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„Reihenfolge muss eingehalten werden“

Der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert hat konkrete Vorgespräche mit London über das Austrittsverfahren aus der EU ausgeschlossen. „Bevor Großbritannien diese Mitteilung geschickt hat, gibt es keine informellen Gespräche über die Austrittsmodalitäten. Die Reihenfolge muss eingehalten werden“, stellte der Sprecher der deutschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montag in Berlin klar.

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Er schloss konkrete Vorgespräche mit London über das Austrittsverfahren aus der EU aus. „Bevor Großbritannien diese Mitteilung geschickt hat, gibt es keine informellen Gespräche über die Austrittsmodalitäten. Die Reihenfolge muss eingehalten werden“, so Seibert in Berlin.

Auch Renzi drängt

Der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi drängt auf rasche Verhandlungen über den Austritt Großbritanniens aus der EU. „Die EU darf jetzt nicht eine einjährige Diskussion über die Austrittsprozeduren in Hinblick auf ein neues Referendum starten. Man darf die Botschaft des britischen Referendums nicht aus den Augen verlieren“, sagte Renzi am Montag.

„Was in Großbritannien geschehen ist, kann für Europa die größte Chance werden, wenn wir nicht nur auf Abwehr setzen. Man kann nicht so tun, als wäre nichts geschehen. Man darf nicht das Referendumsergebnis herunterspielen. Das britische Volk hat gewählt, und die Stimme zählt“, sagte Renzi in einer Ansprache vor dem Senat in Rom. „Die Gründe, aus denen Italien die EU intern kritisiert hatte, sind stärker denn je. Die EU muss sich mehr mit sozialen Angelegenheiten und weniger mit bürokratischen Fragen befassen“, mahnte Renzi.

Deutschland beschwört Kräfte des Zusammenhalts

Jetzt müsse alles dafür getan werden, „nicht die Fliehkräfte in Europa zu stärken, sondern die Kräfte des Zusammenhalts“, so Seibert am Montag weiter. Deutschland will von Großbritannien nach dem „Brexit“-Referendum baldige Klarheit über den weiteren Fahrplan zum Austritt aus der EU. „Die Bundesregierung will keine Hängepartie“, betonte Seibert. „Das kann auch in niemandes Interesse in Europa sein. Wir haben ein klares Verhalten. Daran sollten wir uns halten.“

Seibert verwies darauf, dass nach Artikel 50 der europäischen Verträge die Mitteilung über einen Austritt nur von Großbritannien selbst kommen könne. Zugleich machte er deutlich, dass die deutsche Regierung nicht übermäßig lange darauf warten will. Wenn die britische Regierung dafür „noch eine überschaubare Zeit“ brauche, werde das respektiert.

Frankreich: Wer vertritt Briten?

Großbritannien muss nach den Worten des französischen Außenministers Jean-Marc Ayrault rasch entscheiden, wer das Land bei Austrittsverhandlungen vertritt. Großbritannien müsse das Problem seiner Vertretung klären, damit man die Tagesordnung und den Zeitplan der Verhandlungen in Angriff nehmen könne, sagte Ayrault am Montag der Nachrichtenagentur Reuters in Prag, wo Gespräche mit den osteuropäischen EU-Staaten stattfinden.

Ayrault schloss aus, dass Großbritannien nach einem Austritt aus der EU automatisch einen ähnlichen Status wie die Schweiz erhält, die zwar Zugang zum EU-Binnenmarkt hat, ohne sich dem Prinzip der vollen Freizügigkeit der EU anzuschließen. Die Möglichkeit bestehe zwar, es gebe sie aber nicht automatisch, sagte er.

Merkel: Fliehkräfte bekämpfen

Merkel sprach sich laut Teilnehmerangaben in einer Telefonkonferenz des CDU-Bundesvorstands gegen eine schnelle Vertiefung der Euro-Zone als Antwort auf den „Brexit“ aus. Man müsse die Fliehkräfte in der EU der 27 verbleibenden EU-Staaten bekämpfen, habe sie gemahnt. Es gebe große Sorge auf den internationalen Finanzmärkten, dass die gesamte EU nicht mehr regierbar sei. Diese Regierbarkeit müsse aber unbedingt erhalten werden.

„Brexit“ - aber wann?

EU-Vertreter drängen auf einen raschen Beginn der Austrittsverhandlungen. Dazu muss aber zuerst Großbritannien offiziell um die Aufnahme solcher Gespräche bitten - und da hat es niemand eilig.

Die EU solle sich nun vor allem um die Themen kümmern, bei denen die Bürger große Erwartungen an die Union hätten: Das betreffe etwa den Schutz der EU-Außengrenzen, die Arbeitsplätze und die innere Sicherheit, habe die CDU-Vorsitzende betont. Man müsse zudem stärker daran erinnern, dass die EU ein Friedensprojekt sei. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) habe wie andere Teilnehmer der Telefonkonferenz kritisiert, dass der Koalitionspartner SPD nun schnelle Antworten auf den „Brexit“ fordere. Man müsse immer die wirtschaftliche Entwicklung im Blick haben.

Ohne Antrag weiter EU-Mitglied

Großbritannien bleibe ohne einen Austrittsantrag volles Mitglied der EU, sagte ein Sprecher der Europäischen Kommission am Montag in Brüssel. Auf die Frage, ob die Briten Vollmitglied bleiben, wenn keine Notifizierung auf einen Exit erfolgt, sagte der Sprecher: „Korrekt“.

Verhandlungen über ein Ausscheiden Großbritanniens aus der EU könnten nicht ohne einen Austrittsantrag begonnen werden. Sollte doch ein Antrag kommen, könne jetzt noch nichts über den Inhalt der Verhandlungen gesagt werden. „Wir befinden uns am Beginn eines Prozesses. Wenn der Artikel 50 ausgelöst wird, haben wir eine Verhandlungsperiode von zwei Jahren, die dann zu einem formalen Austritt führt.“ Aber es sei zu früh, über konkrete Konsequenzen für Großbritannien oder die EU zu spekulieren.

Keine Klärung auf Gipfel?

Die EU-Austrittsverhandlungen mit Großbritannien sollen nach Worten eines ranghohen EU-Diplomaten von EU-Ratspräsident Donald Tusk geleitet werden. Ein EU-Diplomat eines osteuropäischen EU-Staates sagte am Montag in Brüssel, die Verhandlungen müssten vom Rat und nicht von der EU-Kommission geführt werden, sie seien außerdem „Chefsache“.

Vom EU-Gipfel am Dienstag und Mittwoch ist indes keine endgültige Klarheit über die britische Position zu erwarten. „Es scheint, dass sich die Situation von Stunde zu Stunde ändert“, sagte ein EU-Diplomat. Der scheidende britische Premier David Cameron soll auf dem EU-Gipfel darlegen, wie es beim britischen Referendum am Donnerstag zu einer Mehrheit für einen EU-Austritt Großbritanniens gekommen sei. Gleichzeitig soll vom EU-Gipfel ein Signal der Geschlossenheit der 27 anderen EU-Staaten ausgehen.

Es müsse jetzt ein Nachdenkprozess eingeleitet werden, was in der EU schiefgehe, sagte ein Diplomat. Gleichwohl müsse es dazu am Mittwoch noch keine Ergebnisse geben. Der Gipfel sei erst der Start einer viel allgemeineren Diskussion. Auch die EU-Kommission trage für das Ergebnis in Großbritannien Verantwortung, sagte ein osteuropäischer Diplomat.

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