Handlungsbedarf für die „drei Freunde“
Im September 2009 war die Privatisierung der BUWOG-Bundeswohnungen fünf Jahre her, die dafür bezahlten „Erfolgshonorare“ des Käufers Immofinanz schon in Liechtenstein geparkt und Karl-Heinz Grasser nicht mehr Finanzminister. Vielleicht hätte nie jemand von dem Skandal erfahren, wenn nicht Ermittler über einen Nebensatz in einer Zeugenaussage zu einer ganz anderen Causa gestolpert wären.
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Die Immofinanz hatte damals schon rechtliche Probleme, die schließlich in Verurteilungen münden sollten: Die Staatsanwaltschaft deckte auf, dass die wechselseitigen Hochrisikogeschäfte zwischen Immofinanz und der Constantia-Privatbank betrügerischer Natur waren, da die Fäden beider Firmen bei denselben Handelnden zusammenliefen, was schließlich in Millionenverluste auch für kleine Anleger mündete. Bei einer der vielen Vernehmungen dazu fiel damals auch der Begriff BUWOG.
„Kontakt mit einem Dr. Hochegger“
Als einen der vielen Zeugen der Constantia-Untersuchung hatten die Ermittler am 12. März 2009 auch Christian Thornton, Geschäftsführer der Constantia-Tochter CPB, geladen. Dabei erwähnte Thornton am Rande seiner Aussage, er sei „mit dem Erwerb der BUWOG nicht betraut“ gewesen, habe aber danach auf Weisung von Immofinanz-Chef Karl Petrikovics „mit einem Dr. Hochegger von der PR-Agentur Kontakt aufnehmen“ müssen. Der habe offenbar für eine „kleinere Gruppe von Personen“ agiert.

APA/TOPPRESS AUSTRIA/Schöndorfer
Meischberger als Grassers Trauzeuge im Jahr 2005
Die „kleinere Gruppe“ bestand erwiesenermaßen aus dem Lobbyisten Peter Hochegger und dem Grasser-Vertrauten Walter Meischberger sowie laut Anklage vor allem auch aus Grasser und dem Immobilienmakler Karl Plech. Meischberger hatte die Immofinanz 2004 via Hochegger wissen lassen, wie viel die Konkurrenz bei der BUWOG-Privatisierung bieten würde. Die Immofinanz bot um eine Million mehr, bekam die BUWOG und zeigte sich dafür mit 9,61 Millionen Euro bei Hocheggers zypriotischen Firmen erkenntlich.
Urlaubsabbruch „Hals über Kopf“
Am 10. September 2009 wurde Thorntons Vernehmungsprotokoll dem Journalisten Kid Möchel zugespielt. Der wollte Hochegger dazu telefonisch befragen, landete aber nur auf dessen Mobilbox. Wie aus der Anklage nun hervorgeht, war das der Beginn hektischer Aktivität aller Beteiligten. Hochegger hörte die Mobilbox sehr wohl ab und rief prompt Petrikovics an. Der erklärte ihm laut den Ermittlungsakten, dass Thornton offenbar ausgepackt habe. Hochegger beschloss, in die Offensive zu gehen.
Anmerkung
Zitate aus dem Akt sind aus Gründen der Authentizität in Originalschreibweise wiedergegeben.
Hochegger erklärte Möchel per SMS, dass er für die Immofinanz zwar beim BUWOG-Kauf „eine information beschafft“, trotz „monatelanger gespraeche“ aber „keine praemie“ bekommen habe. Die Immofinanz habe ihn jedoch schließlich mit anderen Projekten betraut. Hochegger war laut der Anklage nun klar: Der Skandal könnte vor dem Platzen stehen. Er rief Meischberger an, der gerade auf Ibiza urlaubte. Meischberger reiste „Hals über Kopf“ ab, wie seine Lebensgefährtin in einer Mail an eine Freundin schrieb.
