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Zeitplan des Abkommens wackelt

Die nationalen Parlamente der EU-Mitgliedsstaaten sollen nun doch über das bereits ausverhandelte Freihandelsabkommen der EU mit Kanada (CETA) abstimmen. Die EU-Kommission beschloss in ihrer wöchentlichen Sitzung am Dienstag, das Abkommen - anders als zuvor angedacht - nicht als reine EU-Angelegenheit zu behandeln.

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Mit der Entscheidung der EU-Kommission steigt das Risiko, dass das bereits ausverhandelte CETA-Abkommen von einem der Parlamente abgelehnt wird. Scheitert CETA, droht auch dem noch umstritteneren Vertrag zum Transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP) das Aus, gegen das Grüne, Linke und Verbraucherschützer Sturm laufen. CETA soll bei einem EU-Kanada-Gipfel im Oktober ratifiziert werden. Ob dieser Zeitplan eingehalten werden kann, ist offen.

Malmström fordert Unterstützung

EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström unterstrich: "Wir fordern die Mitgliedsstaaten, die uns alle um dieses Abkommen gebeten haben (...), auch die Führung zu zeigen, die nötig ist, um es gegenüber ihren Parlamenten und Bürgern zu verteidigen."

Welche Hürden CETA jetzt nehmen muss, zeigen beispielsweise Rumänien und Bulgarien, die im Gegenzug für ihre Zustimmung Visaerleichterungen für ihre Bürger in Kanada durchsetzen wollen. In Belgien beschloss bereits eins der vier Regionalparlamente, CETA abzulehnen. In Deutschland könnten die Grünen, die in zehn von 16 Bundesländern mitregieren, das Abkommen über den Bundesrat stoppen. Widerstand gibt es dort aber auch in der SPD.

Nationale Parlamente können über CETA abstimmen

Jetzt steht fest, dass es in den nationalen Parlamenten in den EU-Staaten Abstimmungen über das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada, kurz CETA genannt, geben kann.

Harsche Kritik für frühere Kommissionspläne

Die EU-Kommission hatte zuvor stets durchblicken lassen, dass man sich auf ein juristisches Gutachten berufen werde, das nationale Ratifizierungen als nicht notwendig ansehe. „Entmachtung der Volksvertreter“, „Gefahr für die Glaubwürdigkeit“, „Munition für Europaskeptiker“ - so und so ähnlich lauteten die harschen Kommentare, die es daraufhin hagelte.

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hatte beim EU-Gipfel seinen Plan, die Parlamente außen vor zu lassen, angekündigt, einen Tag später aber bereits einen Rückzieher gemacht. Bei einem Besuch des steirischen Landeshauptmanns Hermann Schützenhöfer (ÖVP) sagte er, er habe aus „demokratiepolitischen Erwägungen“ seine Meinung dazu überdacht.

Kern will „offene, transparente Diskussion“

Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) sieht jedenfalls die Forderung Österreichs nach parlamentarischer Einbindung erfüllt. „Jetzt werden wir in Österreich für eine offene, transparente Diskussion über CETA sorgen“, teilte er auf Facebook mit. Nationalratspräsidentin Doris Bures sprach von einer „Entscheidung im Sinne des Rechts und der politischen Vernunft“. Und sie ergänzte: „Gerade nach dem ‚Brexit‘-Referendum in Großbritannien ist die EU besonders gefordert, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen.“

Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) begrüßte die Entscheidung: „Unser Einsatz hat sich gelohnt. Damit ist die Einbindung der nationalen Parlamente gesichert. Das ist ein Erfolg für Österreich und andere Mitgliedsländer, die sich massiv gegen die Einstufung als reines EU-Abkommen ausgesprochen haben. Es war auch eine Frage von Treu und Glauben, damit das Vertrauen in Europa gewahrt bleibt“, sagte er laut Aussendung.

Juncker laut Karas „enttäuscht“

ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas sagte, Juncker sei sehr enttäuscht gewesen über den Druck der EU-Mitgliedstaaten in dieser Frage. Es gehe nun um Aufrichtigkeit in der Diskussion. „Wir müssen die Globalisierung nach unseren Standards, Werten und Rechtsprinzipien regeln. Österreich hat bisher immer von Handelsabkommen profitiert. Zwei Drittel unseres Wohlstands erwirtschaften wir außerhalb Österreichs“, so Karas. Alle inhaltlichen Bedenken und Forderungen Österreichs seien nunmehr erfüllt.

