Preisunterschied „nicht gerechtfertigt“
Laut neuen Vorgaben der EU-Kommission muss Österreich die Emissionen schädlicher Treibhausgase bis zum Jahr 2030 deutlich reduzieren. Aber wie, ist die große Frage. Denn nach einer aktuellen Einschätzung des Umweltbundesamtes ist von einer Reduktion derzeit keine Spur. Als Teil eines Maßnahmenpakets ist nun wieder die Streichung des Steuervorteils von Diesel gegenüber Benzin im Gespräch.
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Umwelt- und Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) sagte dazu am Donnerstag im Interview mit Ö1, dass „die Spreizung zwischen Diesel und Benzin aus umweltpolitischer Sicht nicht gerechtfertigt ist“. Allerdings müsse ein derartiger Schritt in eine Ökologisierung des Steuersystems verpackt werden. Eine höhere Besteuerung fossiler Treibstoffe auf der einen müsse mit einer Entlastung - etwa des Faktors Arbeit - auf der anderen Seite einhergehen.
„Bonus dort, wo es der Umwelt hilft“
„Insgesamt soll es nicht zu einer Mehrbelastung kommen, aber eben zu einem Bonus dort, wo es der Umwelt hilft“, sagte Rupprechter. Ein „Malus“, etwa in Form einer höheren Steuer auf Diesel, sei keine Forderung von ihm „jetzt unmittelbar, sondern eingebettet in eine Ökologisierung der Steuerreform, die gerade jetzt auf der Tagesordnung steht“. Der Minister verwies auf die EU-Zielwerte, laut denen Österreich in den nächsten 13 Jahren das CO2-Emmissionsvolumen um 36 Prozent senken muss - mehr dazu in oe1.ORF.at.
Gegenüber der „Presse“ (Donnerstag-Ausgabe) sagte Rupprechter: „Wir werden etwas im Steuersystem umstellen müssen. (...) Diesel hat gegenüber Benzin immer noch einen steuerlichen Vorteil. Das sollte es nicht mehr geben, weil es aus umweltpolitischer Sicht nicht zu rechtfertigen ist.“
Im Ö1-Interview zeigte er sich zuversichtlich, dass der Koalitionspartner SPÖ beim Thema ökologische Steuerreform mitziehen werde. Im Gespräch ist die seit Jahren. Zum Diesel: Der (schwefelfrei, mit Biodieselanteil) wird laut Paragraf 3 des Mineralölsteuergesetzes (MinStG) mit 0,397 Euro pro Liter, Benzin mit 0,482 Euro besteuert - eine Differenz von 8,5 Cent pro Liter.
Leichtfried begrüßt Vorstoß bei Lkw-Maut
Bei Lkws soll der CO2-Ausstoß künftig in die Mauthöhe einfließen können. Einen Vorstoß der EU-Kommission für eine Änderung der Wegekostenrichtlinie begrüßte Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) in einer Aussendung „ausdrücklich“. Das sei ein sinnvoller Ansatz. EU-Parlament und die Mitgliedsstaaten seien „gefordert, Nägel mit Köpfen zu machen“.
Schon jetzt könnten etwa Stickoxid- und Kohlenmonoxidemissionen in die Höhe der Maut einbezogen werden. „Das muss auch für das schädliche Kohlendioxid gelten“, so Leichtfried. Er spricht von einem „logischen Schritt im Sinne des Verursacherprinzips“. In Sachen Ökologisierung des Steuersystems pochte der Verkehrsminister gegenüber Ö1 darauf, dass die Gesamtbelastung etwa für Familien gleich bleibe.
„Mehr als verantwortungslos“
Rupprechters Überlegungen stießen auf unterschiedliches Echo. FPÖ-Umweltsprecher Walter Rauch forderte Rupprechter auf, „sofort von dieser unsinnigen Forderung Abstand zu nehmen“. Die belaste und gefährde „nicht nur den Wirtschaftsstandort Österreich, sondern auch die österreichischen Bürger“. Rauch forderte abermals eine Zweckbindung der Mineralölsteuer (MöSt) und eine Halbierung des Mehrwertsteuersatzes für erneuerbare Energien. Österreich habe ohnehin die höchsten Kfz-Steuern in Europa. Eine zusätzliche Erhöhung der Steuer auf Diesel „wäre mehr als verantwortungslos“, so Rauch.
