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Marketingbegriff, der funktioniert

Was wären Crossfitten, Joggen und Detoxen ohne sumpfgrüne Spirulina-Smoothies, Avocadoöl und Birkenwasser? Viele unverarbeitete Nahrungsmittel fallen aufgrund ihrer Vitamine und Mineralien irgendwann in die Kategorie Superfood. Neben den klassischen Exoten wie Chia und Goji ist nun zur Abwechslung einmal die - verarbeitete - Blutwurst an der Reihe.

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Aufgekommen ist der Begriff schon Anfang des 20. Jahrhunderts, doch erst in den vergangenen Jahren haben unzählige exotische Lebensmittel das „Superfood-Siegel“ aufgedrückt bekommen. Im Oxford-Wörterbuch wird Superfood als „nährstoffreiches Lebensmittel, das als besonders förderlich für Gesundheit und Wohlbefinden erachtet wird“, definiert.

Superfood-Prediger versprechen ein gesünderes und infolgedessen glücklicheres Leben mit der Ernährungswunderwaffe. Alles wissenschaftlich belegt natürlich - das behaupten zumindest die Verkäufer der Produkte wie der Superfood-Guru Steve Pratt, der auch mit entsprechenden Kochbüchern gut verdient.

Gemeiner Bocksdorn „verlängert“ das Leben

Der Marketingbegriff Superfood macht sich deshalb seit Jahren so gut, weil er sich nahtlos in den Ernährungs- und Fitnesswahn der westlichen Gesellschaft einfügt. Lebensverlängernd, blutzuckerregulierend und sogar krebsvorbeugend sollen sie sein, diese Goji-Beeren, die auch als Gemeiner Bocksdorn bekannt sind. Beworben werden die Produkte außerdem mit mystisch klingenden Bezeichnungen wie „Heilsamen der Maya“ (Chiasamen) oder „Reis der Inkas“ (Quinoa).

Ein einziges Nahrungsmittel alleine kann jedoch nicht als gesund eingestuft werden, mahnen Kritiker. Sicherlich enthält Superfood Inhaltsstoffe, die einen Beitrag zur Gesundheit leisten können. Diese Produkte können jedoch nur in Kombination mit einer ausgewogenen Ernährung positive Auswirkungen auf den Körper haben. Dass man damit tatsächlich gezielt bestimmte Krankheiten verhindern kann, wurde bisher noch nicht wissenschaftlich nachgewiesen.

Blunzen auch wieder einmal super

Seit Neuestem müssen die Wundernahrungsmittel gar nicht mehr unbedingt aus weit entfernten Ländern stammen oder exotische Namen tragen. Denn Grünkohl, Blutwurst, Hirse und Pilze sind laut britischen Ernährungsexperten das „neue“ Superfood. Die Kochwurst aus Schweineblut, Speck und Schwarte - in England auch in der „Black Pudding“-Variante beliebt - soll jeglichen Wurzeln und Samen Konkurrenz machen.

Ihr hoher Gehalt an Eisen (6,4mg pro 100g) und Zink wird hoch gelobt, denn das seien „zwei Mineralien, die in der modernen Ernährung oftmals fehlen“, erklärte die „Daily Mail“ das Phänomen. Die „Blunzn“ sei außerdem in ihrer puristischen Variante frei von Kohlenhydraten. Aufgrund ihres hohen Fettgehalts ist sie aber eigentlich nicht unbedingt für den Verzehr im Übermaß geeignet.

Grünkohl kann auch „sexy“ sein

Passend zur Blutwurst wird außerdem Grünkohl ebenfalls wieder als Superfood gefeiert. Ursula Melchhammer, Marketing- und PR-Manager von Feinstoff, einem Vertrieb für veganes Superfood, glaubt, dass heimische Lebensmittel auch langsam als Superfood eingestuft werden. Das „Vitaminalphabet“ ist bei Grünkohl besonders lang - außer fehlendem Vitamin B12 und Vitamin D scheint das grüne Wintergemüse eine regelrechte Energiebombe zu sein. Schönheitsfehler: Grünkohl ist zwar in Deutschland beliebt, in Österreich wird er aber praktisch nicht angebaut.

Kochbücher wie „Fitfty Shades of Kale“ sollen das Kochen mit Grünkohl nun auch „sexy“ machen. Wer ungern kocht und lieber zu den roh gepressten, schlackeartigen Säften greift, kann den frischen oder auch pulverisierten Kohl gleich in den Mixer dazuwerfen.

