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Was passiert mit türkischen Soldaten?

Die Folgen des gescheiterten Putschversuchs in der Türkei könnten diplomatische Verwerfungen mit Griechenland nach sich ziehen: Acht türkische Soldaten haben sich noch während der Entwicklungen am Samstag mit einem Hubschrauber in das Nachbarland abgesetzt. Aus Angst um ihr Leben wollen sie nun nicht zurückkehren.

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Aus diesem Grund hätten sie politisches Asyl in dem Nachbarland beantragt, sagte eine Anwältin am Montag. Die Soldaten sollen am Donnerstag vor Gericht gestellt werden - sie sollen sich wegen illegaler Einreise und Verletzung des Luftraums verantworten, wie am Montag aus Justizkreisen bekannt wurde.

Ankara will Auslieferung „so schnell wie möglich“

Die Soldaten waren am Samstag mit einem Hubschrauber vom Typ Black Hawk in Alexandroupolis gelandet, nachdem sie ein Notsignal abgesetzt hatten - danach wurden sie inhaftiert. Anwältin Vasiliki Ilia Marinaki, die vier der Soldaten vertritt, erklärte, ihre Mandanten hätten von dem Putschversuch nichts gewusst und nur Befehle ausgeführt. Ihr Hubschrauber sei von türkischen Polizisten beschossen worden, sagte sie.

Zur selben Zeit hätten sie auf ihren Telefonen Textnachrichten empfangen, dass ein Putsch im Gange sei. Da hätten sie sich entschieden, nach Griechenland zu fliehen. Die Türkei bezeichnet sie als Verräter und verlangt ihre Auslieferung. Außenminister Mevlüt Cavusoglu rief die Regierung in Athen am Wochenende auf, „die acht Verräter so schnell wie möglich auszuliefern“.

Liegt ein Missverständnis zugrunde?

Griechenland pocht auf die Anwendung internationalen Rechts und die ordnungsgemäße Bearbeitung der Anträge. Die ersten Muskelspiele haben bereits begonnen. Handelt es sich um einen Übersetzungsfehler oder hat man einander absichtlich missverstanden?

In einem Telefonat am Sonntag habe der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras zugesagt, die geflohenen Militärs innerhalb von 15 Tagen auszuliefern, verkündete der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. Wenig später schuf auch der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim Fakten: Tsipras habe ihm gesagt, die Auslieferung der Männer sei eingeleitet.

„Wir können uns nur politisch äußern“

Kopfschütteln bei den Griechen. Egal was man von Tsipras hält, aber dass er einen Zeitraum oder gar die eigentliche Auslieferung fest zugesagt hätte, glaubt nicht einmal die Opposition. Vielmehr war die Athener Haltung zu den brisanten Asylsuchenden von Beginn an klar und wird seither von allen Politikern mantraartig wiederholt: Man werde sich in dieser Sache an geltendes internationales Recht halten, wie jeder andere europäische Staat auch.

„Wir können uns nur politisch äußern“, sagt der griechische Vizeverteidigungsminister Dimitris Vitsas. Im Klartext: Der Wille, die acht Männer und damit das Problem so schnell wie möglich loszuwerden, ist da. Das werden jedoch die Gerichte entscheiden - und die sind weisungsunabhängig. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass griechische Asylrichter trotz des EU-Flüchtlingspakts mit der Türkei immer wieder Asylanträge von Flüchtlingen genehmigen, anstatt die Menschen, wie politisch vereinbart, in die Türkei abzuschieben.

Verfahren könnte länger als ein Jahr dauern

Hinzu kommt der Zeitfaktor. Das Verfahren könnte gut und gerne länger als ein Jahr dauern, schätzt Jurist Makis Voridis, der für die konservative Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND) im griechischen Parlament sitzt. Nach einer ersten und zweiten Instanz, die zusammen mindestens zwei Wochen in Anspruch nehmen, stünde den acht Soldaten der Weg durch sämtliche griechische Gerichte offen, bis hin zum Aeropag, dem obersten griechischen Gerichtshof.

Und selbst wenn die türkische Regierung diesen Zeitfaktor akzeptiert, ist die wichtigste Frage noch nicht beantwortet: Was passiert, wenn ein griechisches Gericht den Männern direkt Asyl gewährt? Beispielsweise, weil die Türkei die Todesstrafe wieder einführt?

Dieses Szenario wäre das schlimmste, heißt es hinter vorgehaltener Hand, sowohl bei Regierung und Opposition als auch bei Athener Diplomaten. Kaum vorstellbar, dass es der türkische Staatspräsident hinnehmen würde, wenn mutmaßliche Putschisten in Griechenland Asyl bekommen und sich dort frei bewegen. Stattdessen, so die Angst in Athen, könnte Erdogan auf dieser Basis das altbekannte Feindbild Griechenland wiederbeleben, um sein zerrissenes Volk zu einen.

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