später, am 23. Juli 2011, in Kraft. Bis zu 137,50 Euro Strafe und in Extremfällen sogar bis zu sieben Tage Haft drohen seither all jenen, die sich vollständig verhüllt in der Öffentlichkeit zeigen - egal ob aufgrund muslimischer Kleidungsvorschriften oder aus anderen Beweggründen. Auch in Belgien ist die Zahl der Nikab- und Burkaträgerinnen laut Schätzungen verschwindend gering: Gerade 300 Frauen verhüllen ihren Körper - bei einer muslimischen Gesamtbevölkerung von einer Million.
Die Niederlande sind das bisher letzte EU-Land, das 2015 ein Teilverbot der Vollverschleierung eingeführt hat. Anders als in Frankreich und Belgien gilt es jedoch nur in Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen sowie in Behörden und öffentlichen Verkehrsmitteln. Premierminister Mark Rutte betonte nach Einführung des Verbots, das Gesetz ziele auf „bestimmte Situationen, in denen es von Bedeutung ist, dass die Menschen gesehen werden“. Religiösen Hintergrund habe das Verbot keinen. Schätzungen gehen davon aus, dass in den Niederlanden rund 500 Frauen Burkas und Nikabs tragen. Ihnen droht eine Strafe von bis zu 405 Euro.
Hitzige Debatte in Deutschland
In Deutschland forderten kürzlich einzelne CDU-Innenminister ein vollständiges Burkaverbot. Sowohl Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) als auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erteilten diesem jedoch eine Absage. Kommen könnte jedoch ein Teilverbot, ähnlich wie in den Niederlanden. Das Gesetz könnte jene Bereiche betreffen, wo es nötig sei, „Gesicht zu zeigen“, sagte de Maiziere am Freitag, „am Steuer, bei Behördengängen, am Standesamt, in Schulen und Universitäten, im öffentlichen Dienst, vor Gericht“.
Dänemark beschloss 2010, die Vollverschleierung im öffentlichen Raum zu begrenzen, ohne ein Verbot zu erlassen. Die Regierung überlässt es Schulen, Unternehmen und Behörden, diese Frage zu regeln.
Sicherheitsbedenken in baltischen Staaten
Auch in Estland, Lettland und Litauen wurde vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise und einer von der EU-Kommission geforderten Aufnahme von Flüchtlingen zuletzt vermehrt über eventuelle Verbote von Burka und Nikab debattiert. Begründet wurde das vor allem mit Sicherheitsbedenken. Laut einer Umfrage sind etwa rund zwei Drittel der Letten für ein solches Verbot. Konkrete Gesetzesinitiativen gab es seit Beginn der Diskussion vor rund einem Jahr jedoch nicht. Die bulgarische Stadt Pasardschik untersagt seit April, dass Frauen ihr Gesicht komplett verhüllen dürfen.
Gesichtverhüllung im Tessin verboten
In der Schweiz stimmte das Parlament bereits im Herbst 2012 gegen ein Verbot der Vollverschleierung in der Öffentlichkeit - allerdings nur mit knapper Mehrheit. Argumentiert wurde die Entscheidung damals mit der Unverhältnismäßigkeit eines Verbots: Es gebe kaum Frauen in der Schweiz, die sich aus religiösen Gründen völlig verhüllten, zudem könnte der Schritt dem Tourismus schaden. Seit Anfang Juli ist es im Kanton Tessin allerdings verboten, in der Öffentlichkeit das Gesicht zu verhüllen. Damit wird ein Volksentscheid aus dem Jahr 2013 umgesetzt.
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