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Regierung wirbt seit April für Nein

In Ungarn wird am 2. Oktober in einem Referendum über die Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der Europäischen Union abgestimmt. Präsident Janos Ader gab dieses Datum am Dienstag in Budapest bekannt. Die rechtskonservative Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban lehnt die von der EU beschlossene Verteilung von Flüchtlingen auf alle Mitgliedsstaaten ab und hatte im Februar einen Volksentscheid darüber angekündigt.

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Die EU will insgesamt 160.000 Flüchtlinge aus den Hauptankunftsländern Italien und Griechenland auf die anderen Mitgliedsstaaten verteilen. Schon vor einem Jahr hatte sich Budapest geweigert, sich an der Verteilung von 40.000 Menschen auf freiwilliger Basis zu beteiligen. Im September beschlossen die EU-Innenminister dann die verbindliche Verteilung von 120.000 Asylwerbern - gegen den Widerstand Ungarns, Tschechiens, der Slowakei und Rumäniens.

Klage beim EuGH

Ungarn soll dem Verteilungsmechanismus zufolge rund 2.300 Flüchtlinge aufnehmen. Die Regierung in Budapest sträubt sich vehement gegen diesen Plan. Nach der Slowakei reichte im Dezember auch Ungarn eine Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein. Im Februar kündigte Orban dann auch noch die Volksabstimmung an.

Budapest sieht durch die Quotenregelung seine Souveränität verletzt. Weder Brüssel noch irgendeine andere europäische Organisation hätten das Recht, mit der Aufnahme von Flüchtlingen „Europas kulturelle und religiöse Identität neu zu definieren“, sagte Orban im Februar. Die EU dürfe nicht „im Rücken der Völker, gegen den Willen der Völker“ Entscheidungen treffen, „die ihr Leben und das künftiger Generationen verändern“.

Ungarn: Abstimmung über Flüchtlings-Quote

Am 2. Oktober sollen die Ungarn in einer Volksabstimmung über die von der EU geplante Verteilung von Flüchtlingen mittels Quote entscheiden.

Scharfe Kritik von Opposition

Am 2. Oktober soll den Ungarn nun folgende Frage zur Abstimmung vorgelegt werden: „Wollen Sie, dass die Europäische Union auch ohne Zustimmung des (ungarischen) Parlaments die Ansiedlung von nicht ungarischen Staatsbürgern in Ungarn vorschreibt?“ Damit die Abstimmung gültig ist, ist eine Wahlbeteiligung von mindestens 50 Prozent notwendig.

Orbans Regierung startete bereits im April ihre Kampagne für ein Nein beim Referendum. „Brüssel kann nicht an unserer Stelle darüber entscheiden, mit wem wir zusammenleben“, teilte die nationalkonservative Regierungspartei FIDESZ-MPSZ am Dienstag per Aussendung mit. Auch die rechtsradikale Jobbik-Partei appellierte an ihre Mitglieder und Sympathisanten, gegen die Quoten und das „unsinnige Brüsseler Diktat“ zu stimmen.

Opposition ruft zum Boykott auf

Die oppositionellen Sozialisten (MSZP) warfen Orban unterdessen vor, nach dem „Brexit“-Votum der Briten nun ebenfalls den Austritt aus der EU anzustreben - und den Wählern dafür „die wildesten Lügen“ zu erzählen. „Damit wir in Europa bleiben können“, sagte MSZP-Vizechef Zoltan Gögös und rief auch zum Boykott des Referendums auf.

Einen Boykottaufruf gibt es auch von der sozialliberalen Oppositionspartei Együtt (Gemeinsam), die gleichzeitig eine Unterschriftensammlung zur Unterstützung der EU-Mitgliedschaft Ungarns startete. Sorgen für einen drohenden Abschied von der EU teilt auch die Demokratische Koalition (DK). Ein gültiges Referendum über die Flüchtlingsquoten kommt laut DK-Aussendung einem „Vorzimmer zum Austritt aus der EU“ gleich.

175 Kilometer langer Stacheldrahtzaun

Orban liegt in der Flüchtlingspolitik schon seit Monaten mit der EU-Kommission über Kreuz. Im vergangenen Jahr waren rund 440.000 Flüchtlinge über Ungarn nach Mitteleuropa gereist. Um die Flüchtlinge zu stoppen, ließ Orban trotz Protesten aus Brüssel im August zuerst die Grenze zu Serbien mit 175 Kilometer Stacheldraht dichtmachen. Als die Flüchtlinge dann über den EU-Nachbarn Kroatien kamen, baute Ungarn auch dort einen 41 Kilometer langen Zaun.

Flankierend beschloss das Parlament in Budapest mehrjährige Haftstrafen im Falle einer illegalen Einreise und erlaubte der Armee auch den Einsatz von nicht tödlichen Waffen wie Gummigeschoßen gegen Flüchtlinge. Orban konnte bald verkünden, sein Land befinde sich nun „nicht mehr auf der Route“ der Flüchtlinge.

Vorgangsweise an Grenze weiter verschärft

Seit Anfang dieses Jahres habe Ungarn nach Angaben von Orbans Sicherheitsberater Gyorgy Bakondi 17.351 Menschen an der Grenze aufgegriffen. Im gesamten Jahr 2015 seien es rund 391.000 gewesen. 330 Flüchtlinge befänden sich in Haft. Von insgesamt rund 199.000 Asylanträgen habe Ungarn 264 genehmigt.

Zuletzt sei Agenturberichten zufolge die Vorgangsweise offenbar weiter verschärft worden. Seit Dienstag bringe Ungarn Flüchtlinge, die über die Balkan-Route ins Land kämen, ohne Verfahren zurück nach Serbien oder Kroatien.

Bakondi zufolge sollen Flüchtlinge, die innerhalb von acht Kilometern hinter der Grenze in Ungarn aufgegriffen werden, zur Grenze zurückgebracht werden. Dort solle ihnen der Weg zur nächsten „Transitzone“ gezeigt werden. Diese liegen jenseits der ungarischen Grenzzäune - und damit nach ungarischer Auffassung nicht auf ungarischem Staatsgebiet.

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