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Kein Politjob ohne Duelleid

Heute denken viele beim Begriff Duell hauptsächlich an Politiker, die einander vor einem Millionenpublikum im Fernsehen eine mehr oder weniger sittsame Wahlkampfdiskussion liefern, oder an Profisportler, die sich um die Spitze duellieren. Das klassische Duell mit Degen oder Pistole hingegen kommt nur noch in Kostümschinken vor.

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Kentucky behält diese veraltete Tradition aber auf besondere Art im Bewusstsein. Jede Person, die im 15. Bundesstaat der USA ein gewähltes politisches Amt einnehmen oder Rechtsanwalt beziehungsweise Richter werden will, muss bei ihrer Vereidigung Folgendes versprechen:

„Ich schwöre feierlich, dass ich seit der Verabschiedung der gültigen Verfassung als Bürger dieses Bundesstaates nicht in einem Duell – innerhalb dieses Staates oder außerhalb – mit tödlichen Waffen gekämpft, eine Herausforderung zu einem Duell mit tödlichen Waffen ausgesprochen oder akzeptiert oder als Sekundant beziehungsweise Assistent geholfen habe, so wahr mir Gott helfe.“

Relikt der Vergangenheit

Dieser Teil der Verfassung von Kentucky, Paragraf 228, stammt aus dem Jahr 1850 und überrascht viele angehende Amtsträger. „Die Leute erwarten so etwas Absurdes nicht“, sagte Rechtsprofessor Kurt Metzmeier von der University of Louisville im Interview mit dem Sender Wave3 aus Kentucky.

Die feierliche Zeremonie, wie beispielsweise bei der Vereidigung eines neuen Gouverneurs, werde durch den heute sinnlosen Text ins Lächerliche gezogen, so Metzmeier. Das Abschwören von der Mitwirkung an einem Duell mit tödlichen Waffen nimmt schließlich fast die Hälfte des gesamten Amtseides ein. Nicht nur das, es vermittle auch ein negatives, ewig gestriges Bild von Kentucky.

Adaptierungswünsche gescheitert

Dass eine derart veraltete Passage immer noch in der Verfassung von Kentucky verankert ist, liegt an dem mühseligen Prozess, Gesetze im Verfassungsrang zu ändern. Mehrere Versuche, die Verfassung endlich in die Neuzeit zu verfrachten, seien an der komplexen Vorgehensweise gescheitert, so Metzmeier.

Eine Adaption setzt eine Dreifünftelmehrheit in beiden parlamentarischen Häusern voraus und abschließend eine positive Volksabstimmung, die im Zuge der nächsten anstehenden Wahl der Bevölkerung vorgelegt wird. Das letzte Mal, als Kentucky den schwerfälligen Prozess durchmachte, ging es um eine Änderung der verfassungsrechtlich verankerten Bill of Rights im Jahr 2012.

„Ehrenvolle“ Tradition

Den Weg in die Verfassung verdankt das Duellverbot einem juristischen Schachzug. Die Gesetzgeber Mitte des 19. Jahrhunderts sahen die einzige Möglichkeit, das damals massenhafte Morden aus Ehrengründen zu stoppen, indem sie versuchten, die Tradition gesellschaftlich verpönt zu machen, berichtet Atlas Obscura, eine Onlineplattform für kurioses Weltgeschehen.

Aus heutiger Sicht ist ein Duell wegen einer Lappalie wie einer simplen Beleidigung undenkbar. „In der frühen Geschichte von Kentucky gab es aber eine Tradition der Ehre“, sagte Metzmeier. Die Verknüpfung von Gewalt und Ehre geht weit in die Geschichte zurück, Duelle gab es schon im alten Ägypten. Mit der Entwicklung der Kulturen und Waffen haben sich auch die Duellbräuche geändert.

Im Jahre 1777 wurde in Irland eine Sammlung von Richtlinien unter dem Namen „Code Duello“ verfasst, um dem Wildwuchs an Duellen Einhalt zu gebieten. Die 25 Regeln des neuen Codes waren künftig in Europa tonangebend und verliehen den Ehrenangelegenheiten noch mehr Prestige. Nur kurze Zeit später brachten Europäer den „Code Duello“ nach Amerika, wo die neuen kodifizierten Duelle zu einer regelrechte Modeerscheinung wurden.

Legitimes Morden aus Ehrengründen

Männer aller gesellschaftlichen Schichten duellierten sich, auch wenn das ursprünglich nur den Ehrenmännern der Oberschicht zustand. Alexander Hamilton, einer der Gründerväter der Vereinigten Staaten und deren erster Finanzminister, ist eines der berühmtesten Duellopfer. Er starb 1804 an den Verletzungen, die ihm von Vizepräsidenten Aaron Burr zugefügt wurden. Auch Kongressmänner und Senatoren starben bei Duellen. Die US-Navy verzeichnete von 1798 bis 1861 einen um zwei Drittel größeren Verlust durch Duelle als durch militärische Aktivitäten, schrieb die amerikanische Forschungseinrichtung Smithsonian.

Illustration des Duells zwischen Alexander Hamilton und Aaron Burr im Jahr 1804

Public Domain

Das Duell von Burr und Hamilton

Weil sich die Duelle binnen kürzester Zeit zu so etwas wie sozial akzeptiertem Mord entwickelten, wie der amerikanische Historiker Jack K. Williams festhielt, verabschiedeten viele Staaten Verbotsgesetze. Zahlreiche amerikanische Staatsmänner, von Benjamin Franklin bis George Washington, stellten sich gegen den blutigen Brauch. Abraham Lincoln, erbitterter Duellgegner, wurde zum Duell gefordert und äußerte seine Überzeugung in seiner Waffenwahl: Kuhfladen auf zehn Schritten. Das Duell wurde schließlich abgesagt.

Duellverfallener Süden

Schnell verschwand das Duellieren in vielen Teilen der USA, nur im Süden hielt es sich weiterhin, so Williams in seinem Buch „Dueling in the Old South“. Die Pflicht nach Genugtuung war so tief in der Gesinnung der Südstaatler verankert, dass sogar Mitglieder der Anti-Duell-Society von New Orleans – einer der wenigen Gegenbewegungen im Süden – bei einer ihrer Sitzungen zu den Waffen griffen.

Nachdem das Duellverbot in den Südstaaten keinerlei Wirkung gezeigt hatte, mussten die Gesetzgeber neue Wege gehen und versperrten mit Paragraf 228 der Verfassung Duellanten schließlich die Möglichkeit, ein öffentliches Amt auszuüben. Vor dieser Verordnung galt man bei Verweigerung einer Herausforderung als Feigling. Nach der angedrohten Verbannung von Duellanten aus öffentlichen Ämtern musste eine Verweigerung anders interpretiert werden: als Verpflichtung zum Staatsdienst, die damit über die eigene Ehre gestellt wurde.

„Es wäre eine Herausforderung zum Duell“

Seit Bestehen der Regelung wurde sie in Kentucky nie gegen einen Amtsträger verwendet. Als der ehemalige Präsidentschaftskandidat und amtierende Senator von Kentucky, Rand Paul, mit Plagiatsvorwürfen wegen einiger seiner Reden konfrontiert wurde, setzte er diese Anschuldigungen einer Beleidigung und damit der Herausforderung zum Duell gleich. „Aber das kann ich nicht machen, da ich dann in Kentucky mein Amt nicht innehaben kann“, sagte er in einem Interview mit dem amerikanischen Fernsehsender ABC in Erinnerung an seinen Eid.

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