Ein Kleidungsstück, das alles kann
In minimaler Ausführung, als „Zerreißprobe“ oder als alles verdeckender Burkini: Der Bikini ist sehr vielseitig. Das kleine Stück Stoff ziert Frauenkörper schon eine ganze Weile und ist Symbol für Erotik, Emanzipation und die Überwindung moralischer und sexueller Vorbehalte. Nun wird er 70 - das Badeoutfit wird jedes Jahr am 5. Juli, dem „National Bikini Day“, aufs Neue gefeiert.
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An diesem Tag im Jahr 1946 zeigte sich nämlich Michele Bernardini ganz offiziell als erstes Model in einem knappen, triangelförmigen Bikini auf der Piscine Molitor Modenschau in Paris.
Der Modeschöpfer Jaques Heim und der französische Maschinenbauingenieur Louis Reard hatten ein hervorragendes Gespür fürs Geschäftliche - und ließen sich 13 Tage darauf die nur das Nötigste bedeckende Badebekleidung patentieren.
Heim und Reard hatten damals zwar ein gutes Timing, waren aber eigentlich recht spät dran. Attische Schalen und antike Wandmalereien aus dem Altertum belegen, dass sich die darauf abgebildeten Frauen lediglich mit Brustband und Höschen bekleidet beim Sport offenbar am wohlsten fühlten.
Mühevoller Weg bis zur Akzeptanz
Auch in den frühen 30er Jahren trugen Frauen in Amerika und in Europa ein BH-ähnliches Top mit Rock oder einer miederartigen Hose. Zu dieser Zeit wurde die „gesunde Bräune“ der noblen Blässe vorgezogen. Was Bernadinis Bikini allerdings von seinen Vorreitern aus den 30ern deutlich unterschied, war seine Knappheit.
Nach dem Schauplatz zahlreicher Kernwaffentests der USA in den 40er und 50er Jahren – dem Bikini-Atoll – benannt, wurde diese kleine Textilie nach dem Zweiten Weltkrieg aus moralischen Bedenken allerdings gänzlich aus der Mode verbannt. Kelly Killoren Bensimon - Autorin von „The Bikini Book“ - erklärte gegenüber der BBC, dass der Bikini ein Emblem für Freiheit sei, im Zusammenhang mit Skandalen stehe und sich genau deshalb so lange gehalten habe.

APA/dpa
Ursula Andress als Bond-Girl in „James Bond 007 jagt Dr. No", 1962
Besonders die 1950er Jahre standen nicht gerade im Zeichen der Körperbefreiung. „Frauen mit Anstand“ durften sich nicht in solch freizügigen Outfits zeigen. Die Nachkriegszeit war geprägt von einem Frauenbild, das sich vor allem in der Küche und am Herd abspielte. Erst mit bekannten Persönlichkeiten wie Brigitte Bardot und Marilyn Monroe wurde der Bikini zum Symbol weiblicher Selbstbestimmung.
Durchbruch in der westlichen Welt
Bardot präsentierte ihn in Filmen wie „Sommernächte mit Manina“ (1952) und „... und ewig lockt das Weib“ (1956). Monroe hingegen posierte bereits 1951 im getupften Bikini mit hohem Höschenbund und Rüschen - und sorgte damit für Furore. Damals erklärte der Vatikan den Bikini zur Sünde, so wurde er unter anderem in Italien, Portugal und Spanien verbannt.
Anfang der 60er Jahre löste der tief geschnittene Zweiteiler mit James-Bond-Girl Ursula Andress eine erneute – jedoch kurzlebige - Euphorie aus. Der Badeanzug hielt die Stellung, bis 1963 der skandalöse und den Oberkörper freilegende Monokini auf den Markt kam. Entworfen vom Österreicher Rudi Gernreich, verhalf er dem Bikini zu seinem endgültigen Durchbruch.
Das auflebende Credo „Sex sells“, kulturelle Veränderungen und die sexuelle Revolution gaben dem Wiederaufleben der erotisierenden Badebekleidung Ende der 60er Jahre den nötigen Schwung, um sich zu etablieren.
