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Einzeltäter mit einer einzigen Waffe

Der Amokläufer von München hat seine Tat ein Jahr lang geplant, das hat der bayrische LKA-Präsident Robert Heimberger Sonntagmittag in einer Pressekonferenz bestätigt. Er bestätigte auch einen Bericht der „Süddeutschen Zeitung“, dass sich der Todesschütze seine Waffe aller Wahrscheinlichkeit nach im Darknet besorgt habe.

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Der Amokschütze sei selbst nach Winnenden gefahren, um sich am Ort des Schauplatzes des Amoklaufs im Jahr 2009 umzusehen, erklärte LKA-Präsident Heimberger. Dort habe er auch Fotos gemacht. Berichte, wonach auf dem Rechner des 18-Jährigen auch das „Manifest“ des norwegischen Massenmörders Anders Behring Breivik entdeckt worden sein soll, bestätigten die Ermittler nicht.

Begeisterter Ego-Shooter-Spieler

Er habe ein eigenes schriftliches „Manifest“ zu seinen geplanten Taten verfasst, das derzeit aber noch ausgewertet werde. Es müssten aber noch mehrere Terabyte ausgewertet werden. Der Schüler David S. sei jedenfalls ein begeisterter Ego-Shooter-Spieler gewesen und habe vor allem das Spiel „Counter Strike: Source“ gespielt. Heimberger zufolge sei dieses ein Spiel, das von „sämtlichen Amokläufern“ gespielt worden sei.

Robert Heimberger, Thomas Steinkraus-Koch und Werner Feiler bei einer Pressekonferenz zum Amoklauf in München

Reuters/Arnd Wiegmann

LKA-Präsident Heimberger und Oberstaatsanwalt Steinkraus-Koch bei der PK

Der Täter hat am Tatort, dem Gelände um das Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) im Nordwesten Münchens, aus seiner Pistole fast 60 Schüsse abgegeben. 58 Hülsen seien dort entdeckt worden, die „eindeutig“ der Tatwaffe zugeordnet werden könnten, sagte LKA-Präsident Heimberger. 57 der am Tatort gefundenen Patronenhülsen seien der Waffe des Täters zuzuordnen, die einzige zusätzliche Hülse stamme aus der Waffe eines Polizisten. Das bestätigen laut Heimberger die Ermittler bei ihren Erkenntnissen, dass es sich um einen Einzeltäter mit einer einzigen Waffe gehandelt habe.

70 Personen starke Sonderkommission

Einen Facebook-Account habe der Täter entgegen anderslautenden Meldungen hingegen nicht gehackt. Er habe vielmehr einen Fake-Account für eine existierende Person angelegt, mit dem er gezielt Opfer an den Tatort locken wollte. Zur Wahl des Orts und Zeitpunkt seines Amoklaufs können die Ermittler bisher nichts sagen.

Zur Aufklärung der Tat sei eine mehr als 70 Personen starke Sonderkommission gebildet worden, die Eltern des Amokschützen seien nach wie vor nicht vernehmungsfähig, so Heimberger. Es habe sich außerdem bestätigt, dass der 18-Jährige wegen einer psychiatrischen Erkrankung behandelt wurde, sagte Oberstaatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch, und zwar bis wenige Wochen vor der Tat. Ein letzter ärztlicher Kontakt habe im Juni 2016 festgestellt werden können. Die Ermittler haben die behandelnden Ärzte bereits kontaktiert.

Hinweise auf Angststörung und Depressionen

In der Wohnung habe man ärztliche Behandlungsunterlagen gefunden, die auf eine Angststörung und Depressionen hindeuteten. Er habe sich sowohl in stationärer und ambulanter Behandlung befunden. Zudem habe man Medikamente gefunden. Unklar ist, ob der 18-Jährige die ärztlich verordneten Medikamente weiter eingenommen hat. Entsprechende toxikologische Untersuchungen würden mehrere Wochen in Anspruch nehmen, teilten die Ermittler mit.

Amokläufer besuchte Winnenden

Nach dem Amoklauf in München haben die Ermittlungen jetzt ergeben, dass die Tat von langer Hand geplant war. Der Täter soll auch nach Winnenden gefahren sein, wo es 2009 einen Amoklauf gab.

