Aufregung über Minderheitenthema
Bis zu ein Jahr Haft für Eltern, die ihren Kindern eine vegane Ernährung aufzwingen: Geht es nach der italienischen Oppositionspartei Forza Italia, soll diese Strafmaßnahme schon bald Realität werden. Die Rechtspopulisten reichten einen entsprechenden Gesetzesvorschlag im Parlament ein - und hoben die Debatte über Ernährung und Erziehung auf eine neue Stufe.
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„Erwachsene können sich natürlich für vegane Ernährung entscheiden. Das Problem ist, wenn diese Diät Kindern aufgezwungen wird“, sagte die Parlamentarierin der Forza Italia, Elvira Savino. Sie warnte vor „gefährlichen Ernährungsweisen“, zu denen Eltern ihre Kinder zwingen. Besonders Kleinkinder sieht die Partei gefährdet. So soll die Strafe auf zwei Jahre wachsen, wenn es um Kinder unter drei Jahren geht.
Forza Italia sucht Öffentlichkeit
Diese harschen Forderungen dürften freilich genau das bleiben: Forderungen. Die aktuelle Forza Italia - hervorgegangen aus der von Silvio Berlusconi gegründeten Partei Il Popolo della Liberta - hält 70 der 630 Parlamentssitze. Vom Inhalt einmal abgesehen lässt sich auch die Relevanz des Gesetzesvorschlags hinterfragen.
Gerade einmal fünf Prozent aller Italiener leben vegetarisch, Veganer machen nicht einmal ein Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Dennoch schwelt zurzeit in Italien eine Debatte, in welche die Partei nun Feuer gießt. So ist es wohl kein Zufall, dass die Forza Italia ihr Ansinnen gerade jetzt im Parlament einbrachte.
Fall in Norditalien sorgte für Aufregung
Erst im Juli schlug der Fall eines unterernährten Kleinkindes in Mailand hohe Wellen. Die Eltern hatten ihr Kind ausschließlich vegan ernährt - also jegliche tierischen Produkte wie Eier und Milch ausgespart. Der 14 Monate alte Bub wurde schließlich von den Großeltern ins Krankenhaus gebracht, wo er wegen einer Herzfehlbildung notoperiert werden musste. Bei seiner Einlieferung wog er laut Medienberichten nur fünf Kilo - in etwa das Gewicht eines dreimonatigen Babys. Ein Richter entzog den Eltern daraufhin das Sorgerecht.
Der Fall aus Mailand war ein Sonderfall - darin waren sich in der anschließenden Diskussion die meisten Kommentatoren einig. Die Debatte zog dennoch über Italien hinweg ihre Kreise. Wenige Tage nach Bekanntwerden des Falls forderte die deutsche CDU-Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann, dass alle Schwangeren eine Ernährungsberatung erhalten sollen, die im Rahmen der allgemeinen Vorsorgeuntersuchungen stattfindet.
„Die CDU wird Schwangeren oder jungen Eltern nicht vorschreiben, was sie wann wie essen. Aber Schwangere und junge Eltern müssen wissen, dass die Entscheidung für einen persönlichen Ernährungsstil Risiken für die Gesundheit von Ungeborenen und Kleinkindern mit sich bringen kann“, so die Abgeordnete.
Minister verurteilt vegane Ernährung von Kindern
Bereits ein halbes Jahr zuvor hatte ihr Unionskollege und Ernährungsminister Christian Schmidt (CSU) für tierische Produkte eine Lanze gebrochen. Kurz vor den Weihnachtsfeiertagen warnte Schmidt - er ist auch Landwirtschaftsminister - vor Gesundheitsschäden durch rein pflanzliche Speisen bei Kindern und Jugendlichen. „Veganes Essen kann zu gefährlicher Mangelernährung führen – vor allem bei Kindern.“ Für Kinder und Jugendliche sei eine „vegane Ernährung auf keinen Fall geeignet“, sagte Schmidt gegenüber der „Bild“-Zeitung.
Aufseiten der Vegetarier und Veganer machte sich der CSU-Minister damit kaum Freunde. „Eine ausgewogene und vielfältige vegane Ernährung ist für alle Lebensphasen geeignet und versorgt den Körper mit allen nötigen Nährstoffen und mit annähernd allen Vitaminen“, lautete die Replik des Vegetarierbundes Deutschland (VEBU). Mangelernährung lasse sich mit angereicherten Nahrungsmitteln und Vitamin-B12-Zahncreme vorbeugen, so VEBU-Chef Sebastian Joy.
Veganes Essen in Berlin nicht einklagbar
Im Mai dieses Jahres musste sich der VEBU erneut ärgern. In Berlin scheiterte ein Vater vor Gericht mit seiner Forderung nach einem veganen Schulmittagessen für seine Tochter. Es bestehe keine rechtliche Verpflichtung, die gesamte Vielfalt verschiedener Ernährungsüberzeugungen von Eltern und Kindern wie etwa „Steinzeiternährung, Low Carb, Low Fat, Rohkost, Trennkost, Fruitarismus und Veganismus“ zu berücksichtigen, hieß es im Juni in einem Beschluss des Berliner Verwaltungsgerichts. „Dieses Urteil ist unseres Erachtens eine Form der Diskriminierung und nicht akzeptabel“, so der VEBU auf seiner Facebook-Seite.
Fleisch per gerichtliche Anordnung
Der Fall in Berlin war nicht der erste, in dem sich ein Gericht in Europa mit der Enährung von Kindern beschäftigen musste. Vergangens Jahr war der Schauplatz einmal mehr Italien. In der lombardischen Stadt Bergamo endete der Streit eines Ex-Ehepaares über die Ernährung des gemeinsamen zwölfjährigen Sohnes vor Gericht.
Die Mutter - selbst Vegetarierin - begklagte, dass ihr Sohn nach Wochenenden beim Vater mit Fleisch, Milchprodukten und Süßigkeiten unter Bauchschmerzen leide. Ihr Ex-Mann war aber davon überzeugt, dass Fleisch für die Entwicklung wichtig sei, und wandte sich an das Gericht. Dieses legte fest, dass bei der Mutter mindestens einmal pro Woche Fleisch auf den Tisch kommen muss, am Wochenende beim Vater aber höchstens zweimal.
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