Grünen geht Vorschlag nicht weit genug
Die Grünen sprechen sich für eine Abschaffung „des Dieselprivilegs“ aus, für sie redet Rupprechter aber nur „um den heißen Brei“ herum. Der Minister traue sich nicht zu sagen, was sein Umweltbundesamt und alle Klimaexperten verlangten: „höhere Preise für fossile Energie“, so der Verkehrssprecher der Grünen, Georg Willi. Neben der sofortigen Abschaffung der Dieselbegünstigung sei ab 2018 eine ökosoziale Steuerreform nötig. Österreich habe nach Luxemburg ohnehin die billigsten Treibstoffpreise.
Für NEOS ist eine Angleichung der Steuersätze denkbar. „NEOS fordert schon seit langem, dass umweltbelastende Privilegien abgebaut werden,“ so Verkehrssprecher Michael Pock in einer Aussendung am Donnerstag. Er betonte aber gleichzeitig, „dass es dabei nicht unreflektiert zu Steuererhöhungen – und damit Mehrbelastungen für die Bürgerinnen und Bürger - kommen dürfe“. Das „Ende des Dieselprivilegs muss jedenfalls aufkommensneutral gestaltet werden“.
„Ohnehin die ‚Melkkuh‘“
Das Team Stronach (TS) wiederum bezeichnete die Überlegungen Rupprechters als „völlig falsches Signal“. Anstatt „immer weitere Belastungen einzuführen, sollte die Regierung notwendige Reformen in Angriff nehmen“, so TS-Klubobmann Robert Lugar in einer Presseaussendung. „Transportunternehmen und die heimische Landwirtschaft würden durch eine Erhöhung der Dieselsteuer schwer zu Schaden kommen.“ Und ein alter Vorwurf: Autofahrer seien „ohnehin die ‚Melkkuh‘ der Nation“. Pendler etwa könnten sich die Fahrt zur Arbeit kaum noch leisten.
Auf heftige Ablehnung stießen Rupprechters Aussagen beim Autofahrerclub ÖAMTC. Österreich habe bei Pkws (auf Personenkilometer gerechnet) bereits die zweithöchste Abgabenquote in der EU. „Es wäre absolut unverantwortlich, in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation noch weiter an der Steuerschraube zu drehen“, hieß es in einer Aussendung. Man vermisse „eine öffentliche Debatte über leistbare Alternativen zum Diesel-Pkw für die breite Masse“. Für Tausende Österreicher mit geringem Einkommen „ist es kein Angebot, wenn man ihnen sagt, sie sollen sich einen Elektrokleinwagen um 20.000 Euro kaufen, weil dieser mit 3.000 Euro gefördert wird“. Die Politik habe „die soziale Dimension des Themas nicht verstanden“.
Emissionen steigen
In Österreich werden die Treibhausgasemissionen für 2015 nach einer ersten Schätzung des Umweltbundesamts gegenüber 2014 um 3,2 Prozent nach oben korrigiert werden müssen. Damit liegt Österreich über dem EU-Schnitt, der von Statistikamt Eurostat mit 0,7 Prozent beziffert wurde. Als Ursachen nannte Jürgen Schneider, Klimaexperte im Umweltbundesamt, mehr Energie durch Gaskraftwerke, mehr Heiztage und mehr Verkehr.
Damit geht der Trend in die falsche Richtung, nachdem am Mittwoch bekanntgeworden war, dass die EU-Kommission für Österreich - in den Bereichen außerhalb des Industriesektors - bis 2030 eine Reduktion von 36 Prozent vorsieht. Die Industrie blies im Vorjahr um etwa zwei Prozent mehr CO2 in die Luft als 2014. Damit liegt die Gesamtmenge immer noch auf dem zweitniedrigsten Wert der vergangenen zehn Jahre, und Österreich bleibt auch unter der verbindlichen EU-Vorgabe.
Schneider warnte, nur einzelne Maßnahmen zu setzen. Stattdessen wäre etwa eine Verteuerung der Energie bei gleichzeitiger Verbilligung des Faktors Arbeit eine Option. „Eine ökosoziale Steuerreform braucht ein Gesamtkonzept“. Insgesamt gelte aber auch: „Ein Klimaschutz, der nur darin besteht, die Industrie aus Europa zu vertreiben, der ist kein Klimaschutz.“
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