Vorstoß auf republikanischen Boden
Als der Hollywood-Schauspieler Ronald Reagan 1980 die US-Präsidentschaftswahl gegen Jimmy Carter mit gewaltigem Vorsprung gewonnen hat, hat das vor allem einen Grund gehabt: Der Republikaner Reagan überzeugte mehr als ein Viertel der als Demokraten registrierten Wähler davon, für ihn zu stimmen.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Der Coup, massenhaft Wähler der anderen Partei für sich zu gewinnen, ist seither keinem Präsidentschaftskandidaten mehr gelungen. Der aktuelle Wahlkampf ist - angesichts der extremen Gespaltenheit der Bevölkerung und aufgrund der aggressiven und gegen zahlreiche ungeschriebene Wahlkampfregeln verstoßenden Kampagne des Republikaners Donald Trump - aber so ungewöhnlich, dass das Team der demokratischen Bewerberin Hillary Clinton offenbar eine Chance sieht, Trump auf traditionellerweise republikanischem Boden herauszufordern.
Blau vs. Rot
Ihr Wirtschaftsprogramm, das Clinton im August vorstellte, ist eine Säule der Bemühungen: Es ist in vielen Bereichen konkreter als jenes, das Trump wenige Tage zuvor präsentiert hatte. Wie Trump legt sie den Schwerpunkt auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze, dazu auf Unterstützung für den Besuch von Colleges und das Versprechen, Familien bei den Kosten für die Kinderbetreuung zu entlasten. Dazu gebe es, anders als bei Trump, eine Gegenfinanzierung, wie die „New York Times“ betont.

AP/Andrew Harnik
Hillary Clinton beim Wahlkämpfen in einer Spielzeugfabrik in Pennsylvania
Die andere Säule ist wohl die Hoffnung, dass Trump mit weiteren umstrittenen Aussagen weiterhin gemäßigte republikanische Wähler vor den Kopf stößt. Clinton hatte jedenfalls in den letzten Wochen ihre Bemühungen in den zwei traditionell „roten“, also republikanischen, Bundesstaaten Georgia und Arizona verstärkt. Arizona wählte in neun der zehn letzten Präsidentschaftswahlgänge republikanisch. Georgia stimmte zuletzt 1992 mehrheitlich für einen Demokraten - Hillarys Ehemann Bill.
„Basteln“ an anderer Mehrheit
Trump hatte sich auch mit seiner Wirtschaftsrede in Detroit nicht aus dem durch umstrittene Aussagen selbst verschuldeten Rückschlag bei den Beliebtheitswerten befreien können. Die „Financial Times“ zitierte einen demokratischen Wahlkampfmanager, der meinte, „wenn wir entscheiden, einen richtigen Wahlkampf in Arizona zu starten, dann heißt das wahrscheinlich, dass das Rennen gelaufen ist“.
In Georgia wie Arizona sind viele gemäßigte, weiße Vorstadtbewohner zu Hause. Die Demokraten rechnen sich Chancen aus, sie dazu bewegen zu können, sich von Trump abzuwenden. Gemeinsam mit den Stimmen der mehrheitlich demokratisch wählenden Latinos in Arizona und der Schwarzen in Georgia, so das Kalkül, könnte sich eine demokratische Mehrheit ausgehen.
Im Hintergrund geht es zudem nicht nur um die Präsidentschaftswahl. Die Kampagne unterstützt auch Kandidaten, die bei der Kongresswahl und auch zahlreichen anderen gleichzeitig stattfindenden bundesstaatsweiten oder lokalen Wahlen (etwa Gemeindevertreter und Richter) antreten. Damit sollen die beiden möglicherweise wahlentscheidenden Staaten langfristig blau eingefärbt werden.
Ressourcen binden
Den Wahlkampf in traditionell dem Kontrahenten zufallende Staaten zu tragen ist auch eine strategische Finte: Damit soll der Gegner - im konkreten Fall Trump - dazu gezwungen werden, seine Kräfte breiter aufzuteilen. Damit bleiben, wenn die Taktik gelingt, dem Gegner weniger Ressourcen, selbst zu attackieren und um traditionelle „Swing-States“ wie North Carolina zu kämpfen.
Tatsächlich schickte Trump in der Vorwoche seinen Vizekandidaten Mike Pence zu zwei Wahlkampfveranstaltungen in Arizona. Mit ihrem Wirtschaftsprogramm könnte Clinton inhaltlich durchaus die ins Visier gefassten Wähler ansprechen. Freilich ist der 8. November noch weit entfernt - und es bleibt ein Problem: dass viele Republikaner Clinton als Person nicht leiden können.
Links: