Athleisure ist gekommen, um zu bleiben. Hinter dem Tragen von Sportkleidung steckt kein Trend, sondern ein klares Statement: Gesunde Ernährung und Fitness sind Teil des Alltags. Auch die Haute Couture hat das erkannt und begonnen, irgendwie sportlich aussehende Mode zu produzieren. Was dabei herauskommt, ist klar von der Idee hinter Athleisure zu unterscheiden.
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Statt dass sich Model Gigi Hadid nach ihrem Workout Highheels überstreift, wirft sie über die Sportkleidung einfach einen Chanel-Mantel. Dabei ist das Model keinesfalls underdresst, sondern Athleisure – eine Komposition aus den englischen Wörtern „athletic“ („athletisch“) und „leisure“ („Freizeit“), also Kleidung, die sowohl trainings- als auch alltagstauglich ist. Denn Models, einflussreiche Modeblogger und auch der Normalbürger sehen schon lange keinen Grund mehr, nach dem Training nicht mehr nach Training aussehen zu dürfen.
Sportlich ersetzt dünn
So wird Activewear - also Kleidung, die tatsächlich zum Sport angezogen wird - mit einer Gucci-Tasche oder Armani-Sonnenbrille drapiert, und schon sind Leggings und Top straßentauglich. Der Trend ist mehr als nur ein Outfit. Er sprengt die Grenzen zwischen Komfort und Eleganz, Freizeit und Alltag und ist dabei Ausdruck einer immer populärer werdenden Lebensweise.
„Das hängt auch mit dem neuen Körpertyp vieler Models zusammen: Sie sind natürlich schlank, aber gesund“, sagt Jungredakteurin Hella Schneider von Vogue.de gegenüber ORF.at und weiter: „Das extrem dünne oder dürre Laufstegmodel ist heute nicht mehr zwangsläufig das Ideal.“
Mehr als nur ein Modetrend
Der Aufstieg von Athleisure ist ein großer Brocken einer auf Gesundheit und Wellness fokussierten Lifestyle-Bewegung, in der Yogastunden, Ayurveda-Kuren und grüne Smoothies das Leben bestimmen. „Athleisure hängt eng mit dem Leben zusammen, das wir leben – wir wollen mobil sein, sportlich, healthy. Dieser sehr bewusste Lebensstil spiegelt sich klar in der Mode wider“, so Schneider.
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Neues Körperbewusstsein
Ein Trend, der sich deshalb so lange gehalten hat, weil er sich von der schnellen, vergänglichen Mode – der „Fast Fashion“ – abhebt. Auf den Körper wird Wert gelegt, er ist ein unschätzbares Gut, das in Schuss gehalten werden muss. Athleisure entspricht diesem neuen Körperbewusstsein, in dem Fitness eine außerordentliche Rolle spielt.
Dünn allein reicht nicht, trainiert soll man sein. Instagram verbannte Hashtags wie „#skinny“, „#thin“ und „#petite“ aus seinem „Wortschatz“. Hingegen hat der Hashatg „#fitspo“ (Abkürzung für „Fitspiration“, also „fit“ und „Inspiration“) über 30 Millionen Einträge. Ganz im Sinne des Selbstoptimierungsstrebens der Generation Y ist der durchtrainierte Körper ein Zeichen von Disziplin und Eigenverantwortlichkeit, der selbstverständlich gerne und viel hergezeigt wird.
Sportlichkeit und Mode gehen weit zurück
Bereits in den 50er Jahren wurde eine aktive Lebensweise durch die Mode transportiert. Selbst wer nicht sportlich aktiv war, wollte damals zumindest danach aussehen. Das erkannten auch die Modedesigner. Feminine, schlanke Schnitte aus neuen, elastischen Materialien kamen auf den Markt. Schnell eroberten Caprihosen, Steghosen (Hose mit Fersenband), Jodhpurhosen (knöchellange Reithose) und Shorts die Modewelt.