Permanent Vitamine oder vitaminhaltige Lebensmittel in rauen Mengen zu vertilgen ist aber der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung zufolge nicht unbedingt gesundheitsfördernd. Beispielsweise kann eine dauerhafte Überdosierung von Vitamin A zu negativen Auswirkungen wie Hautveränderungen oder sogar Leberschädigungen führen.

Vitaminzufuhr hat seine Grenzen

Wie also am besten dosieren? Melchhammer zufolge gibt einem der Körper von selbst Signale, wenn er keinen Bedarf mehr hat. Man solle also lediglich auf sein „Bauchgefühl“ hören. Ernährungswissenschafterin Manuela Teufelhart mahnt jedoch zur Vorsicht: „Die Einnahme von hochdosierten Nahrungsergänzungsmitteln sollte nicht unkontrolliert und auf eigene Faust erfolgen.“

Der Vorteil von Superfood sei jedoch, dass sie kein hoch konzentrierter isolierter Stoff in einer Kapsel sind - also kein Nahrungsergänzungsmittel -, sondern ein Lebensmittel, erklärt Mabon Robert Negovec, Geschäftsführer des Grazer Reformladens und Onlineshops „Superfood. Eat the Best“ und ergänzt: „Zu Überdosierungen kommt es so gut wie nie.“

Warme statt kalte Suppe

Neben der Blutwurst und dem Grünkohl ist nun die gute alte Suppe in Mode gekommen. Der in der „Daily Mail“ zitierte Ernährungsexperte und Diätologe Jo Travers erklärt sich den Trend hin zum „Souping“ dadurch, dass wer eine Suppe kocht, genau wisse, welche Zutaten hineinkommen und welche draußen bleiben. Auf Instagram grassiert bereits der Hashtag #soupingisthenewjuicing (deutsch: „Suppe kochen ist das neue Saften“).

Boom der „Superkörner“

Egal ob Maca-Pulver, Chia oder Goji, der Markt mit Superfood boomt. So stieg laut einer Untersuchung des Marktforschungsunternehmens Mintel die Anzahl der eingeführten Lebensmittel- und Getränkeprodukte zwischen 2011 und 2015 weltweit um 202 Prozent.

Besonders bei den „Supergrains“ („Superkörner“) wie Quinoa und Chia konnte Mintel einen gestiegenen Marktanteil beobachten. Die Zahl der Getränke und Nahrungsmittel, die Chia enthalten, stieg zwischen 2014 und 2015 insgesamt um 70 Prozent. Mittlerweile haben sich die „edlen“ Samen auch den Weg in die Diskonter gebahnt, die den Massenmarkt dafür entdeckt haben.

Dass Chia-Samen und Goji-Beeren bereits zu niedrigeren Preisen im Billigsupermärkten verkauft werden, liegt laut Kiti Soininen, Head of UK Food, Drink & Foodservice Research bei Mintel, aber nicht an der angestiegenen Produktion der Chia-Samen. „Das Betriebsmodell des Diskonters arbeitet grundsätzlich mit niedrigeren Kosten als der ,normale’ Supermarkt,“ erklärt Soininen gegenüber ORF.at.

Die Macht des Diskonters

Die Läden und das Angebot an Produkten seien kleiner, die Produkte verbleiben in den Schachteln, in denen sie geliefert werden. Diese Kostenminimierung übertrage sich ebenfalls auf die Preise, erläutert Soininen weiter. Da auch die Diskonter große international tätige Betriebe sind, bringt sie das in eine relativ starke Position, wenn es darum geht, mit den Produzenten zu verhandeln, resümiert die Marketingexpertin.

Allerdings sind die Qualitätsstandards dieser Produkte teilweise sehr niedrig. Laut dem deutschen Verbrauchermagazin „Öko-Test" waren die überprüften Chia- und Hanfsamen stark durch das Insektenschutzmittel Deet und Pestizide verunreinigt, selbst jene, die als „bio“ gekennzeichnet waren.

Lieber zum Bauern seines Vertrauens

Die Vertreiber versuchen natürlich, solche Produkte rasch auszusortieren: „Wir arbeiten nur mit Produzenten zusammen, die sich über Jahre einen guten Ruf erarbeitet haben. Gerät ein Lieferant wiederholt in den Verdacht, seinen Qualitätsansprüchen nicht gerecht zu werden, listen wir ihn natürlich aus“, erläutert Negovec seine Entscheidungskriterien für den Einkauf der Lebensmittel für seinen Onlineshop.

Wer nicht immer darauf vertraut, dass auch wirklich drinnen ist, was drauf steht, hat freilich Alternativen: Der Griff zum guten, alten Gemüse vom Biobauern könnte die sichere Variante sein, und man liegt damit außerdem absolut im Superfood-Trend.

Yasmin Szaraniec, für ORF.at

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