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Auch „sehr bald“ in Europa

Mit dem Smartphonespiel „Pokemon Go“, einer Monsterjagd zwischen Realität und virtueller Welt, haben Nintendo und der Entwickler Niantic für einen Hype gesorgt, dessen Ausmaß auch bei Fans und Branchenkennern für Überraschung sorgt. Freude bringt das Spiel nicht nur den Fans, sondern wohl vor allem Nintendo, dessen Aktie in ungeahnte Höhen springt.

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Seit Anfang Juli befinden sich Menschen mit einem Smartphone in der Hand auf Monsterjagd. Sie nutzen die App „Pokemon Go“, die den Spieler in einer Überlagerung von Realität und virtueller Welt Pokemon fangen lässt. Die Veröffentlichung der App sorgte für einen Sturm der Begeisterung. Noch gibt es keine offiziellen Zahlen, aber die Menge an Spielern dürfte sehr hoch sein.

Österreich darf nun auch mitspielen

Vorerst war das Spiel offiziell nur in den USA, Australien und Neuseeland erhältlich, Europa musste sich mit dem offiziellen Release gedulden. Allerdings haben sich - auch hierzulande - zahlreiche Spieler die App über Umwege installiert. Deswegen konnte Österreich auch bereits vor dem offiziellen Start eine recht stabile Spielergemeinde vorzuweisen. Beim Umweg war im Übrigen Vorsicht geboten: Im Netz kursierten Trojaner, die sich als „Pokemon Go“ tarnten.

Pokemon übernehmen Soziale Netzwerke

Vor allem in den USA ist der Rummel real und greifbar. Dabei sind Serverüberlastungen auch noch Tage nach der Veröffentlichung das Wenigste: An Orten, an denen seltene Pokemon auftauchen, bilden sich teils regelrechte Menschentrauben. Die Sozialen Netzwerke sind zum Abladeplatz für „Pokemon Go“-Bilder und -Anekdoten mutiert.

Dass das Spiel derartig durch die Decke geht, erklärt sich weniger aus dem Gameplay - dieses ist nämlich gar nicht besonders elaboriert. Dafür sorgt das Spiel für reichlich Nostalgie bei all jenen, die mit Pokemon aufgewachsen sind. Als durchaus wegweisend sehen Branchenmedien auch die Art und Weise, wie „Pokemon Go“ Augmented-Reality-Elemente (AR) einbindet. Und letztlich glänzt das Spiel mit dem Prinzip Sammelwut - immerhin geht es darum, sich alle Pokemon zu holen.

Begegnung mit der Polizei

Auch die klassischen Medien sehen kein Vorbeikommen an dem Spiel - Futter ist dabei nicht nur der durchschlagende Erfolg, sondern auch die Tatsache, dass zahlreiche Spieler bereits in außergewöhnliche Situationen geraten sind. So informierte die US-Polizei am Wochenende etwa über via „Pokemon Go“ eingefädelte Raubüberfälle.

Andere Spieler erzählten von Begegnungen mit der Polizei, weil sie auf nächtlicher Pokemon-Jagd für Drogendealer gehalten wurden. Warnungen vor (Verkehrs-)Unfällen, illegalen Übertretungen und „Pokemon Go“ am Steuer werden mit Nachdruck ausgesprochen. In Bosnien warnt die Polizei davor, sich in mit Landminen gespickten Gegenden auf Pokemon-Jagd zu begeben.

„Habe Glurak gefunden!“

Auch weniger lebensbedrohliche Nebenerscheinungen des Spiels lesen sich wie ein Sammelsurium an mehr oder weniger beachtlichen Kuriositäten. So wurde laut dem Musikstreamingportal Spotify der Titelsong der „Pokemon“-Fernsehserie um 362 Prozent öfter abgespielt. Auch der deutsche SPD-Politiker Andreas Schmidt wollte den Hype für sich nutzen und postete auf Facebook: „Ich freue mich riesig - habe heute ein Glurak vor der SPD-Regional-Geschäftsstelle gefunden!“ Er ist nicht der Einzige: Auch die deutsche Junge Union wirbt bereits mit „Pokemon Go“-Sujets.

Auch immer mehr private Unternehmen nutzen die Gunst der Stunde und bieten etwa Rabatte für „Pokemon Go“-Spieler an. Dabei gibt es aber auch Rückschläge: So droht etwa einem Programmierer, der eine Chat-App für das Spiel entwickelt hat, die Pleite - und zwar, weil er die Kosten für die überlasteten Server nicht mehr stemmen kann. In die Höhe schnellen dagegen wohl die Verkaufszahlen für externe Akkupacks, denn „Pokemon Go“ braucht einiges an Strom. Auch gibt es bereits regen Handel mit Accounts.

Spielspaß gegen Privacy

Nebenbei läuft auch schon die Diskussion über den Datenschutz. „Pokemon Go“ lebt davon, dass der Nutzer bei ständig aktivierter Standortermittlung am Smartphone durch die Gegend spazieren und dabei Pokemon fangen kann. In diesem Punkt orientiert sich „Pokemon Go“ an „Ingress“, dem ersten Spiel des Entwicklerstudios Niantic. In ihm kämpfen zwei Lager um virtuelle Portale, die an verschiedenen Orten platziert wurden. Auch „Ingress“ arbeitet mit Standortermittlung.

Durch die Standortermittlungen lässt sich ein überaus akkurates Bewegungs-, Beziehungs- und Gewohnheitsprofil der Spieler anlegen, gerade weil viele freilich regelmäßig zurückgelegte Strecken wie Arbeits- oder Schulwege für die Pokemon-Jagd nutzen. Neu ist dieses Problem nicht - es trifft bereits jeden, der mit durchgängig aktivierter Standortermittlung unterwegs ist. Allerdings verleitet „Pokemon Go“ mehr Menschen dazu, ihre Privatsphäre zu opfern, um spielen zu können.

Entwickler gibt Schlupfloch zu

Kurz nach dem Release wurde noch ein anderes Privacy-Problem bekannt. Ein Entwickler merkte in einem Blogeintrag an, dass die Apple-Version der App bei Verbindung mit einem Google-Konto Zugriff auf den gesamten Inhalt der Profile, also auch Mails, Kontakte oder Termine, angefragt hatte. Das sei durch einen Fehler passiert, so der Entwickler Niantic.

Die Anwendung habe das aber nie ausgenutzt. „Pokemon Go“ rufe nur die Grunddaten des Profils ab, keine anderen Informationen aus dem Google-Konto würden genutzt oder gesammelt. Das habe Google bestätigt. Bei Android sei das Problem nicht aufgetreten, die Lücke wurde mittlerweile geschlossen.

Kein Halten für Nintendo-Aktie

Die weltweite Begeisterung für das Handyspiel beschert der Nintendo-Aktie einen anhaltenden Höhenflug. Das Papier legte am Dienstag um weitere 14 Prozent zu. Damit hat sich der Marktwert des japanischen Konzerns an der Tokioter Börse in den vergangenen sieben Handelstagen auf umgerechnet rund 36 Milliarden Euro mehr als verdoppelt.

An- und Verkäufe von Nintendo-Anteilsscheinen machten am Dienstag ein Viertel des Gesamthandels in Tokio aus. „Ich habe noch nie erlebt, dass die Aktien eines Großkonzerns so eine Trendwende in so kurzer Zeit vollzogen haben“, sagte Analyst Takashi Oba vom Finanzberater Okasan Securities.

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