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In den 80er Jahren erschienen die engen, neonfarbigen Bodysuits mit Gamaschen und Schweißbändern. Jane Fonda und Olivia Newton John waren die Workout-Ikonen jener Zeit und prägten einen gewissen Fitnessmodetrend. Diese Kleiderordnung beschränkte sich jedoch auf die Gymnastikstunde. Einziges Überbleibsel der damaligen Ära ist die Leggings, bis heute ein mit allem kombinierbarer Klassiker, nur in ein wenig dezenteren Farben als damals.
Activewear nicht gleich Sportchic
Die knallbunte Kleidung aus der Aerobic-Stunde wurde durch funktionelle und bequeme Kleidung für beliebte Sportarten wie Crossfit, Boxen und Yoga ersetzt. Die großen Sportartikelhersteller Nike und Under Armour lassen eigene Linien bekannter Namen entwerfen, um sie von der normalen Activewear zu unterscheiden. Der Franzose Olivier Rousteing designte eine goldig-schimmernde Athleisure-Kollektion für NikeLab, und Sängerin Rihanna ist das Markenzeichen für Puma.
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„Daneben gibt es noch etliche andere High-Fashion-Designer, die mit Sportlabels kooperieren“, bemerkt Schneider. Stella McCartney sei in dieser Hinsicht eine Vorreiterin gewesen. Eines der wenigen Luxusmodehäuser, das tatsächlich eine eigene Sportlinie führt, sei Fendi, erläutert die Modeexpertin weiter.
Dann gibt es noch den Sportchic. Edlere Marken designen Sportoutfits, die tatsächlich zum Schwitzen gedacht sind und auch hübsch aussehen - wie jene von Tory Burch. Das Tochterlabel Tory Sport der US-amerikanischen Modeschöpferin zeigt, dass man beim Golfen, Laufen und Tennisspielen durchaus modebewusst sein kann. Unter der Rubrik „Coming & Going“ („Kommen und gehen“) können Kleiderstücke erworben werden, mit denen Frau sich auch nach dem Sport genauso beim Lunch zeigen kann.
Turnschuh statt Highheels
Seit kurzer Zeit erobern sportlich angehauchte Outfits auch die Couture-Laufstege. Als der Sneaker 2014 bei einer Dior-Show seinen ersten Auftritt hatte, übernahmen viele Designer das Konzept. Turnschuh statt Highheels ist keine Seltenheit mehr. Trotzdem unterscheidet sich Athleisure deutlich von den als „Sport Luxe“ gehandhabten Modellen der Haute Couture.
Die diesjährigen Modelle von Versace und Co. sind mehr als nur unsportlich. Designs, Farben und Schnitte hauchen den Outfits einen gewissen Sportgeist ein, sind aber zum Trainieren ganz und gar ungeeignet. Dass Nike das Luxuslabel Louis Vuitton heuer in der „Forbes“-Liste der bedeutendsten Marken weltweit überholte, beweist, dass sich die legere Sportkleidung mittlerweile so tief verankert hat, dass der „hohen Mode“ nichts anderes übrig bleibt, als nachzuziehen.
„Streetnic“: Athleisure einen Schritt weiter
Die großen Sportlabels bemühen sich mehr und mehr, die Grenzen zwischen funktionaler und stilvoller Sportkleidung zum Verschwimmen zu bringen. Chip Wilson, Gründer des kanadischen Athletic-Labels Lululemon, gab in einem Interview mit dem Business Insider an, Athleisure sei bereits ausgestorben. Der „Streetnic“ – eine Kombination aus „technical“, „stretch“ und „street“ (funktional, elastisch und straßentauglich) - stellt den technischen Aspekt des Kleidungsstückes an erste Stelle und sei dabei trotzdem stilvoll.
Schneider steht dieser Entwicklung skeptisch gegenüber: „Ob ,normale’ Alltagskleidung funktional sein soll, ist Geschmacksache. Ich kann das nicht wirklich als Trend erkennen.“ Die neue Sportkollektion von H&M jedoch verkörpert genau das: Funktionalität, die im Vordergrund steht. Sie ist speziell für das schwedische Olympiateam entwickelt worden und muss einiges können. Die einzelnen Stücke sehen dabei auch noch ziemlich chic aus.