Themenüberblick

„Jahrelange Bemühungen“

Das „WirtschaftsBlatt“ wird eingestellt. Die letzte Ausgabe erscheint voraussichtlich am 2. September 2016, teilte die Styria Media Group Dienstagabend in einer Aussendung mit. Die Einstellung erfolge „nach jahrelangen Bemühungen“, wurde betont. In der Wirtschaftsberichterstattung setze die Styria auf ihr Flaggschiff „Die Presse“ und die Umsetzung der Strategie mit dem Fokus auf den Ausbau des Kerngeschäfts sowie Investments in den digitalen Bereich.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Alle 66 betroffenen Mitarbeiter seien im Rahmen von Mitarbeiterversammlungen am Dienstag persönlich über die Lage informiert worden. Mit dem Betriebsrat werde ein Sozialplan verhandelt. Was nun mit den Mitarbeitern geschehe, konnte Markus Mair, Vorstandsvorsitzender der Styria Media Group, noch nicht sagen.

Zur Frage, ob Übernahmen der Mitarbeiter in andere Styria-Medien möglich seien, nannte Mair lediglich jenen Teil der „Presse“-Mannschaft, der schon bisher für das „WirtschaftsBlatt“ gearbeitet hatte. Diese Mitarbeiter sollen sich im Rahmen der Wirtschaftsredaktion der „Presse“ nun speziell um die Bereiche KMU, Exportwirtschaft und regionale österreichische Wirtschaft kümmern.

Rumoren seit 2012

Rumort hatte es beim „WirtschaftsBlatt“ schon lange. Bereits 2012 stand eine Fusion mit der „Presse“ im Raum, es wurde schließlich ein Sparpaket mit Personalabbau bei beiden Medien - die als „starke, eigenständige Marken“ bestehen bleiben sollten. Inhaltlich wollte sich die Wirtschaftszeitung auf Regionalität und KMU-Berichterstattung konzentrieren, schließlich sah man dort „großes Wachstumspotenzial“.

Ein Jahr später protestierte die Belegschaft erneut gegen eine Fusion mit der „Presse“. Im Februar 2014 wurde schließlich dennoch eine engere Zusammenarbeit vom Verlag angekündigt, das „WirtschaftsBlatt“ zog auch in die Räumlichkeiten der „Presse“. Der Verlag argumentierte mit einer Qualitätssteigerung durch das „große Redaktionsnetzwerk“. Die Qualität des „WirtschaftsBlatts“ sollte durch die „notwendigen“ Kündigungen nicht beeinträchtigt, sondern weiter erhöht werden, hieß es damals. Bis zum Spätfrühjahr 2014 war diese Zusammenführung vollzogen.

„Nicht vom Markt refinanzierbar“

Im Zuge der Restrukturierungs- und Einsparungsetappen sei es in den letzten Jahren gelungen, die Verluste des „WirtschaftsBlatts“ deutlich zu reduzieren und gleichzeitig die Qualität der Zeitung aufrechtzuerhalten, hieß es nun am Dienstag. Ein Ausblick auf die Marktlage zeige aber klar, dass die Kosten des Betriebs auch künftig „nicht vom Markt refinanzierbar“ seien, hieß es.

Die Styria stelle an alle ihre Marken klare strategische und wirtschaftliche Erwartungen. Dazu gehöre ein positiver Ergebnisbeitrag jeder einzelnen Marke der Gruppe, hieß es. „Diese Entscheidung, die wir sehr bedauern, ist leider unumgänglich. Es liegt in der Verantwortung des Vorstands, das Portfolio im Sinne der wirtschaftlichen und journalistischen Unabhängigkeit der gesamten Unternehmensgruppe zu managen“, so Mair.

Verkaufte Auflage bei rund 20.000

Man habe sieben oder acht Optionen geprüft, aber vernünftigerweise keinen plausiblen Businessplan erstellen können, so Mair. Auch mehr öffentliche Gelder hätten das „WirtschaftsBlatt“ aus seiner Sicht nicht retten können.

