Gefängnisse überfüllt
Die Türkei will rund 38.000 Häftlinge freilassen, die vor dem Putschversuch verurteilt wurden. Dabei handle es sich nicht um eine Amnestie, sondern um eine Entlassung unter Auflagen, teilte Justizminister Bekir Bozdag am Mittwoch via Twitter mit. Das betreffe Häftlinge, die vor dem 1. Juli 2016 Straftaten begangen hätten.
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Die Maßnahme geht auf eines von zwei Notstandsdekreten zurück, die am Mittwoch im Amtsblatt veröffentlicht wurden. Häftlinge, die wegen schwerer Taten wie Mord oder Sexualdelikten verurteilt wurden, seien davon ausgeschlossen. Der Sender CNN Türk berichtete, die ersten Verurteilten würden schon bald freigelassen. Weitere Details wurden nicht genannt.
Erneut Zeitung verboten
Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte am 20. Juli einen dreimonatigen Ausnahmezustand verhängt. Seitdem kann er per Dekret regieren. Nach dem Putschversuch hatte er weitreichende „Säuberungen“ angekündigt. Sie richteten sich bereits gegen Polizei, Militär, Verwaltung, Justiz, Bildungswesen und Medien. Mehr als 130 Zeitungen und andere Medien wurden geschlossen, am Dienstag die prokurdische Zeitung „Özgür Gündem“ („Freie Agenda“).
Weitere 2.000 Polizisten entlassen
Erdogan ordnete nun per Dekret auch die Entlassung aus dem Dienst von mehr als 2.000 Polizisten und mehr als hundert Angehörigen der Streitkräfte an. Ihnen werden Verbindungen zum in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen vorgeworfen. Die Türkei macht Gülen für den Putschversuch verantwortlich und fordert seine Auslieferung. Die Gülen-Bewegung gilt in der Türkei als Terrororganisation.
Nach dem Putschversuch vom 15. Juli in der Türkei sind die Gefängnisse laut Medienberichten überfüllt. Nach Angaben von CNN Türk gab es im Sommer vergangenen Jahres 286 Gefängnisse im Land mit einer Kapazität von rund 184.000 Insassen. Allerdings waren mehr als 187.000 Menschen inhaftiert. Wegen mutmaßlicher Verbindung zu den Putschisten sitzen nach offiziellen Angaben zurzeit mehr als 17.000 Verdächtige in Untersuchungshaft.
Landesweite Razzien in Firmen
Bei landesweiten Razzien seien am Dienstag mehr als 40 Unternehmen durchsucht worden, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Darunter seien die Supermarktkette A101, die Tausende Filialen unterhält, und der Gesundheits- und Technologiekonzern Akfa. Gegen mehr als 120 Manager seien Haftbefehle ergangen.
Sie seien mit Namenslisten gekommen und fahndeten nach Beschäftigten, die festgenommen werden sollten, sagte ein Mitarbeiter. Erst am Vortag waren Medienberichten zufolge drei Gerichtsgebäude in Istanbul durchsucht und mehr als 130 Beschäftigte festgenommen worden.
Beratungen über Gülen-Auslieferung
Die türkische Führung verdächtigt die Firmen, mit der Organisation Gülens verquickt zu sein und sie finanziell unterstützt zu haben. Erdogan hält Gülen für den Drahtzieher des gescheiterten Militärputsches Mitte Juli, was dieser aber bestreitet. Gülen lebt seit 1999 im selbst gewählten Exil im US-Bundesstaat Pennsylvania. Seine Organisation versteht sich als vom Islam inspirierte soziale Bürgerbewegung.
Die Türkei verlangt von den USA die Auslieferung Gülens. Darüber berieten der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu und sein US-Kollege John Kerry. Die USA fordern aber juristisch eindeutige Beweise, dass Gülen etwas mit dem Putschversuch zu tun hat, bevor sie auf den Auslieferungsantrag reagieren.
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