Themenüberblick

Eigene Anti-Kidnapping-Abteilung

Sie ist eines der prominentesten brasilianischen Entführungsopfer der letzten Jahre: Die Schwiegermutter von Formel-1-Chef Bernie Ecclestone, die 67-jährige Aparecida Schunk Flosi, soll laut der brasilianischen Nachrichten-TV-Sendung „Jornal Nacional“ bereits am Freitag, zwei Wochen vor der Eröffnung der Olympischen Sommerspiele in Rio de Janeiro, in Sao Paulo entführt worden sein. Die örtliche Polizei hält sich allerdings noch bedeckt.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Nach Angaben des brasilianischen Wochenmagazins „Veja“ sollen die Entführer ein Lösegeld in Höhe von 120 Millionen Real (33,2 Mio. Euro) fordern. Dabei wollen die Kidnapper die Summe angeblich in britischen Pfund ausgezahlt haben. Damit wäre dies dem Vernehmen nach der bis dato größte Entführungsfall in der Geschichte Brasiliens.

Berüchtigt für Blitzentführungen

Mit dem 85-jährigen Ecclestone wurde auf jeden Fall ein besonders betuchtes Opfer ausgewählt, dem man Lösegeld abpressen will: Das Vermögen des Engländers, der 2012 die 38-jährige Brasilianerin Fabiana Flosi heiratete, wird laut US-Magazin „Forbes“ auf mehr als drei Milliarden Dollar geschätzt.

Allein: Brasilien ist wie viele andere lateinamerikanische Länder eigentlich eher für sogenannte Blitzentführungen (portugiesisch „sequestro relampago“) berüchtigt. Dabei werden vom Entführungsopfer selbst relativ geringe Beträge gefordert. Oftmals wird die entführte Person direkt zu einem Bankomaten geführt und dort gezwungen, Geld abzuheben und danach wieder freigelassen.

Neuseeländischer Sportler entführt

Blitzentführungen standen bis vor einem Jahrzehnt an der Tagesordnung. Oftmals wurden mehrere Menschen an einem Tag entführt, bis die brasilianische Polizei härter durchgriff und eine spezielle Anti-Kidnapping-Abteilung einführte. Die Zahl der Entführungen nahm daraufhin deutlich ab.

Dennoch fiel jetzt, wenige Tage vor der Eröffnung der Olympischen Sommerspiele, ausgerechnet ein neuseeländischer Sportler dieser Art des Verbrechens zum Opfer. Der 27-jährige Jason Lee trainiert Jiu-Jitsu - wobei es sich allerdings um eine nicht olympische Sportart handelt. Eigenen Angaben zufolge wurde er von zwei Polizisten in Rio entführt und dazu gezwungen, an einem Bankomaten umgerechnet rund 550 Euro abzuheben. Die Polizei teilte am Montag mit, dass der Vorfall untersucht werde.

Täter in Polizeiuniformen

Nach den Schilderungen Lees handelte es sich bei den Tätern, die in Polizeiuniformen auf Motorrädern saßen, um Militärpolizisten. Als Grund für die Geldforderung gaben sie an, die Papiere Lees seien nicht in Ordnung. Einer der Polizisten fuhr ihn in einem zivilen Auto zu dem Bankomaten.

Lee gab an, er sei danach selbst zu einer Polizeistation gegangen, um Anzeige zu erstatten. Die dort anwesenden Polizisten hätten ihm die Auskunft gegeben, sie hätten „selbst Angst“ vor den Missetätern. „Es leben die Olympischen Spiele!“, twitterte Lee leicht sarkastisch.

Extrem hohe Kriminalitätsrate

Die hohe Kriminalitätsrate in Rio ist mittlerweile ein Problem ungeheuren Ausmaßes. Allein von Jänner bis April dieses Jahres wurden in Rio 1.715 Morde gezählt - 15 Prozent mehr als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Vorfälle im Zusammenhang mit Olympia gab es schon früher einige: So wurden im Juni zwei Mitglieder des australischen Seglerteams für die Paralympics, die im September ebenfalls in Rio stattfinden, Opfer eines bewaffneten Überfalls. Die beiden wurden beim Radtraining beraubt, ein Täter war mit einer Pistole bewaffnet.