Kritik an CETA äußerte die SPÖ-Europaabgeordnete Karoline Graswander-Hainz am Dienstag vor der Entscheidung der EU-Kommission. „CETA ist in vorliegender Form für mich nicht akzeptabel“, sagte sie im Namen der SPÖ-Delegation. Die Abgeordnete kritisierte insbesondere den Investorenschutz und unklare Formulierungen, etwa zum Umweltschutz.

Grüne fordern klare Regierungsposition

Der grüne Europaabgeordnete Michel Reimon forderte Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) auf, Stellung zu beziehen. „Wir brauchen bis zur Ratsabstimmung im September eine klare österreichische Regierungsposition. Bundeskanzler Kern sollte der berechtigten Kritik seiner EU-Abgeordneten glauben und sicherstellen, dass Österreich im Rat gegen CETA stimmt.“ Reimon hält allerdings das geplante vorzeitige Inkrafttreten von CETA im Jänner für das größere Problem.

Klar für CETA sprach sich die NEOS-Abgeordnete Angelika Mlinar aus. Das eigentliche Ziel der Forderungen, warum CETA zu einem „gemischten Abkommen“ erklärt werden sollte, sei es, dass der Handelspakt zu Fall gebracht werden soll, kritisierte Mlinar. Gegen CETA sprach sich auch die FPÖ aus. „Zum jetzigen Zeitpunkt sind wir klar dagegen“, so der FPÖ-Europaabgeordnete Georg Mayer.

NGOs warnen weiter vor CETA

„Die EU-Kommission hat in letzter Minute erkannt, dass eine CETA-Ratifizierung ohne die nationalen Parlamente politischer Selbstmord wäre, der das Vertrauen in die EU massiv beschädigt hätte,“ so Joachim Thaler, Handelssprecher von Greenpeace in Österreich. „Mit dem jetzigen Vorschlag der Kommission sind allerdings bei Weitem nicht alle Probleme vom Tisch. Denn Teile des Abkommens sollen laut Kommission vorläufig angewendet werden, noch bevor die nationalen Parlamente über CETA abgestimmt haben.“

Auch die NGO Global 2000 lehnt das Abkommen weiter generell ab. „Das eigentliche Problem im Kern von CETA bleibt bestehen: Es gibt keine wirklich fundierten Studien seitens der EU-Kommission, die belegen würden, dass CETA tatsächlich von Vorteil für die EU wäre, und wie sich CETA auf besonders sensible Bereiche wie Umweltschutz, ArbeitnehmerInnenschutz und Lebensmittelsicherheit der EU und deren Mitgliedsstaaten auswirken würde.“

„CETA ist TTIP durch die Hintertür - es ist ein massiver Angriff auf die Demokratie und politische Handlungsspielräume“, so auch Alexandra Strickner von ATTAC Österreich. „Wenn Kern und Mitterlehner CETA zustimmen, ist das die beste Wahlhilfe für Norbert Hofer. Wer zukunftsfähige Politik im Interesse der Menschen und der Umwelt machen will, wer für Demokratie ist, der muss zwingend gegen CETA sein. Wir fordern die österreichische Regierung auf, klar Nein zu CETA zu sagen und keinesfalls einer vorläufigen Anwendung zuzustimmen“, so Strickner abschließend.

Malmström verteidigt Abkommen

Das Freihandelsabkommen bringe für europäische Unternehmen zahlreiche Vorteile mit sich, argumentierte Malmström. Sobald CETA zur Anwendung komme, wurden beinahe alle Zölle zwischen der EU und Kanada fallen, wodurch europäische Unternehmen Hunderte Millionen Euro pro Jahr sparen könnten. Geografisch geschützte europäische Lebensmittel wie Tiroler Speck oder die Käsesorten Gouda und Roquefort dürften dann künftig auch in Kanada nur unter diesen Namen verkauft werden, wenn sie aus den entsprechenden Regionen kämen.

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