Flüchtlingskrise als „Herkulesaufgabe“
Ob die neuerliche Hofburg-Stichwahl, die laufende Flüchtlingskrise, die Sorgen der Österreicher oder die Erwartungen für die eigene Partei: Auch das dritte ORF-„Sommergespräch“, diesmal mit Grünen-Chefin Eva Glawischnig, hat viele zentrale Themen gestreift, die Österreich derzeit bewegen.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Voll des Lobes war Glawischnig gleich zu Beginn für die aus ihrer Sicht anhaltende Hilfsbereitschaft der Österreicher. Der von den Grünen im Vorjahr plakatierte Slogan „Heimat bist du großer Herzen“ habe demnach noch immer seine Gültigkeit, wie die Grünen-Chefin mit Verweis auf die nach wie mit der Betreuung von Flüchtlingen tätigen ehrenamtlichen Helfer sagte.

ORF
Susanne Schnabl im Gespräch mit Glawischnig
Glawischnig verwies in diesem Zusammenhang aber auch auf die große Verunsicherung, die es allein wegen der jüngsten Serie von Terroranschlägen in Europa in Österreich gebe. Mit Sicherheit gebe es in Europa Menschen mit bösen Absichten - Glawischnig zufolge dürfe man aber keinen Generalverdacht erheben.
Lobeshymne für „besonnenen“ Van der Bellen
Die Grünen betrachtet Glawischnig zudem als Gegenpol zu der aus ihrer Sicht nur auf die Ängste der Bevölkerung bauenden FPÖ. Das gelte auch für den FPÖ-Hofburgkandidaten Norbert Hofer, so Glawischnig. Der ehemalige Grünen-Chef und nun als unabhängiger Kandidat von den Grünen unterstützte Alexander Van der Bellen strahle im Gegensatz dazu „absolute Verlässlichkeit“ an. Nur eine besonnene Persönlichkeit könne auch Sicherheit geben, so Glawischnig.
Van der Bellen würde „nicht zündeln“, sagte Glawischnig mit Blick auf die Entscheidung der Briten für den EU-Austritt („Brexit“) und das ihren Worten zufolge von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und Hofer erfundene Wort „Öxit“.
„Kirche im Dorf lassen“
Mit der Entwicklung ihrer Partei zeigte sich Glawischnig zufrieden - hätten die Grünen 2013 doch das beste Nationalratsergebnis seit Gründung (12,42 Prozent) erreicht und mittlerweile den Einzug in fünf Landesregierungen geschafft. „Die FPÖ war in Kärnten ja eine Katastrophe“, wie Glawischnig hier zudem erwähnte.
Auf die nächste Nationalratswahl freut sich Glawischnig „wirklich“. Ihr Ziel ist, eine Regierungsbeteiligung der FPÖ zu verhindern - und eine „neue Mehrheit jenseits von Rot-Schwarz zu ermöglichen“. Außer Frage stellte Glawischnig den Wunsch einer grünen Regierungsbeteiligung.

ORF
Glawischnig will FPÖ in der Regierung verhindern
Hinweise auf die wesentlich größeren Zuwächse der FPÖ, die Schwäche der Grünen in den ländlichen Regionen und kritische Kommentare aus dem eigenen Lager - man sei nicht volksnah genug etwa - konterte sie mit „man soll schon die Kirche im Dorf lassen“, man solle nicht „die positive Entwicklung der letzten Jahre mit aller Gewalt schlechtreden“. Zudem seien die Grünen laut Glawischnig derzeit die einzige Partei, die abseits rechter Parteien zugelegt habe.
„Noch nie vorgeschrieben, kein Schnitzel zu essen“
Dem Vorwurf fehlender Volksnähe wollte Glawischnig indes auch mit Verweis auf ihre Kärntner Herkunft entgegentreten. Die Grünen seien zudem oft mit Klischees konfrontiert. „Wenn jemand vegan leben will, warum soll er das nicht dürften? Ich habe noch nie jemand vorgeschrieben, dass er kein Schnitzel essen darf“, sagte Glawischnig hier etwa.
Zudem gebe es von den Grünen sehr wohl auch Angebote für die Menschen am Land, etwa die Klimaschutzpolitik oder Themen wie Lebensmittelsicherheit. Natürlich dürfe eine Partei aber nicht aufhören, sich weiterzuentwickeln, räumte Glawischnig ein. Manchmal müsse man Parteipolitik aber auch beiseiteschieben, wie Glawischnig mit Blick auf die Unterstützung des als unabhängiger Kandidat zur Hofburg-Wahl angetretenen Van der Bellen sagte.
Zurückhaltung beim Thema Flüchtlinge
Die am 2. Oktober anstehende Stichwahlwiederholung dürfte auch Anlass für die eher zurückhaltend-pragmatisch wirkenden Antworten bei den Themen Flüchtlinge und Terrorismus gewesen sein. Kritisch kommentierte sie den Flüchtlingspakt der EU mit der Türkei - sei doch eingetreten, was sie immer befürchtet habe, nämlich dass das Erdogan-Regime diesen erpresserisch einsetze.
Die Integration und Unterbringung der Flüchtlinge in Österreich sei „mit Sicherheit eine Herkulesaufgabe“, sagte Glawischnig - und ging auf Themen wie Doppelstaatsbürgerschaft oder Wohnsitzpflicht nicht wirklich ein. Vermisst werden von Glawischnig hier aber bundesweit gültige Standards etwa bei der Mindestsicherung - aus ihrer Sicht mit ein Grund, dass in Wien derzeit die meisten Flüchtlinge zu finden seien.
Angesprochen auf die Flüchtlingshöchstzahl betonte sie, dass eine europäische Lösung mit einer gerechten Verteilung unabdingbar sei - ebenso wie die Bekämpfung der Fluchtursachen etwa durch Friedensgespräche für Syrien. Die Grenzen zuzumachen sei keine Lösung, man könne die Menschen nicht im Mittelmeer ertrinken lassen und auch nicht nach Syrien zurückschicken, solange der Krieg dort andauere.
Themenlage für Grüne derzeit „bescheiden“
Geht es nach dem Politologen Peter Filzmaier sind die Grünen derzeit mit einer als „bescheiden“ bezeichneten Themenlage konfrontiert. Die grünen „Wunschthemen“ wie Umwelt und Bildung seien im „Sommergespräch“ demnach „praktisch nicht vorgekommen“, wie Filzmaier in der ZIB2 analysierte.
Zurückhaltung wegen Hofburg-Stichwahl
Glawischnig wollte nach Ansicht Filzmaiers bei ihrem Auftritt bei den ORF-„Sommergesprächen“ vor allem Präsidentschaftskandidat Van der Bellen nicht schaden.
Derzeit gehe es um Sicherheit, den Kampf gegen den Terror, Flucht und Asyl - und das seien „alles Themen, wo die Grünen nicht in der ersten Reihe spielen“. Glawischnigs Strategie ist es laut Filzmaier wohl auch gewesen, „sich möglichst nicht zu profilieren“, um Alexander Van der Bellen möglichst nicht bei der Hofburg-Stichwahl zu schaden.
Link: