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Kulturgüter auch auf dem Schwarzmarkt

Die Zerstörung antiker Kulturgüter im Irak und in Syrien durch die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ist nicht die einzige, die religiös motiviert ist. Schon in der Vergangenheit vernichteten vor allem islamistische Terrorgruppen immer wieder kulturelles Erbe oder verkauften dieses, um sich zu finanzieren.

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Extremisten, die eine radikalsunnitische Islamauslegung vertreten, begründen ihre Taten damit, dass die Verehrung von Statuen oder Schreinen Götzendienst und ihre Zerstörung daher legitim sei. Auch die Verehrung von Gräbern lehnen die Dschihadisten als unislamisch ab. Ziele der Anschläge sind sowohl muslimische Pilgerstätten als auch solche anderer Religionen.

Irak: Der IS zerstört im Februar 2015 im Norden des Irak einzigartige Kulturgüter aus altorientalischer Zeit. Darunter ist eine assyrische Torhüterfigur, die mehr als 2.600 Jahre alt ist. Zudem zertrümmern IS-Anhänger im Museum der Stadt Mossul und an der Grabungsstätte Ninive bedeutende Bildwerke aus der Antike. Anfang März zeigt ein Video, wie Islamisten die antike Stadt Nimrud mit Bulldozern und Sprengstoff planieren. Auch Teile der UNESCO-Weltkulturstätte al-Hadra sprengen sie.

Antike Stadt Nimrud vor der Zerstörung

picturedesk.com/Rex Features/REX Shutterstock

Nimrud war im 9. Jh. v. Chr. unter König Assurnasirpal II. Hauptstadt des Assyrischen Reiches

2014 zerstören Mitglieder des IS die Moschee des Propheten Jonas in Mossul. Diese war ein beliebtes Pilgerziel sowohl von Christen als auch Muslimen. Im selben Jahr sprengen IS-Kämpfer das Nonnenkloster al-Nasir der chaldäisch-katholischen Kirche in Mossul in die Luft. 2015 zerstört die Terrormiliz ebenfalls in Mossul eine der größten und ältesten chaldäisch-katholischen Kirchen des Landes, die „Kirche der Jungfrau Maria“.

In der irakischen Stadt Samarra wird die Goldene Moschee zweimal Ziel von Anschlägen: 2006 zerstört eine Explosion die goldene Kuppel und die Mosaikfassade, 2007 werden die beiden Minarette vollständig zerstört. Die Angriffe führten zu einer Serie von Gewalttaten zwischen Schiiten und Sunniten, bei der Dutzende Menschen starben. Die Goldene Moschee ist eines der vier wichtigsten schiitischen Heiligtümer im Irak, da sich die sterblichen Überreste von zwei der zwölf von den Schiiten als rechtmäßig anerkannten Imame dort befinden.

Syrien: Nachdem der IS Mitte 2015 die Kontrolle über die Stadt Palmyra übernimmt, kommt es in den nächsten Monaten zu schweren Zerstörungen im antiken Teil der Stadt, der UNESCO-Weltkulturerbe ist. Zu den zerstörten Bauten gehören der rund 2.000 Jahre alte Baal-Tempel, der Baal-Schamin-Tempel sowie mehrere einzigartige Turmgräber, der Triumphbogen und ein Teil der berühmten Säulenstraße. Laut UNESCO wurden „die meisten Statuen und Sarkophage verunstaltet“ oder zerschlagen, doch blieb die historische Stätte „zum größten Teil in ihrer Einheit und in ihrem ursprünglichen Charakter erhalten“.

Antike Stadt Palmyra vor der Zerstörung

APA/AFP/Christophe Charon

Die Ruinen von Palmyra vor der Zerstörung

2015 richtet der IS schwere Schäden am christlichen Kloster Deir Mar Elian nahe Homs an. Im Internet zeigten die Extremisten, wie sie mit Planierraupen die Mauern des Baus aus dem 5. Jh. niederreißen. In den vom IS besetzten Gebieten werden zudem zahlreiche Moscheen, Schreine und Denkmäler, christliche Kirchen und Klöster sowie Heiligtümer der Jesiden zerstört. Auch in anderen Gebieten fallen dem Bürgerkrieg in vom IS besetzten Gebieten unzählige Kulturdenkmäler als Kollateralschäden zum Opfer.

Mali: In der Wüstenstadt Timbuktu im Norden Malis zerstören Kämpfer der islamistischen Rebellengruppe Ansar Dine 2012 mehrere muslimische Mausoleen. Die Stätten mit den Überresten islamischer Gelehrter dienten der Heiligenverehrung, begründeten die Islamisten ihre Tat.

Mausoleum in Timbuktu

Reuters/Adama Diarra

Die Mausoleen in Mali sind meist aus ockerfarbenem Lehm errichtet

Kurz zuvor hat die UNESCO die Moscheen, Mausoleen und Friedhöfe von Timbuktu sowie das Grabmal von Askia auf die Rote Liste des gefährdeten Weltkulturerbes gesetzt. Daneben soll Ansar Dine Manuskripte und zahlreiche Moscheen verbrannt oder beschädigt haben.

Afghanistan: Die beiden Buddha-Statuen in Bamiyan, 125 Kilometer westlich von Kabul, werden 2001 von fundamentalistischen Taliban-Milizen in mehrtägiger Arbeit - ungeachtet internationaler Proteste - zerstört. Die beiden Figuren waren 36 bzw. 53 Meter hoch und stammten aus dem 3. und 5. Jh. Die zweite galt als die größte Buddha-Statue der Welt. Die Zerstörung präislamischer Kulturgüter ist von Taliban-Chef Mullah Muhammad Omar in Form einer „Fatwa“ (religiöses Gutachten) angeordnet worden.

Bamiyan vor der Zerstörung

APA/AFP/Shah Marai

In der Aushöhlung befand sich die Buddha-Statue

Indien: Nicht immer sind es extremistische Muslime, die religiöse Kulturstätten zerstören. Auch radikale Mitglieder anderer Religionsgemeinschaften verüben Attentate gegen Gebetshäuser anderer Religionen - oder auch der eigenen. Fanatische Hindus verwandeln 1992 die Babri-Moschee in Ayodhya im nordindischen Bundesstaat Uttar Pradesh in ein Trümmerfeld, um an deren Stelle einen Tempel zu bauen.

Wütende Inder zerstören die Babri-Moschee 1992

APA/AFP/Douglas E. Curran

Die Zerstörung der Babri-Moschee

Angeblich wurde die Moschee 1528 an einem Ort errichtet, wo zuvor ein Hindutempel gestanden war. Ayodhya gilt Hindus als Geburtsort von Gott Rama und eine der sieben heiligen indischen Städte. Nach der Zerstörung brechen landesweite Unruhen aus, rund 2.000 Menschen werden getötet.

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