Ein weiterer Fall wurde danach publik: Eine Gruppe bewaffneter Männer hatte Anfang Juli einen Lastwagen mit den beiden Frachtcontainern von ARD und ZDF überfallen. Die Männer bedrohten den Fahrer und fuhren mit dem Lastwagen davon, einschließlich der wertvollen Fracht, die aus Computern, Antennen und Übertragungstechnik bestand. Mittlerweile tauchten die Container wieder auf. Dabei werden in Rio rund 85.000 Polizisten und Soldaten eingesetzt, um während der Olympischen Spiele für Sicherheit zu sorgen.

Außenministerium spricht von Sicherheitsrisiko

Das ist auch bitter notwendig. Das österreichische Außenministerium hat bis jetzt zwar noch keine offizielle Reisewarnung ausgesprochen, sieht aber ein erhöhtes Sicherheitsrisiko im ganzen Land und empfiehlt, vor allem in großen Städten wie Rio oder Sao Paolo nur wenig Bargeld mitzuführen. Darüber hinaus sollte bei Überfällen kein Widerstand geleistet werden, zeichneten sich die Täter in der Regel doch durch hohe Gewaltbereitschaft aus, die Verwendung von Schusswaffen sei stark angestiegen.

Neben den Blitzentführungen listet das Außenministerium bewaffnete Raubüberfälle auf Autolenker an Kreuzungen oder in Verkehrsstaus, Überfälle auf Fußgänger, den Diebstahl von Bargeld, Uhren und Kameras sowie Diebstähle am Strand auf. Besondere Vorsicht sei auf dem Flughafenzubringer in Rio de Janeiro geboten, dort gebe es gehäuft Raubüberfälle.

Terrorverdächtige festgenommen

Doch als wäre „klassische“ Kriminalität nicht genug, so bedroht eine weitere Gefahr die Sicherheit des südamerikanischen Staates: ein potenzieller terroristischer Anschlag auf die Olympischen Sommerspiele. Bereits zum zweiten Mal leitete die brasilianische Polizei Ermittlungen gegen eine Gruppe von Terrorverdächtigen ein, die Anschläge während Olympia geplant haben soll.

Gesucht würden mindestens 15 mutmaßliche Mitglieder, berichtete der brasilianische Sender GloboNews am Montag. Auf die Spur gebracht wurden die Ermittler dem Sender zufolge durch einen Journalisten, der sich vor eineinhalb Jahren in die Gruppe eingeschleust hatte. Für seine Recherchen sei er in sieben europäische Länder gereist und habe Kontakt zu Mitgliedern der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gehabt, die Anhänger rekrutierten.

Bereits zuvor andere Terrorgruppe verhaftet

Er habe dadurch die Information bekommen, dass die Gruppe die Olympischen Spiele als günstige Gelegenheit für Anschläge gegen die Feinde des IS identifiziert habe. Außerdem sollen die Mitglieder über den Kauf von Waffen gesprochen haben.

Schon zuvor hatten Ermittler der „Operation Hashtag“ den letzten von zwölf Terrorverdächtigen einer anderen Gruppe festgenommen, die sich „Verteidiger der Scharia“ („Defensores da Sharia“) nennt. Laut einem Bericht von TV Globo wurde der 32-Jährige in der Stadt Comodoro im mittelbrasilianischen Staat Mato Grosso gefasst. Die US-Bundespolizei FBI hatte die Behörden zuvor auf verdächtige Chats bei den Sofortnachrichtendiensten WhatsApp und Telegram aufmerksam gemacht.

Absagen wegen Zika-Virus

Darüber hinaus ist man in Rio auch ein wenig über einige Absagen von Sportlern wegen des Zika-Virus enttäuscht: So sagte zuletzt Jason Day, der Weltranglistenerste im Golf, seine Olympiateilnahme aus Sorge um seine Gesundheit ab. Fast ein Dutzend weitere Golfer wollen deshalb nicht an dem Wettbewerb teilnehmen. Experten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzen das Risiko einer Massenverbreitung des zumeist von Mücken übertragenen Virus jedoch als gering ein.

Links: