Duelle mit Wachskugeln
Nachdem Gesetze und gesellschaftliche Initiativen erst Mitte des 19. Jahrhunderts dem oft tödlichen Duell ein Ende bereitet hatten, haben die Männer der Gesellschaft nur rund fünfzig Jahre später erneut eine Möglichkeit gefunden, Waffen aufeinander abzufeuern.
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Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte sich ein Sport, der die geschichtsträchtigen Duelle wieder aufleben ließ. Nach den strengen Regeln der Duelltradition feuerten zwei Gegner Schusswaffen aufeinander ab, doch mit einem entscheidenden Unterschied: Anstelle von Blei versahen die Duellanten ihre Pistolen mit Wachskugeln.
Unblutiges Pistolenduell
Der Getroffene wurde dabei nicht getötet oder verletzt, sondern für „theoretisch tot“ erklärt. Beim Publikum sorgte das für großes Amüsement, wie die „New York Times“ am 11. März 1909 vom ersten öffentlichen Wachskugelduell in den USA berichtete. Das besagte Duell fand in der New Yorker Carnegie Hall statt, die Teilnehmer waren erfahrene Mitglieder des Carnegie Sword and Pistol Club.
In schwarze, lange Mäntel gehüllt und mit schweren Masken im Gesicht – die Augen schützte eine dicke Glasscheibe – traten einander die Männer mit einem Abstand von rund 20 Metern entgegen. Ein Handblech an ihren französischen Duellpistolen sollte für noch mehr Schutz sorgen. Ohne adäquate Bekleidung konnten die Wachskugeln zwar keine tödlichen, aber schwere Verletzungen hervorrufen.
Die Wachskugelduelle etablierten sich, sodass sie im Rahmen der Olympischen Sommerspiele 1908 in London präsentiert wurden. Trotz des großen Interesses an den blutlosen Duellen wurden sie aber nie in die Gruppe der olympischen Sportarten aufgenommen.
Trick aus der Zauberei
Die Wachskugeln und der dazugehörige Sport haben ihren Ursprung in Frankreich. Der französische Magier Jean Eugene Robert-Houdin, Vater der modernen Magie, gilt als einer der Ersten, die Wachskugeln für ihre Zaubertricks verwendeten. Kurze Zeit nach Houdin, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, nutzten Schüler der elitären Pariser „Schule des Duellierens“ Wachskugeln bei ihren Übungsduellen, berichtet Atlas Obscura, eine Onlineplattform für kurioses Weltgeschehen. Ansonsten hielten sie sich strikt an die Regeln und Ehrenkodizes des klassischen Duellierens.
Vom Wachs zu Farbkugeln
Was die Wachskugelduelle vor rund 100 Jahren waren, ist heute Paintball. Auch dabei benötigt man besonders widerstandsfähige Kleidung, mit modernen Paintballpistolen wären sogar klassische Duelle möglich. Allerdings geht es heute eher darum, so viele Schüsse und damit Farbe wie möglich abzufeuern. Einem strengen Kodex wird dabei nicht gefolgt.
Ursprünge von Paintball
Die Idee, mit Farbkugeln zu schießen, wurde 1940 geboren. Die ersten Paintballpistolen verwendeten Förster zum Markieren von schlecht zugänglichen Bäumen. Auch in der Viehhaltung kamen diese Pistolen zur Anwendung. Ranger konnten damit schnell und leicht streunende Tiere kennzeichnen.
Während jeder Paintball ausprobieren kann, erforderten die Wachskugelduelle Erfahrung und Training. 1908 sagte Walter Winans, ein reicher Brite und Experte auf den Gebieten Duell und Schießsport, im Interview mit der „Pittsburgh Post-Gazette“, dass nur Profis das Wachskugelschießen ausüben sollten. Der Sport sei seiner Meinung nach etwas gefährlich, auch wenn alle möglichen Schutzmaßnahmen getroffen werden. In Winans Augen lag allerdings die größte Gefahr darin, eine Wachskugel mit einer echten Bleikugel zu verwechseln.
Erfolgreiche Patronen
Nachdem sich die Waffentechnologie im 20. Jahrhundert schnell von einer simplen Steinschlosspistole, der traditionellen Duellpistole mit nur einem einzigen Schuss, entfernt hatte und immer tödlichere Instrumente hervorbrachte, wurden die sportlichen Wachskugelduelle bald endgültig als Ritual der Vergangenheit betrachtet. Die Munition aus Wachs erfreut sich aber weiterhin großer Beliebtheit. Besonders für „Fast Draw“-Bewerbe und Zaubershows werden sie regelmäßig verwendet, weil sie sicherer, leiser und billiger als herkömmliche Patronen sind.
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