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Was die internationale Presse meint

Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshof (VfGH), dass die Stichwahl der Bundespräsidentwahl wiederholt werden muss, ist am Freitag auch in internationalen Medien kommentiert worden. Von „Blamage“, „Dilettantismus“ und „Spaltung“ ist dabei zu lesen.

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Deutschland:

„Süddeutsche Zeitung“: Nun ist es passiert: Die österreichischen Verfassungsrichter haben das Ergebnis der Bundespräsidentenwahl gekippt - und das ist nicht nur juristisch betrachtet eine gute Entscheidung. (...) Rechtswidrig war ziemlich viel an ziemlich vielen Orten. Und angesichts des knappen Ergebnisses ist ein Einfluss der Schlampereien und Versäumnisse auf den Wahlausgang zumindest gut möglich. Die Verfassungsrichter hatten also eigentlich gar keine andere Möglichkeit, als die Stichwahl für ungültig zu erklären. (...)

(...) Eine komplette Neuwahl mag für das zunächst siegreiche Van-der-Bellen-Lager bitter sein, ein neuer Urnengang kostet Geld und erfordert neuen Organisationsaufwand. Aber die Wiederholung ist die sauberste Lösung des austriakischen Schlamassels. Vielleicht bringt die dritte österreichische Präsidentenwahl des Jahres 2016 etwas besonders Wertvolles, das wäre dem Land zu wünschen: eine deutliche Mehrheit für den Sieger und damit klare Verhältnisse.

„Frankfurter Allgemeine Zeitung“: Je zerstrittener die EU, desto größer die Chancen für Hofer.

„Handelsblatt“: Welche Blamage für die Alpenrepublik! Die Wiederholung der Bundespräsidentenwahl ist vor allem ein Sieg für die Populisten. Doch mehr noch: Sie wird die Spaltung Österreichs vertiefen - schlimmstenfalls drohen Neuwahlen. Der Beschluss des Verfassungsgerichts ist eine gewaltige Blamage für die Alpenrepublik.

„Bild“: Politbeben in Österreich. Präsidentenwahl muss wiederholt werden. Kommt es doch noch zum Rechtsruck bei den Ösis?

„Spiegel Online“: (...) Gewinner ist die unabhängige Justiz, die nicht anders hätte entscheiden können, um sich nicht dem Verdacht auszusetzen, parteiisch zu sein. Der große Verlierer aber ist Österreich, das nun dasteht als überforderte Republik, die unfähig ist, eine Wahl ordnungsgemäß durchzuführen.

Ein Land, in dem die Volksparteien SPÖ und ÖVP, die mehr gegeneinander denn miteinander in einer Koalition regieren, nicht in der Lage waren, sich auf einen gemeinsamen Kandidaten für das Bundespräsidentenamt zu einigen, in dem es peinliche Szenen im Wahlkampf gegeben hatte und ein TV-Duell, in dem die zwei Kandidaten, die als Sieger aus der ersten Wahlrunde hervorgegangen waren, so unwürdig miteinander umgingen, dass sie schon im Vorfeld das Präsidentenamt beschädigten. (...)

Die Ironie der Geschichte ist, dass das Urteil im Sinne der FPÖ ist, die die Unregelmäßigkeiten aber in vielen Wahlbezirken selbst zu verantworten hat. Ihre Beisitzer in den Wahlkommissionen waren an den Schlampereien beteiligt. Man hat also gegen etwas geklagt, das man in weiten Teilen selbst zu verantworten hat - ein Trick, um doch noch ins Bundespräsidentenamt zu kommen?

Schweiz:

„Neue Zürcher Zeitung“: Wäre die Lage nicht so dramatisch, könnte man versucht sein, über die Verhältnisse in Österreich zu schmunzeln. Die aufgedeckten Verstösse in der Präsidentenwahl zeugen von so viel Dilettantismus, Bequemlichkeit und Schlamperei, dass man sie fast nicht ernst nehmen kann. Aber eben nur fast. (..) Die Konsequenzen des Entscheids sind schwer absehbar. Mit ihm wird der verkrustete Parteienstaat Österreich nicht nur politisch, sondern auch institutionell in eine tiefe Krise gestürzt. In Frage gestellt ist nämlich nicht nur die Integrität dieser nationalen Wahl, sondern auch der vorhergehenden Parlamentswahl. (...)

