Neue Pläne für kontaminiertes Gebiet
Gut 30 Jahre nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl hat die Ukraine die 30-Kilometer-Sperrzone um den havarierten Reaktor in ein Biosphärenreservat umgewandelt. Ein entsprechender Erlass von Staatschef Petro Poroschenko trat am Montag in Kraft, wie das Präsidialamt in Kiew mitteilte.
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Vorausgegangen waren Gesetzesnovellen, die den Bau von Windkraft- und Solaranlagen sowie wissenschaftliche Forschung in dem rund 2.270 Quadratkilometer großen kontaminierten Landstrich ermöglichen. Rund um Tschernobyl könnte damit einer der größten Solarparks der Welt entstehen und nach Regierungsangaben fast ein Drittel der Stromerzeugung der Ukraine abdecken.
30 Jahre nach der Katastrophe
Seit Jahren habe es Druck gegeben, die industrielle Entwicklung der Region zu ermöglichen, zitiert der „Guardian“ aus der Präsentation der Machbarkeitsstudie, nun habe es ein Umdenken im Zusammenhang mit der Sperrzone gegeben. 30 Jahre nach der Tschernobyl-Katastrophe gebe es nun die Möglichkeit, ein besonderes Industriegebiet - unter Berücksichtigung der Vorschriften zur Strahlensicherheit - innerhalb der Sperrzone zu schaffen.

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA
In Tschernobyl war es am 26. April 1986 bei einer Übung zu einem Super-GAU gekommen. Infolge der radioaktiven Strahlung mussten mehr als 100.000 Menschen umgesiedelt werden, ein Gebiet mit einem Radius von 30 Kilometern um den havarierten Reaktor wurde zur Sperrzone erklärt. Das Militär bewacht das Gebiet, offiziell darf niemand mehr dort leben.

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Ein verlassenes Autodrom in der Stadt Prypriat nahe dem havarierten AKW
Nun soll das evakuierte Gebiet industriell genutzt werden, heißt es in der Studie. Die ukrainische Regierung glaubt, dass dort mehr als 1.000 Megawatt an Solarstrom und 400 Megawatt Strom aus anderer erneuerbarer Energie erzeugt werden könnten. Das Kernkraftwerk hatte eine installierte Leistung von rund 4.000 Megawatt.
Ideales Gebiet für erneuerbare Energie
Der Vorteil, in Tschernobyl Strom aus erneuerbarer Energie zu erzeugen, ist laut ukrainischem Umweltministerium, dass das Land günstig ist, reichlich brachliegende Flächen bietet und die Sonne so stark wie in Mitteleuropa scheint. Darüber hinaus könne die vorhandene und weiter intakte Netzinfrastruktur wie Hochspannungsleitungen, die früher vom Atomkraftwerk benutzt wurden, verwendet werden. „Und wir haben viele Bürger, die für die Arbeit in Kraftwerken ausgebildet sind“, ergänzte der ukrainische Umweltminister Ostap Semerak gegenüber Bloomberg. Mit diesem Vorstoß in Richtung saubere Energiegewinnung in der Sperrzone nähere sich die Ukraine auch der EU an.
Geldgeber gesucht
Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) hat laut „Guardian“ bereits signalisiert, für eine Kreditvergabe bereit zu sein. „Die Bank beteiligt sich an dem Projekt, sofern es brauchbare Investitionsmöglichkeiten gebe und andere Risiken, wie etwa für die Umwelt, ausgeschlossen werden können“, teilte ein EBWE-Sprecher mit. Für den Bau eines neuen Sarkophags über dem havarierten Reaktor hatte die EBWE bereits Mittel zur Verfügung gestellt.

Reuters/Gleb Garanich
Ein Betonsarkophag soll einen weiteren Strahlenaustritt verhindern
„Wir setzen unsere Prioritäten gemäß europäischer Standards. Das bedeutet, wir achten auf unsere Umwelt und setzen auf saubere Energien“, sagte Semerak. Mit Blick auf den immer noch andauernden Ukraine-Konflikt fügte er hinzu: „So zeigen wir den Menschen, die in der Konfliktzone zu Hause sind, dass das Leben in der Ukraine besser und komfortabler ist.“ Zwei US-amerikanische sowie vier kanadische Investment- und Energiekonzerne sollen bereits Kontakt mit dem ukrainischen Umweltministerium aufgenommen haben.
Nicht die erste Solaranlage
Der Biosphärenpark in Tschernobyl wäre nicht das erste Solarprojekt in der Region: Im Südosten Weißrusslands wurde unterdessen mit dem Bau einer Solaranlage begonnen. Rajon Brahin - nur rund 30 Kilometer von Tschernobyl entfernt - ist eines der vom Fallout aus dem havarierten Tschernobyl-Reaktor am stärksten kontaminierten Gebiete und für die Landwirtschaft ungeeignet. Laut Greenpeace hatte die Ukraine außerdem schon im Jahr 2011 mit dem Perovo Solar Park auf der Halbinsel Krim eines der leistungsfähigsten Solarkraftwerke Europas.
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