Bikini als „Power-Suit“
In den 2000ern machten ihn Filme wie die Neuverfilmung von „3 Engel für Charlie“ mit Cameron Diaz, und das B-Surf-Movie „Blue Crush“ erneut populär, und laut der „New York Times“-Journalistin Ginia Bellafonte war der Bikini zu dieser Zeit das „Äquivalent für den Power-Suit der Millennials“. Surfermädchen, die meterhohe Wellen bändigen konnten, bewiesen, dass sie genauso kämpferisch waren wie ihre männlichen Kollegen - und waren dabei auch noch besonders sexy.
Vom knappen Höschen bis zum Ganzkörperanzug
Seither wurden die Formen und Farben des Zweiteilers ständig verändert. Das Maximum an Blöße verleiht Frauenkörpern der Mikrokini oder String-Bikini, ein gerade einmal die Brustwarzen und den Intimbereich verhüllendes Stückchen Textilie, das in den 90ern seine Hochblüte hatte. Heute kommt er vor allem in der Bodybuildingszene noch zum Einsatz.
Das genaue Gegenteil des Mikrokinis ist der Burkini. Da es Musliminnen verboten ist, sich in der Öffentlichkeit freizügig zu präsentieren, ist in den arabischen Ländern bis heute das Tragen eines Bikinis oder Badeanzugs auf öffentlichen Stränden verboten.
Der Burkini hat optisch allerdings äußerst wenig mit dem eigentlichen Bikini zu tun und steht für einen zweiteiligen Schwimmanzug mit integrierter Kopfbedeckung, der Arme und Beine vollständig bedeckt.
Zwischen Mikro- und Burkini liegen der Tankini (Bikini mit einem ärmelfreien Top, das den Bauch verdeckt), der Skirtini (angenähter Rock über dem Höschen) und der Monokini. Letzterer ist nicht mehr so freizügig wie einst und wurde Mitte der 2000er neu aufgelegt. Er beschreibt einen „ausgeschnittenen“ Badeanzug, dessen Ober- und Unterteile fest miteinander vernäht sind. Der Monokini bietet sicherlich mehr Halt als der Bikini, hinterlässt jedoch ungebräunte Streifen auf der Körpermitte.
Einmal durch den Schredder
Auch heuer kreierten die Modedesigner Monokinis mit diversen Verbindungen, die im „Bondage-Look“ geschnitten sind und besonders ausgefallene Abdrücke an Bauch, Hüfte und Schulter hinterlassen. Feinde der Tönungsstreifen werden auf den klassischen Bikini zurückgreifen, der heuer wieder aus Strick, und in sportlichen Varianten aus äußerst belastbaren Materialien wie Elasthan, Nylon und Neopren besteht.
Auch halterlose Oberteile mit wallendem Volant lassen eine durchgängige Bräune auf Schulter und Dekollete zurück und finden sich – ganz im Zeichen der Wiederkehr der Carmen-Bluse – auf den Laufstegen von Modedesignern wie Tori Praver oder bei der britischen Wäschemarke Agent Provocateur.
Für ein besonders empfindliches Dekollete eignen sich High-Neck-Oberteile, die den Großteil des Brustbereichs verhüllen. Obwohl die hochgeschnittenen Höschen a la Monroe nicht bei jeder Frau vorteilhaft aussehen, steht der Bikini mit diesem Schnitt heuer trotzdem wieder im Zeichen des Retro.
Befreiung vs. Normierung
Egal, in welcher Ausführung, der Bikini war immer wieder umstritten - wobei sich die Motive über die Zeit wandelten. Auch aktuell sehen einige, gerade Feministinnen, die Verwendung des Bikinis etwa in der Werbung und die damit einhergehende Normierung des Frauenkörpers kritisch. Und der Schönheitswettbewerb Miss Teen USA kündigte erst vor wenigen Tagen an, die 14- bis 19-jährigen Mädchen künftig nicht mehr im Bikini, sondern im Sportoutfit über den Laufsteg gehen zu lassen.
Das historische Verdienst aber bleibt: Die Freizügigkeit des Bikinis war eine Befreiung vom moralischen Mief der Nachkriegsjahre sowie Ausdruck der Selbstbestimmung. Und der Fixplatz in der weiblichen Garderobe ist garantiert - denn kaum ein anderes Kleidungsstück eignet sich besser, um Spaß am Strand zu haben.
Yasmin Szaraniec, ORF.at
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