Aus Usbekistan, Kirgistan und Dagestan
Zwei Tage nach dem schweren Anschlag auf den Istanbuler Atatürk-Airport mit Dutzenden Toten haben türkische Ermittler am Donnerstag erste Details über die Selbstmordattentäter veröffentlicht. Die drei stammten den Angaben zufolge aus dem Ausland: Bei den Männern habe es sich um einen Russen, einen Usbeken und einen Kirgisen gehandelt, sagte ein türkischer Regierungsvertreter am Donnerstag.
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Die Nachrichtenagentur DHA berichtete, der russische Staatsbürger stamme aus der Region Dagestan. Die türkische Regierung verdächtigt die Terrormiliz Islamischer Staat (IS), hinter dem Angriff vom Dienstagabend mit insgesamt mindestens 46 Toten zu stecken - erst am Donnerstag erhöhte sich diese Zahl erneut.
Moskau: „Keine Informationen“
Die Regierung in Moskau bestätigte einen Attentäter mit russischer Staatsbürgerschaft zunächst nicht. „Wir haben keine Informationen über die mögliche Beteiligung eines russischen Staatsbürgers“, sagte Kreml-Sprecher Dimitri Peskow der Agentur Interfax zufolge. Usbekistan, Kirgistan und Dagestan sind überwiegend muslimisch und gehörten einst zur Sowjetunion, Dagestan ist eine russische Teilrepublik. Zahlreiche Extremisten aus dem Kaukasus und aus Zentralasien haben sich dem IS in Syrien und im Irak angeschlossen.

EBU
Die mutmaßlichen Attentäter unmittelbar vor dem Anschlag
Schon davor war berichtet worden, dass einer der Attentäter bereits identifiziert worden sei. Er soll auf einer Liste potenzieller IS-Terroristen stehen, hieß es. Details wurden nicht genannt.
Attentäter 2011 in Bulgarien verhaftet?
Im öffentlich-rechtlichen TV ist unterdessen von einem aus der autonomen Teilrepublik Tschetschenien stammenden russischen Staatsbürger die Rede. Dieser sei auf Ersuchen Russlands im Jahr 2011 an einem bulgarisch-türkischen Grenzübergang beim Versuch, Bulgarien zu verlassen, festgenommen worden, berichtet die dpa. Eine Auslieferung nach Russland sei von einem bulgarischen Gericht aber verweigert worden, da er 2003 politisches Asyl in Österreich erhalten habe.
Laut dem Sprecher des Innenministerium, Karl-Heinz Grundböck, gibt es derzeit allerdings „keine gesicherten Erkenntnisse“ über diesen Österreich-Bezug. „Wir beteiligen uns nicht an medialen Spekulationen. Wir halten uns an Ermittlungsergebnisse“, sagte Grundböck weiter.
Grundböck relativierte in diesem Zusammenhang auch einen weiteren, diesmal von der „Presse“ (Onlineausgabe) kolportierten Österreich-Bezug. Ihm zufolge gebe es „aktuell keine gesicherten Erkenntnisse“ der Sicherheitsbehörden, wonach ein laut 2003 offenbar von Tschetschenien nach Österreich geflüchteter Mann Drahtzieher des Anschlags gewesen sein könnte. In der Causa habe es auch „keine spezifische Kontaktaufnahme“ vonseiten der türkischen Behörden gegeben - in solchen Fällen bestehe aber „routinemäßig Kontakt, um mögliche Bezüge auszuloten“, sagte Grundböck weiter.
Razzien gegen mutmaßliche Extremisten
Wenige Stunden vor der Bekanntgabe dieser Details war die Polizei gegen mutmaßliche Extremistenzellen vorgegangen. 13 Personen wurden festgenommen, darunter drei Ausländer. Die Festnahmen stünden in Zusammenhang mit dem Anschlag, wie die Polizei erklärte. In Istanbul habe man Razzien an 16 Orten gleichzeitig durchgeführt.

