Verbot für Vollverschleierung angedacht
Österreich soll schon in den nächsten Monaten ein Integrationsgesetz bekommen, angelehnt offenbar an jenes in Deutschland. Insgesamt dürften die darin gebündelten Maßnahmen, die am Donnerstag bekanntwurden, eine deutliche Verschärfung des Asylrechts bedeuten.
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Nach Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) legte am Donnerstag mit Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz ein weiterer ÖVP-Ressortchef Pläne für ein strengeres Modell im Fremden- bzw. Asylwesen vor. Vor Journalisten verlangte er verpflichtende gemeinnützige Ein-Euro-Jobs für Flüchtlinge, eine Reduktion der Mindestsicherung, aber auch Maßnahmen gegen die Vollverschleierung von Frauen. Ein Verbot dieser Art der Verschleierung, der Burka, ist derzeit etwa in Frankreich und Deutschland großes - und umstrittenes - Thema.
Schon in den nächsten Monaten
Zusammenführen will Kurz diese und andere Maßnahmen in einem neuen Integrationsgesetz, das laut seinen Worten im Lauf des kommenden halben Jahres erarbeitet werden soll. Neben mehr Pflichten sollen darin aber auch mehr Rechte für Flüchtlinge verankert sein - etwa ein Rechtsanspruch auf einen Sprachkurs.
Kurz verteidigt Vorschläge
Dass Ein-Euro-Jobs anderen Menschen Arbeitsplätze wegnehmen, wollte Kurz im ZIB2-Interview nicht gelten lassen. Und die Vollverschleierung sei nicht das zentrale Problem, er sei aber für ein Verbot.
Jedoch soll auch eine Mitwirkungspflicht bei Deutsch- und Wertekursen gesetzlich verankert werden. Bei der Integrationsvereinbarung will der Minister nachschärfen und die Verteilung problematischer Schriften etwa durch ultrakonservative Salafisten, wie sie am Beispiel etwa der Wiener Mariahilfer Straße mehrfach für Debatten sorgte, untersagen.
Kernpunkt Arbeitspflicht
Das von Kurz geplante Gesetz soll sich an Asylberechtigte, subsidiär Schutzberechtigte und rechtmäßig niedergelassene Drittstaatsangehörige richten. Er hoffe hier auf eine Einigung mit der SPÖ. Für bessere Vorschläge sei er offen, „aber man soll nicht so tun, als gäbe es keine Probleme“. Kontakte mit dem Koalitionspartner in Hinblick auf seine Vorschläge habe es bereits gegeben, so Kurz.
Als Kernpunkt seines Gesetzespakets sieht Kurz die verpflichtenden gemeinnützigen Ein-Euro-Jobs. Er zielt damit auf die derzeit rund 25.000 beim Arbeitsmarktservice (AMS) gemeldeten arbeitslosen anerkannten Flüchtlinge ab, monatlich kämen tausend hinzu.
Die Tätigkeiten sollen etwa die Instandhaltung öffentlicher Flächen, die Betreuung von Asylwerbern und anderen Gruppen sowie die Mitarbeit in Sozialeinrichtungen umfassen. Die Vermittlung soll über das AMS erfolgen, dabei könnte auch die Residenzpflicht greifen. Anbieten sollen die Jobs in einem ersten Schritt nur Gebietskörperschaften, in einem zweiten Schritt eventuell auch Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Wer nicht zur Annahme bereit sei, dem sollen die Sozialleistungen gekürzt werden, so der Minister. Sein Vorstoß sei mit jenem Sobotkas „natürlich koordiniert“, sagte Kurz.
Schleier „Symbol einer Gegengesellschaft“
Ganz auf ÖVP-Linie will Kurz auch eine Reduktion der bedarfsorientierten Mindestsicherung für Neuankömmlinge. Fünf Jahre rechtmäßiger Aufenthalt wären aus seiner Sicht die Schwelle für den vollen Bezug. „Es muss einen Unterschied geben zwischen jenen, die frisch hier sind, und denen, die eingezahlt haben“, meinte er.
Ein Verbot der Vollverschleierung „wird Teil unserer Überlegungen sein“, so Kurz. Es gehe in Österreich weniger um die Burka als um den Nikab. „Aus meiner Sicht ist das ein Symbol einer Gegengesellschaft“ und „kein religiöses Symbol.“ Sehe man sich europäische Vergleichsbeispiele an, gebe es zwei Verbotsvarianten: entweder nur in öffentlichen Einrichtungen oder im gesamten öffentlichen Raum. Vor zwei Jahren hatte Kurz ein solches - damals von der FPÖ gefordertes - Verbot noch abgelehnt.