Hektik bricht aus
Parallel dazu gab Hochegger im Büro Anweisung, zur BUWOG keine Journalistenfragen mehr zu beantworten, garniert mit einer Darstellung des Falls, die die Staatsanwaltschaft unter „Verschleierungshandlung“ rubriziert: Darin stellt Hochegger es als glücklichen Zufall dar, dass die Immofinanz die BUWOG bekommen habe („die sache war echt knapp“) und betont, ohne dass jemand danach gefragt hätte: „Mit khg habe ich ueber dieses projekt nie gesprochen sondern ich habe sein umfeld ausgeforscht.“
Am selben Tag konsultierte Hochegger seinen Anwalt. Der riet ihm und Meischberger zur sofortigen Selbstanzeige, da unabhängig von allen anderen Vorwürfen für das Geld erwiesenermaßen keine Steuern bezahlt worden seien. Eine Besprechung zwischen dem Anwalt, Hochegger und Meischberger wurde vereinbart. Grasser und Plech waren nicht dabei, weil deren Verhältnis zu Hochegger inzwischen „nicht mehr das Beste war“, wie es in dem vertraulichen Akt heißt, der der Ö1-Journalredaktion zugespielt wurde.
Grasser besorgt Meischberger einen Anwalt
Auch das Verhältnis zwischen Hochegger und Meischberger zeigte indes Brüche: Meischberger drängte Hochegger laut den Akten, die Alleinverantwortung zu übernehmen. Hochegger weigerte sich. Meischberger rief daraufhin, offenbar einigermaßen ratlos, Grasser und Plech an. Die „drei Freunde“ (Zitat Staatsanwaltschaft) beschlossen daraufhin: Um eine Selbstanzeige Meischbergers führe tatsächlich kein Weg herum, oder die Sache würde noch weitere Kreise ziehen.

ORF.at/Christian Öser
Wien, Westbahnhof
Die Sache hatte allerdings schon ihre Kreise gezogen. Journalist Ashwien Sankholkar hatte inzwischen seinerseits in einem Artikel für das Magazin „Format“ auch die Brücke zu Grasser und Plech geschlagen. Grasser befand, Meischberger brauche schnell einen gewieften Anwalt - und kümmerte sich selbst darum. Mehrere Juristen lehnten ab, zum Teil nachdem sie (in Gesprächen bis heute unbekannten Inhalts) in den Sachverhalt eingeweiht worden waren.
Bekannte Unbekannte am Bahnsteig
Uniprofessor und Anwalt Gerald Toifl zeigte sich schließlich nach einer Anfrage eines Kollegen an dem Mandat interessiert. Toifl wusste zwar nur, dass es um eine „Selbstanzeige in einer sehr heiklen Causa“ gehe, sagte aber zu. Toifl, damals gerade in Salzburg, wurde nach Wien beordert. Der vorerst anonym bleiben wollende Klient würde „am Bahnhof warten und er würde das Gesicht kennen“. Am Bahnsteig stand Meischberger und brachte ihn zu einem Treffen mit Grasser und Plech. Dort räumten alle drei laut Anklage „ein, dass es sich um Bestechungszahlungen handelte“.
Toifl legte in Folge die Marschrichtung fest: Es sei zwar „sch... dass es so schnell an die medien gegangen ist“, so der Anwalt am 21. September in einem Mail an Meischberger, aber er tendiere nun zur „offensive: es ist ein ganz normales geschaeft“. Das Mail enthält Besprechungspunkte für eine Unterredung am folgenden Tag, und Toifl erklärt, er wolle „diese linie jedenfalls ohne die politische implikation fahren", das solle man aber auch mit "...“ abstimmen. Meischberger findet das gut und antwortet: „Morgen um 10 uhr ist ein bekannter den sie schon kennen dabei.“
„Da rollt einiges auf uns zu ...“
Bis heute bestreiten alle beteiligten Beschuldigten, für die die Unschuldsvermutung gilt, dass "..." und der „bekannte“ Grasser gewesen sein könnte. Auch soll Grasser laut den Angaben der Beschuldigten nicht bei der ersten Besprechung mit Toifl nach der Ankunft am Bahnhof dabei gewesen sein. Das steht allerdings in klarem Widerspruch zu jenen internen Dokumenten, gegen deren Verwendung vor Gericht Toifl vergeblich unter Berufung auf das Berufsgeheimnis kämpfte.
Unter den Dokumenten findet sich so auch eine Mail, die Toifl unmittelbar nach der ersten Besprechung in der Causa an einen Kollegen geschrieben hatte. Sankholkars „Format“-Artikel war gerade erschienen, und Toifl musste sich ausruhen: „Habe do auf fr nacht mit meischberger (ex fpoe) und grasser verbracht“, und weiter: „les mal die geschichte vom sankholkar, sie stimmt, betrug, amtsmissbrauch, untreue, eigene straftatbestaende im vergabeverfahren?? Da rollt einiges auf uns zu ...“
Lukas Zimmer, ORF.at
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