„Anschlag auf Würde und Identität“
Seit Montag wird die islamistisch motivierte Zerstörung von Heiligtümern in der malischen Oasenstadt Timbuktu im Jahr 2012 vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag verhandelt. Angeklagt ist Ahmad al-Faqi al-Mahdi von der malischen Islamistengruppe Ansar Dine.
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Mahdi soll als Kopf einer Hisba, einer religiösen Institution für die Wahrung der Ordnung nach den Gesetzen Gottes, Teile der Zerstörung geplant und angeführt haben. Der Prozess markiert zwei Premieren: Zum einen ist es das erste Mal, dass die Zerstörung von UNESCO-Welterbestätten als Kriegsverbrechen vor dem IStGH landet. Zum anderen steht mit Mahdi zum ersten Mal ein mutmaßlicher Dschihadist vor dem Gericht in Den Haag.
Zerstörung mit Äxten, Werkzeug, Waffen
Ansar Dine und andere islamistische Milizen hatten 2012 die Kontrolle über weite Teile Nordmalis an sich gerissen. Auch Timbuktu wurde besetzt. Der Stadt wurde eine rigorose Anwendung der Scharia aufgezwungen. Zwischen Mai und Anfang Juli zerstörten Islamisten mit Äxten, Werkzeug und Schusswaffen mindestens neun von 16 Mausoleen, in denen sich die sterblichen Überreste von islamischen Gelehrten befinden.

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Die Schäden nach den islamistischen Angriffen schienen kaum reparabel
Gemeinsam mit den drei berühmten Lehmmoscheen und historischen Friedhöfen gehören die Mausoleen zum Welterbe der UNESCO und spielen eine zentrale Rolle in der malischen Geschichte und Kultur. Aufgrund der akuten Zerstörungsgefahr in der Region befinden sich die Stätten seit 2012 auf der Roten Liste des gefährdeten Welterbes. Die Stadt verfügt zudem über einen einzigartigen Schatz mittelalterlicher arabischer Manuskripte - auch dieser wurde Opfer der Islamisten, als diese 2013 die Bibliothek und das Forschungszentrum Ahmed Baba anzündeten.
Schuldbekenntnis angekündigt
Mahdi muss sich für die Zerstörung von neun Schreinen und der Beschädigung der „heiligen Tür“ der Sidi-Yahia-Moschee verantworten. Der rund 40-jährige Angeklagte hat bereits angekündigt, er werde sich schuldig bekennen. Daher könnte der Prozess schon in einer Woche beendet werden. Auch das wäre einzigartig in der Geschichte des Weltstrafgerichtes, denn bis dato erwiesen sich die Prozesse um Kriegsverbrechen vor dem Den Haager Tribunal als langwierig und schleppend.

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Mahdi wurde im September 2015 von Niger nach Den Haag ausgeliefert
Für die UNO handelt es sich jedenfalls um einen Signalprozess, der auch drohende Botschaften in Richtung Syrien und Irak senden soll: „Es geht um einen eiskalten Anschlag auf die Würde und Identität der Bevölkerung und ihre religiösen und historischen Wurzeln“, so Chefanklägerin Fatou Bensouda. Die Zerstörung von Erbe sei von der Verfolgung von Menschen nicht zu trennen, bekräftigt auch UNESCO-Chefin Irina Bokowa.
Kulturvandalismus in IS-Territorium
Im vergangenen Jahr hatte die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in der antiken Oasenstadt Palmyra unter anderem den rund 2.000 Jahre alten Baal-Tempel, den Baal-Shamin-Tempel, mehrere einzigartige Turmgräber sowie den Triumphbogen zerstört. Nahe Homs machte der IS das christliche Kloster Deir Mar Elian aus dem 5. Jh. mit einer Planierraupe dem Erdboden gleich.

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Die Islamisten verbreiteten Videomaterial von der Zerstörung in Mali
Auch im Irak verwüstete der IS Welterbestätten. Im Museum der nordirakischen Stadt Mossul und an der Grabungsstätte Ninive zertrümmerten die Terroristen jahrtausendealte Statuen aus assyrischer Zeit. Die historische Stadt Nimrud südlich von Mossul sollen die Dschihadisten mit Bulldozern überfahren haben. Auch Teile der UNESCO-Weltkulturstätte al-Hadra, einer jahrtausendealten Stadt, sprengten sie.
Wiederaufbau in Mali geglückt
Während im Irak und Syrien angesichts der Kriegswirren kein Ende der Zerstörung in Sicht ist, wurden die Heiligtümer in Timbuktu nach der Vertreibung der Islamisten im Jahr 2013 wieder aufgebaut. Zu der langwierigen Rekonstruktion gehört auch die Wiederherstellung Tausender Manuskripte. Finanziert hat den Prozess unter anderem auch die EU.

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Ein Teil der unbeschädigten Djingareyber-Moschee
Der Prozess gegen Mahdi ist vorerst der erste und einzige Kriegsverbrecherprozess zur Situation in Mali. Der IStGH hatte Anfang 2013 aufgrund von Berichten extremer Gewalt ein Ermittlungsverfahren zu möglichen Kriegsverbrechen eröffnet, das bis heute läuft. Man habe Hinweise auf Kriegsverbrechen inklusive Mord, Vergewaltigung, Verstümmelung, Folter, Plünderungen, Strafvollstreckung ohne Prozess und der Zerstörung von geschützten Gütern und Stätten.
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