Rechtsanspruch auf Sprachkurse
Kurz hatte sich zuletzt wiederholt für das „australische Modell“ der Flüchtlingsunterbringung, das im Wesentlichen bedeutet, dass es keine Art von Wunschdestination für Asylwerber geben soll, ausgesprochen. Sobotka hatte seinerseits ebenfalls weitere Verschärfungen im Fremdenrecht verlangt. Gegenüber dem „Kurier“ (Mittwoch-Ausgabe) nannte er etwa Änderungen im Fremden- und Sicherheitspolizeigesetz sowie im Strafrecht. Ein entsprechendes Paket will er im Herbst dem Parlament übergeben. In Sachen Asylnotverordnung warf er dem Sozialministerium Säumigkeit vor.
Sobotka will genauere Einreisekontrolle
Aus Sobotkas Sicht müsse bei der Verhinderung der Identitätsfeststellung bei Flüchtlingen nachgeschärft werden. „Es ist unverständlich, dass Migranten das Handy und sonst alles haben, aber den Pass und die Papiere haben sie verloren“, sagte er. „Ich würde hier von einer klaren rechtsstaatlichen Durchsetzung reden und alle Möglichkeiten andenken, die rechtsstaatlich zulässig sind.“
Wer vor Krieg und Verfolgung flüchte, habe den vollen Schutz der Genfer Konvention zu erhalten. „Aber derjenige, der aus wirtschaftlichen Gründen bei uns illegal einreist, den möchte ich strafrechtlich verfolgen können“, so der Sobotka.
Differenzen bei Asylnotverordnung
Zur Not- bzw. Sonderverordnung forderte Sobotka die rasche Vorlage ausständiger Berichte einzelner Ministerien. Als säumig wertete er hier das Sozialministerium, „das die Arbeitsmarktlage noch immer nur als Herausforderung sieht, aber nicht als eine, die angespannt ist“. Er erwarte sich vom Sozialminister die Beurteilung, „dass der Arbeitsmarkt in seinen Kapazitäten erschöpft ist und es keinen weiteren Zuzug geben kann“.
Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) hatte das Drängen Sobotkas erst vor Kurzem zurückgewiesen. Die Sonderverordnung könne nur dann erlassen werden, wenn die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gefährdet sei. Mit der Arbeitslosigkeit könne man das derzeit nicht begründen, meinte er. Am Montag hat Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) den Begutachtungsentwurf für die Verordnung, mit der Flüchtlinge an der Grenze zurückgewiesen werden können, für 6. September in Aussicht gestellt. Allerdings müsse der Innenminister zuvor mehrere Punkte erfüllen, darunter eine Rücknahmevereinbarung mit Ungarn.
SPÖ zurüchaltend, Kritik von FPÖ und Grünen
Die SPÖ gab sich bezüglich der ÖVP-Verschärfungspläne vorerst zurückhaltend. Man warte darauf, dass Kurz seine Vorstellungen vorlege, war laut APA „in der Partei zu hören“. Die Grünen reagierten ablehnend. Die FPÖ wertete die Kurz-Vorschläge als „teils abgekupfert, teils unangemessen und völlig untauglich“.
FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache erinnerte daran, dass ein „Burkaverbot“ eine langjährige Forderung seiner Partei sei, das „selbstverständlich“ endlich kommen solle. Selbst der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) habe erkannt, dass dies im öffentlichen Dienst kein Problem darstelle.
Das von Kurz geplante Integrationsgesetz hätte allerdings schon vor eineinhalb Jahren in Angriff genommen werden sollen, meinte Strache gegenüber der APA. Der Minister spiele wieder einmal auf Zeit. Sicherheitssprecher Walter Rosenkranz lehnte das angedachte Recht auf einen Deutschkurs in einer Aussendung ab.
„Einfallstor für noch mehr Lohndruck“
Äußerst kritisch, wenn auch aus ganz anderen Grünen zeigten sich die Grünen. Anerkannte Flüchtlinge mit Zwang zu Ein-Euro-Jobs für Lohndumping zu missbrauchen, habe letztlich Österreicher im Visier, kritisierte Integrationssprecherin Alev Korun. „Das Ziel der ÖVP ist offensichtlich, Flüchtlinge als Einfallstor für noch mehr Lohndruck zu benützen. Danach wird es heißen: ‚Wenn es Ein-Euro-Jobs gibt, können wir auch österreichische Arbeitslose zu diesen zwingen.‘“
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