„Österreichs Tageszeitung für Wirtschaft und Finanzen“, die zuletzt zwei Euro kostete, erscheint börsentäglich. Dabei wurde die Zeitung im Vorjahr laut Zahlen der Media-Analyse täglich von insgesamt 82.000 Personen gelesen.

Damit lag das „WirtschaftsBlatt“ österreichweit gesehen im Vorjahr bei 1,1 Prozent Reichweite, die Freitag-Ausgabe kam auf 1,2 Prozent. Für das zweite Halbjahr 2015 meldete die Zeitung heuer noch einen Aboanstieg von 16 Prozent auf 16.060. Die verkaufe Auflage lag da laut ÖAK (Österreichische Auflagenkontrolle) bei 20.380 Stück.

Konzentration auf die „Presse“

„Wir werden mit voller Kraft die Wirtschaftsberichterstattung der ‚Presse‘ weiter ausbauen und mit einem erweiterten Angebot ein klares Signal an die Unternehmen in Österreich aussenden“, erklärte Herwig Langanger, Geschäftsführer von „Presse“ und „WirtschaftsBlatt“. „Unser Dank gilt allen Mitarbeitern, die stets mit großem Einsatz und viel Leidenschaft für das ‚WirtschaftsBlatt‘ gearbeitet haben.“

Betriebsrat: Scheitern war absehbar

Der Betriebsrat des „WirtschaftsBlatts“ zeigte sich in einer schriftlichen Stellungnahme „unendlich traurig“ über die bevorstehende Einstellung. „Der Versuch, die Kosten schneller herunterzufahren als die Umsätze und Leserzahlen, ist gescheitert“, hieß es darin. Als „finaler Schlag“ wurde die Zusammenführung mit der „Presse“ im Jahr 2014 gewertet. Das Scheitern sei absehbar gewesen.

Wie der Betriebsratsvorsitzende Herbert Geyer gegenüber der APA sagte, werden nun sämtliche 66 betroffenen Mitarbeiter vom Unternehmen zur Kündigung angemeldet. Es handle sich mehrheitlich um Redakteure, aber auch um Techniker, Layouter, Grafiker, Fotografen und kaufmännisches Personal. Auch der Onlineauftritt werde eingestellt.

Betriebsrat sieht falsche Strategie

„Wir appellieren an die überlebenden Konkurrenten, sich so rasch wie möglich das verbleibende Personal des ‚WirtschaftsBlatts‘ zu sichern“, so Geyer. Die Belegschaft habe in den vergangenen Jahren extreme Belastungen und teilweise unzumutbare Arbeitsbedingungen auf sich genommen, um den Fortbestand des Unternehmens zu ermöglichen.

Der Betriebsrat habe seit Jahren darauf hingewiesen, dass das „WirtschaftsBlatt“ kein Ausgaben-, sondern ein Einnahmenproblem hatte und dass daher Investitionen und vermehrte Verkaufsanstrengungen nötig gewesen wären, um eine kritische Masse an Lesern und dadurch auch einen entsprechenden Anteil am Inseratenkuchen zu erreichen. Stattdessen habe die kaufmännische Führung speziell seit 2009 vor allem versucht, auf der Kostenseite anzusetzen.

20. Geburtstag im Vorjahr

Das „WirtschaftsBlatt“ hatte im Vorjahr seinen 20. Geburtstag gefeiert. Die erste Ausgabe der Tageszeitung erschien am 6. Oktober 1995. Das „WirtschaftsBlatt“ positionierte sich in den Anfangsjahren als „Zweitzeitung für wirtschaftlich interessierte Entscheidungsträger“ und erschien zunächst von Dienstag bis Samstag. 2006 wechselte man die Erscheinungsweise von Montag bis Freitag.

Gegründet wurde das Blatt vom schwedischen Bonnier-Verlag, der 50 Prozent an der Zeitung hielt, sowie dem Wiener Radda & Dressler Verlag. Die Anteile von Radda & Dressler wurden später in die ET Multimedia übergeführt, bei der die Styria Media Group 2005 einstieg. 2006 kaufte der steirische Medienkonzern auch den 50-Prozent-Anteil von Bonnier und übernahm die Mehrheit an der Tageszeitung.

Links: