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„Das müssen’s nachweisen können“

In der medialen Berichterstattung über die Anklage gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und 15 weitere Beschuldigte geht oft unter, dass dabei zwei Fälle auf einmal verhandelt werden sollen: Neben der BUWOG-Privatisierung auch die Causa Terminal Tower. Dabei flossen zwar vergleichsweise geringe Summen an mutmaßlichem Schmiergeld, für die Anklage sind daraus aber ganz andere Punkte wichtig.

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In vielerlei Hinsicht wirken die Causae BUWOG und Terminal Tower in der Darstellung der Anklage wie Spiegelbilder zueinander: Hier ein von Anfang an abgekartetes Spiel, dort ein korrekt laufendes Verfahren, in das sich Grasser und seine Vertrauten Walter Meischberger, Ernst Plech und Peter Hochegger einschalteten. Hier willige Mittäter, dort ein zumindest anfangs „widerspenstiges“ Gegenüber und damit umso nachdrücklichere Forderungen nach Bestechungsgeld.

Mit „Tatplan“ auf fahrenden Zug aufgesprungen

Der Kern des Sachverhalts ist schnell erzählt. Schon lange vor der schwarz-blauen Regierung war Handlungsbedarf in Hinblick auf die Linzer Finanzbehörden angesagt: Die quer über die Stadt verteilten Behördenstandorte waren zu alt, zu kompliziert in der Verwaltung und damit zu teuer. Etwas Neues musste her. Die Finanz wollte künftig nur noch Büros mieten, ein entsprechendes Verfahren lief an. Klar war ebenso schon, dass es einen Neubau brauchen würde.

Terminal Tower in Linz

ORF

Terminal Tower in Linz

Laut der Anklage hatten Grasser und seine Vertrauten schon im Jahr 2000 vereinbart, sich auf Kosten des Staates zu bereichern. „Im Februar 2004“, so der vertrauliche der Ö1-Journalredaktion zugespielte Akt, habe man dabei auch das Linzer Projekt als Ziel ausgemacht. Damals hätten die vier „vereinbart, auch bei der bevorstehenden Neuunterbringung der Linzer Finanzdienststellen den bereits im Jahr 2000 gemeinschaftlich gefassten Tatplan umzusetzen“.

„Unterstützung“ im Wert von 700.000 Euro

Die Verhandlungen zwischen der Finanz und der Baufirma Porr im Verbund mit der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich waren zu diesem Zeitpunkt schon weit gediehen. Das Projekt war auf die Bedürfnisse der Finanz hingeplant worden, es gab aber ein „Henne-Ei-Problem“: Die Finanz konnte erst einen Mietvertrag unterschreiben, wenn es ein Objekt dafür gab - die Porr brauchte wiederum Sicherheit von der Finanz, um mit dem Bau beginnen zu können. Das wusste auch Grasser.

Im Frühsommer 2004 meldete sich laut dem Akt Grasser-Freund Plech, für den wie für alle anderen Beschuldigten die Unschuldsvermutung gilt, bei Porr-Chef Horst Pöchhacker. Ohne lange Umschweife habe er 700.000 Euro für seine „Unterstützung“ bei dem Projekt gefordert, wusste man von Pöchhacker doch, dass er „politische Landschaftspflege“ als Teil des Geschäfts akzeptierte und etwa Hochegger auch 25.000 Euro für fiktive „Beratungsleistungen ‚Ungarische Autobahnen‘“ zahlte.

„Dreiste Forderung“ zurückgewiesen

Pöchhacker ließ Plech aber abblitzen, so die Anklage: Er habe „trotz der dreisten Forderung“ die „Hoffnung“ gehabt, das Projekt „auch ohne dieses strafbare ‚Unterstützungsangebot‘ des Kommerzialrates Plech umsetzen zu können“. Er weihte aber den Porr-Vorstand und späteren ÖBB-Chef Martin Huber ein, der vor Gericht als Zeuge geladen sein wird. Pöchhacker kann nicht mehr befragt werden, er starb im Jahr 2014.

Der ehemalige ÖBB-Aufsichtsratspräsident und Porr-Generaldirektor Horst Pöchhacker

APA/Helmut Fohringer

Der 2014 verstorbene Porr-Chef Horst Pöchhacker

Pöchhacker wurde jedoch während der 2009 begonnenen Ermittlungen ausführlich befragt. Er zeigte sich im Frühsommer 2004 offenbar sicher, dass die Verhandlungen zum Projekt schon so weit gediehen seien, dass die Finanz ohnehin nicht mehr zurück könne, und es die 700.000 Euro nicht brauche. Tatsächlich liefen die offiziellen Verhandlungen plangemäß weiter, bis sich Grasser im Herbst 2005 plötzlich in einem 180-Grad-Schwenk gegen das Projekt aussprach.

Ein Herz für Beamte

Im Herbst 2005 hatte die Porr festgehalten: „Der Mietvertrag an sich ist fertig ausverhandelt“, eine „allgemeine Mietersuche“ brauche es angesichts der Zustimmung aus dem Finanzministerium nicht. Am 5. Dezember 2005 war es auch aus der Sicht von Finanz-Chefverhandler Gerhard Pipal, über den die Anklage nichts Schlechtes zu vermelden weiß, so weit: „Die Finanz mietet - analog dem vorliegenden Mietrechtsentwurf - alle dort angesprochenen Flächen“, resümierte er nach harten Verhandlungen.

Grasser, Meischberger, Hochegger und Plech sahen darin offenbar einen „Jetzt oder nie“-Moment: Einmal mehr forderten Meischberger und Plech von Pöchhacker 700.000 Euro. Der ließ sich genau über den Stand der Verhandlungen informieren, kam zum Schluss, dass die Finanz keine Alternativen mehr hatte, und zeigte Meischberger und Plech die kalte Schulter. Da entdeckte Grasser plötzlich sein Herz für die Linzer Beamtenschaft, die schon die ganze Zeit unglücklich mit den Übersiedlungsplänen gewesen war.

Baffe Verhandler im Finanzministerium

Grasser stoppte das Projekt abrupt. Dabei, so die Staatsanwaltschaft, „stand er den Befindlichkeiten der betroffenen Belegschaften in Wahrheit weiterhin – wie auch schon bis zu diesem Zeitpunkt – gleichgültig gegenüber. Sie dienten aber nach Konkretisierung des gemeinsamen Tatplans als nach außen plausibel darstellbarer Grund, den Vertragsabschluss abzulehnen und die Verhandlungspartner unter Druck zu setzen.“

Und wieder wurde Pöchhacker von Plech daran erinnert, dass sich die Probleme mit 700.000 Euro beseitigen ließen - ungefähr zeitgleich mit jener Sitzung im Ministerium am 21. Dezember 2005, bei der das Projekt endgültig abgesegnet werden sollte, von Grasser aber einsilbig mit dem Verweis auf die Sorgen der Linzer Beamtenschaft abgelehnt wurde. Fragen seiner eigenen baffen Verhandler habe Grasser nicht zugelassen, sondern sei nach seiner Anordnung vom Verhandlungstisch aufgestanden und gegangen.

Pöchhacker gibt nach

Nun wurde Pöchhacker weich und ließ intern durchrechnen, ob sich das Linzer Projekt bei Zusatzkosten von 700.000 Euro überhaupt noch rentieren würde. Die klare Antwort des Porr-Controllings: Nein. Pöchhacker und seine Partner, vor allem RLB-OÖ-Chef Ludwig Scharinger, einigten sich daraufhin, es mit 200.000 bei Grasser zu versuchen. Plech fungierte laut Anklage als Überbringer der Botschaft: Grasser sagte zu. Der unveränderte Widerwille der Beamtenschaft zur Übersiedlung spielte auf einmal keine Rolle mehr.

Die Zahlung musste in die Wege geleitet werden und ein Porr-Mitarbeiter vermailte unter dem Betreff „Meischberger-streng vertraulich“ die Information, „dass als Ergebnis des Mietvertrages mit der Finanz eine Vermittlungsprovision an Herrn Meischberger in Höhe von EUR 200.000.- zu zahlen sei“. Dafür setzte es prompt eine Kopfwäsche der Chefs des Porr-Konsortiums, weil dadurch ja ein schriftlicher Beweis der Vorgänge entstehen könnte. Eine richtige Vermutung, wie spätestens die Anklageschrift beweist.

Rumänien liegt in Bulgarien

Abgewickelt wurde der Geldfluss einmal mehr über eine Scheinrechnung, diesmal als Honorar für einen „Marktbericht Bukarest - Rumänien, Logistikzentren“. Das Dokument existiert tatsächlich. Es ist eine Seite lang und eine Art Volksschulaufsatz über den Immobilienmarkt in Bukarest. Als Hoffnungsgebiete für Projektentwicklung wurden darin etwa „1. der westliche Bereich“, „2. der nördliche Bereich“ und „3. der östliche Bereich“ aufgeführt.

Telefonate vor Gericht zu hören?

Die Staatsanwaltschaft will die Gespräche erstmals auch als Audiofile im Gerichtssaal abspielen lassen. Die Wirkung der „tatsächlichen Gesprächssituation“ sei für die Beweisführung „unverzichtbar“.

Als Ausrede für die Zahlung der 200.000 Euro war das Blatt Papier allen Beteiligten offenbar gut genug, da musste man nicht so genau sein - bis hin zum Filenamen, der „Marktbericht Bulgarien.pdf“ lautete. Und wie bei der Causa BUWOG schien allen Beteiligten nun auch die Causa Terminal Tower erledigt. Grasser und Meischberger wiegten sich sogar so in Sicherheit, dass die heute berühmt-berüchtigten Abhörprotokolle entstehen konnten.

„Supernackt“ und „natürlich deppert“

Dass Ermittlungen liefen, war Grasser und Meischberger Anfang 2010 bewusst. Sie dachten aber offenbar nicht im Traum daran, dass ihre Telefone überwacht werden könnten. Dutzende Gespräche zwischen 29. Jänner und 1. Februar sind dokumentiert. Meischberger klagt dabei etwa, dass er vor den Ermittlern keine Kompetenz als Immobilienexperte vermitteln würde und „supernackt“ dastehen könnte. Grasser findet es seinerseits „natürlich deppert, dass die so viele scheinbare Informationen haben“.

In einem weiteren Telefonat meint Meischberger, „dass der Grasser was genommen hat ... da oder dort ... das müssen sie nachweisen können. Und dass für das, was er genommen hat, eine amtsmissbräuchliche Handlung vonstatten gegangen wäre ... das müssen’s nachweisen können“. Grasser antwortet: „Ja, und ich meine ... beide Dinge werden sie nicht nachweisen können.“ Grasser legt in Folge seine Linie fest: Er „würde sagen müssen“, dass „das für mich eine ganz normale Geschichte war“.

Lukas Zimmer, ORF.at

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