APA/AP/DHA
Bilder der Zerstörung auf dem Istanbuler Atatürk-Flughafen
Die Agentur Anadolu berichtete ohne Angabe von Quellen, dass Sondereinsatzkommandos die Razzien in einigen armen Stadtvierteln ausgeführt hätten, darunter in Pendik, Basaksehir und Sultanbeyli. Weitere Aktionen der Polizei soll es laut Anadolu in der Küstenstadt Izmir gegeben haben.
19 Ausländer getötet
Die Zahl der bei dem Anschlag getöteten Ausländer ist höher als bisher bekannt. 19 Ausländer seien getötet worden, sagte Innenminister Efkan Ala nach Angaben von Anadolu in Ankara. Zuvor hatte die Regierung von 13 ausländischen Todesopfern gesprochen. 24 Personen türkischer Herkunft wurden getötet, insgesamt wurden fast 240 Menschen verletzt. Berichte über verletzte Österreicher gab es nicht.

AP/Emrah Gurel
In Istanbul wurden Opfer beigesetzt
Terrorwarnung des Geheimdienstes
Erste Hinweise deuten laut Regierungsangaben auf den IS als Urheber des Anschlags hin. Die Terrormiliz bekannte sich zunächst nicht zu der Tat. Der Anschlag erinnerte an das IS-Attentat auf den Brüsseler Flughafen im März. Die Ermittlungen in der Türkei gehen ebenfalls in diese Richtung.
Einem Zeitungsbericht zufolge gab es zuletzt offenbar eine Terrorwarnung des türkischen Geheimdienstes. Türkische Institutionen seien vor rund 20 Tagen vor einem Anschlag in Istanbul gewarnt worden, berichtete die Zeitung „Hürriyet“. Als mögliches Ziel sei den Angaben zufolge auch der Atatürk-Flughafen genannt worden.
Handschrift des IS
Zwei Terrorismusspezialisten der US-Regierung erklärten, die Art des Angriffs spreche für die Extremistenorganisation. Der IS habe in der Vergangenheit „weiche Ziele“ wie zufällig anwesende Passanten angegriffen. Die kurdische PKK und deren Splittergruppen griffen normalerweise das Militär oder Regierungsvertreter an.

AP/Lefteris Pitarakis
Die Polizei patrouilliert am Tag nach dem Anschlag auf dem Flughafen
Einem türkischen Medienbericht zufolge habe sich die PKK vom Angriff auf den Istanbuler Flughafen bereits distanziert. Die PKK greife „keine Zivilisten mit Selbstmordattentätern an“, wie die Zeitung „Cumhuriyet“ mit Verweis auf ein Statement der PKK berichtete. Auch das Fehlen eines Bekennerschreibens deuten US-Experten unterdessen als Indiz für einen Anschlag des IS. Dieser bekenne sich selten zu den Attacken in der Türkei, da diese auch als eines der zentralen Transitländer der Terrormiliz gelte.
Erdogan: „Platz in der Hölle vorbereitet“
Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan sprach den Selbstmordattentätern jegliche religiöse Rechtfertigung für die Bluttat ab. „Das sollen Muslime sein?“, fragte Erdogan nach Angaben von Anadolu am Mittwochabend. „Sie haben ihren Platz in der Hölle vorbereitet.“ Der Präsident verwies bei einem Fastenbrechen in Ankara auf Sure fünf im Koran, wonach das Töten eines unschuldigen Menschen dem Töten der gesamten Menschheit gleichkommt.
Der Terrorangriff habe nicht nur 79 Millionen Türken, sondern allen Menschen auf der Welt gegolten. „Jeder soll wissen, dass die Terrororganisationen nicht unterscheiden zwischen Istanbul und London, Ankara und Berlin, Izmir und Chicago, Antalya und Rom“, hieß es zuvor in einer Mitteilung Erdogans.
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