Mit dem Entscheid nimmt der bereits endemische Vertrauensverlust der Österreicher in ihre Demokratie zu. Dies ist politisch eine grosse Gefahr, da in diesem Umfeld Verschwörungstheorien und radikale Ideen fruchtbaren Boden vorfinden. (...) Was Österreich jetzt bräuchte, sind tiefgreifende, konstruktive Neuerungen in der Durchführung der Wahlen - die Probleme sind erkannt und benannt, und die FPÖ hätte hier zweifellos einen Beitrag zu leisten. Wahrscheinlicher ist angesichts ihres bisherigen Verhaltens aber ein anderes Szenario: Die FPÖ lebt von der politischen Bewirtschaftung des Misstrauens in der Bevölkerung gegenüber dem „System“. Sie wird ihre Erfolgsstrategie, die ihrem Kandidaten fast die Hälfte der Stimmen eingebracht hat, deshalb bestimmt nicht ändern.

„Blick“: „Rechte FPÖ triumphiert, Österreich muss Wahl wiederholen.“

„Tagesanzeiger“: Ein Sieg der Demokratie sieht anders aus. Ganz Österreich muss nach der Annullation der Bundespräsidentenwahl wieder an die Urne. Doch die Wiederholung der Ausmarchung wird das Land noch tiefer spalten. (...) Wenn sich nun aber ausgerechnet die FPÖ zur Hüterin dieser demokratischen Grundrechte erklärt, dann macht sich damit der Bock selbst zum Gärtner.

Es war der ehemalige FPÖ-Vorsitzende Jörg Haider, der Entscheide der Verfassungsrichter ignorierte und sich über den Präsidenten auch noch lustig machte. Die Partei hat sich dafür nie entschuldigt. Auch heute erklären FPÖ-Politiker mit Stolz, dass sie Gesetze nicht achten, und zum Beispiel, die Bundeshymne nicht im gesetzlich festgelegten Text singen. Nein, Gesetzestreue war der FPÖ nie ein besonders großes Anliegen. Auch bei Wahlen nicht. Es gab bei der Stichwahl zum Bundespräsidenten kein Problem, das es nicht vorher auch schon gegeben hätte. (...)

Nein, es geht der FPÖ nicht um demokratische Grundwerte. Es geht ihr darum, dass ihr Kandidat nicht verlieren darf. (...) Für diesen Sommer bedeutet es, dass Österreich bis zur Wiederholung der Wahlen im September eine politische Schlammschlacht droht. Sollte Norbert Hofer gewinnen, würde das vom Lager Van der Bellens kaum als gerechter Sieg anerkannt werden. Sollte Hofer nicht gewinnen, wird die FPÖ neue Verschwörungstheorien erfinden. Der Riss, der quer durch das Land geht, wird noch tiefer. Ein Sieg für die Demokratie sieht anders aus.

Italien:

„Corriere della Sera“: Multiple Krise in Europa? Eine nach der anderen. In Österreich sollte es im Herbst zu neuen Stichwahlen kommen.

„Repubblica“: Hofer hofft jetzt auf eine Chance, zum ersten ultranationalistischen, ausländerfeindlichen und rechtsextremen Präsidenten eines EU-Mitgliedsstaates aufzurücken. Ein Profil, das Europa Sorgen macht, da Hofer nach dem Brexit-Referendum sich für eine ähnliche Volksentscheidung in Europa erklärt hatte. Laut Hofer geht die EU weiterhin in die falsche Richtung. Man müsse die Österreicher über seinen Verbleib in der EU befragen.

Spanien:

„El Pais“: Die FPÖ hat nicht nur eine erfolgreiche Anfechtung und eine zweite Chance, einen der ihren an die Staatsspitze zu hieven, erreicht. Sie sieht auch ihre Strategie verstärkt, das System und ihre Institutionen infrage zu stellen. Andererseits stellt der Richterspruch einen heftigen Schlag gegen das Image der Regierungskoalition aus Sozialdemokraten und Konservativen dar. Auch wenn keine Beweise für Betrug gefunden wurden, zeigten sich doch Irregularitäten bei der Auszählung.

„El Periodico“: Anfechtung der euroskeptischen und fremdenfeindlichen Gruppierung wurde akzeptiert. Österreich wird noch stärker gespalten.