Ruf nach Schutz der EU-Außengrenzen
Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) übt Kritik an der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, die am Flüchtlingsdeal mit der Türkei festhalten will: „Ich halte es für problematisch, wenn man wegen dieses Asyldeals bei Grundrechtsverletzungen, die in der Türkei passieren, wegsehen würde“, sagte Kurz gegenüber der Tageszeitung „Österreich“ (Sonntag-Ausgabe).
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„Das können und dürfen wir als EU nicht an Ankara delegieren und uns damit weiter erpressbar machen“, wiederholte der Außenminister seine zuletzt regelmäßig vorgebrachte Position. „Wir brauchen eine eigene EU-Flüchtlingspolitik und müssen die EU-Außengrenzen selbst schützen.“
Kurz zeigte sich neuerlich überzeugt, dass der Flüchtlingsdeal zwischen der EU und der Türkei platzen wird: „Weil es drei Bedingungen der Türkei gab, damit die Türkei den Flüchtlingsstrom Richtung EU stoppt: Visa-Liberalisierung, Beschleunigung der EU-Beitrittsverhandlungen und Hilfsgelder. Ich bin nicht dafür, der Türkei bei den Bedingungen für die Visa-Liberalisierung oder den Beitrittsverhandlungen nachzugeben. Die Türkei hat ihrerseits bereits erklärt, nicht alle Bedingungen erfüllen zu wollen. Damit wird der Flüchtlingsdeal nicht zu halten sein.“
Aufruf zur Mäßigung
In Richtung der in Österreich lebenden Türken sagte Kurz: „Wir werden keine Hexenjagd bei uns zulassen. Ich erwarte von jedem, der bei uns lebt, dass er keine externen Konflikte zu uns trägt, und rate hier dringend zu Mäßigung.“ Kurz’ Sorge gründet laut „Österreich“ in dem Umstand, dass in erdogannahen Zeitungen schwarze Listen mit angeblichen Anhängern des Predigers Fethullah Gülen in Wien veröffentlicht wurden. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sieht in Gülen, der in den USA lebt, den Drahtzieher hinter dem Umsturzversuch in der Türkei.
Brüssel von Vetodrohung wenig beeindruckt
Gegenüber dem „Kurier“ (Sonntag-Ausgabe) sagte Kurz, er wolle ein Veto gegen das Eröffnen weiterer Kapitel in den EU-Verhandlungen mit der Türkei einlegen. „Ich habe Sitz und Stimme im Außenministerrat. Dort geht es darum, ob neue Verhandlungskapitel mit der Türkei (einstimmig) eröffnet werden. Und da bin ich dagegen.“
Aus Brüssel hieß es dazu, es seien zurzeit ohnehin keine neuen Gespräche geplant. Darüber hinaus blockiere Zypern bereits seit Längerem weitere Verhandlungen zum EU-Beitritt der Türkei. Ein zweites Veto, etwa aus Österreich, habe deshalb keine weiteren Folgen, verlautete aus EU-Kommissionskreise. Die für Herbst geplanten Gespräche zu den Kapiteln Menschenrechte und Justiz seien wegen der „ernsten“ Menschenrechtslage in der Türkei auf Eis gelegt.
Botschafter einberufen
Bereits am Freitagabend hatte Kurz in der ZIB2 seine Forderung nach einem Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei bekräftigt. Ein Stopp sei angesichts der „Wegentwicklung von der europäischen Union“ sowie der dramatischen Entwicklungen seit dem Putschversuch vom 15. Juli „sinnvoll“, so Kurz. Es brauche nun eine „ehrliche Debatte“.
Die derzeitigen Beziehungen zwischen Österreich und der Türkei bezeichnete Kurz als „natürlich angespannt“. Man könne nach den jüngsten Entwicklungen allerdings nicht einfach zum Alltag übergehen. Das Außenministerium hatte am Freitag den türkischen Botschafter einberufen, nachdem der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu Österreich als „Zentrum des radikalen Rassismus“ bezeichnet hatte.
Harsche Worte gegen Kern
Am Samstag legte der Chefberater von Präsident Recep Tayyip Erdogan noch einmal gegen die österreichische Regierung nach. Auf Twitter richtete sich Burhan Kuzu an den Kanzler Christian Kern (SPÖ). „Verpiss dich, Ungläubiger“, soll er dort sinngemäß geschrieben haben. „Die EU geht sowieso unter, und die NATO ist nichts ohne die Türkei.“ Kuzu ist bekannt dafür, dass er vor deftigen Stellungnahmen nicht zurückschreckt.
Kern hatte die Debatte am Mittwoch in einem Interview in der ZIB2 angestoßen. Dort sagte er, es brauche einen „Reset“ in den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Die Gespräche seien „nur noch diplomatische Fiktion“. Der türkische Europaminister Ömer Celik hielt Kern daraufhin rechtsextreme Wortwahl vor. „Es ist verstörend, dass seine Kommentare ähnlich wie die der Rechtsaußen klingen“, so Celik.
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