Auch anderweitige Erkenntnisse lieferten LKA und Staatsanwaltschaft: Fünf Todesopfer wurden Heimberger zufolge in der McDonald’s-Filiale gegenüber dem OEZ gefunden, zwei davor und eines im Einkaufszentrum. Ein weiteres Todesopfer habe es vor einem Elektrogeschäft gegeben. Dass mehrere Jugendliche mit Migrationshintergrund zu den Todesopfern gehören, bewertet die Polizei als Zufall.

Menschen mit Migrationshintergrund getötet

Diese McDonald’s-Filiale werde oft von Migrantenkindern besucht, so Heimberger weiter. Laut LKA waren unter den neun Opfern des Schützen zwei Deutsche, zudem seien zwei Menschen mit deutsch-türkischer Nationalität ums Leben gekommen. Auch habe es jeweils ein Todesopfer aus Ungarn, der Türkei und Griechenland gegeben. Ein Toter stamme aus dem Kosovo, ein weiteres Todesopfer sei staatenlos gewesen, hieß es weiter. Der 18 Jahre alte Amokläufer ist Deutsch-Iraner.

Am Samstag hatte Münchens Polizeipräsident Hubertus Andrä bereits mitgeteilt, dass alle Getöteten aus München und Umgebung stammen. Zwei 15-Jährige starben ebenso wie drei 14-Jährige, so die Ermittler. Die weiteren Todesopfer seien 17, 19, 20 und 45 Jahre alt gewesen. Unter den neun Opfern des Todesschützen seien drei Frauen gewesen.

Reaktivierte Theaterwaffe

Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete indes, dass der Todesschütze von München seine neun Opfer mit einer reaktivierten Theaterwaffe erschoss. Die nicht mehr scharfe Waffe sei wieder gebrauchsfähig gemacht worden, berichtete die Zeitung (Montag-Ausgabe) unter Berufung auf Ermittlerkreise. Das LKA bestätigte die Informationen am Sonntag bei der Pressekonferenz.

Die Glock trägt dem Bericht zufolge ein Prüfzeichen aus der Slowakei. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte dem Bayerischen Rundfunk am Sonntag, die Waffe stamme aus der Slowakei oder Tschechien. Demnach beschaffte sich der 18-jährige Deutsch-Iraner die Pistole im Darknet, einem verborgenen und verschlüsselten Bereich des Internets.

„Chatverlauf im Darknet“

„Es gibt einen Chatverlauf im Darknet, der darauf schließen lässt, dass er sich diese Waffe im Darknet besorgt hat“, sagte Heimberger zur Pistole des Täters. Nähere Informationen habe man hierzu noch nicht.

Außer den zehn Toten hat die Polizei nun 35 Verletzte des Amoklaufs registriert, darunter elf Schwerverletzte, wie das LKA mitteilte. Am Samstag hatte die Polizei noch von zehn Schwer- und 17 Leichtverletzten gesprochen. Bei den Zahlen sind auch Fälle enthalten, die sich nicht am Anschlagsort, dem Olympia-Einkaufszentrum, sondern aufgrund von Panik in anderen Teilen der Stadt zugetragen hatten.

2.300 Beamte im Einsatz

Zeitweise waren in der Nacht auf Samstag 2.300 Einsatzkräfte unterwegs. Am Samstag waren es laut Andrä zeitweise noch rund 800. Im Einsatz standen auch 50 Cobra-Beamte aus Österreich, wie der Kommandant der Einheit Cobra-West, Harald Gonner, gegenüber dem ORF-Landesstudio Tirol sagte - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.

Die massive Polizeipräsenz bezeichnete der Münchner Polizeipräsident Hubertus Andrä als absolut „richtig und notwendig“. Sorgen wegen der Sicherheit müsse man sich in München aber jedenfalls keine machen, betonte der Polizeipräsident. Auch Deutschlands Innenminister Thomas de Maiziere bezeichnete das Verhalten der Behörden, auf Nummer sicher zu gehen und eine Terrorgefahr anzunehmen, als „vollständig richtig und nachvollziehbar“.

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