Lieber in EU als in Großbritannien
Immer mehr jener Folgen, vor denen Gegner des „Brexit“ vor der Abstimmung am Donnerstag eindringlich gewarnt haben, scheinen tatsächlich einzutreten: Neben wirtschaftlicher Unsicherheit ist vor allem die Einheit des Vereinigten Königreichs gefährdet. Schottland kündigte am Samstag an, erneut über den Austritt aus dem Königreich abstimmen zu wollen.
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Konkret trifft die schottische Regionalregierung Vorbereitungen für ein zweites Referendum über die Unabhängigkeit des nördlichen Landesteils von Großbritannien. Die notwendigen rechtlichen Schritte würden jetzt vorbereitet und eigene Gespräche mit der EU aufgenommen, sagte Regierungschefin Nicola Sturgeon am Samstag in Edinburgh nach einem Treffen des Kabinetts.
„Das Kabinett hat zugestimmt, dass wir umgehend Gespräche mit EU-Institutionen und anderen EU-Mitgliedsstaaten aufnehmen, um alle Möglichkeiten auszuloten, Schottlands Platz in der EU zu schützen.“

APA/AFP/Oli Scarff
Sturgeon kündigt am Samstag vor ihrem Amtssitz in Edinburgh die nächsten Schritte an
Schottlands Grüne auch dafür
Schon im Vorfeld der Kabinettssitzung hatten die schottischen Grünen Zustimmung zu einem erneuten Unabhängigkeitsreferendum signalisiert. Ein Referendum sei klar eine Option. Für einen solchen Schritt müsse es aber eine eindeutige Zustimmung in der Öffentlichkeit geben. Die regierende Nationalpartei ist im Parlament auf die Unterstützung der Grünen-Abgeordneten angewiesen.
2014 noch 55 Prozent für Verbleib
2014 hatten 55 Prozent der Schotten in einem Referendum gegen die Unabhängigkeit Schottlands gestimmt. In der Volksabstimmung über den „Brexit“ stimmte eine deutliche Mehrheit der Schotten für den Verbleib in der EU, insgesamt waren aber 52 Prozent der Briten für den Austritt.
Bereits vor der Abstimmung hatte Schottlands Nationalpartei SNP, die mit absoluter Mehrheit regiert, ein zweites Unabhängigkeitsreferendum für den „Brexit“-Fall ins Gespräch gebracht.
„Deutlicher Wandel“
Ansatz für ein neuerliches Votum dürfte ein Passus im Programm der SNP sein, in dem es um ein mögliches neues Unabhängigkeitsreferendum geht. Ein solches soll angestrebt werden, wenn sich ein „deutlicher und materieller Wandel“ gegenüber den Rahmenbedingungen der Abstimmung vom September 2014 ergibt, bei der die Schotten noch für den Verbleib im Königreich votierten. Dieser „Wandel“ wäre durch den EU-Austritt mehr als gegeben.
Allerdings ist natürlich noch lange nicht sicher, dass die Schotten bei einem neuerlichen Referendum für die Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich stimmen würden. Denn ein Ausscheiden aus Großbritannien würde eine neue Landgrenze zu England schaffen - mit allen Folgen für Freizügigkeit und Wirtschaft der Schotten.
130.000 Londoner für Verbleib in EU
Übrigens: In den Sozialen Netzwerken nehmen einige User ihren Frust über das „Brexit“-Votum mit Humor - und schlagen aufgrund der Tatsache, dass Schottland und London klar für den EU-Verbleib stimmten, einen Zusammenschluss zu „Scotlond“ vor:
Mehr als 130.000 Londoner sprechen sich unterdessen für einen Verbleib der britischen Hauptstadt in der EU aus. Bis Samstagnachmittag wurde diese Zahl an Unterzeichnern einer entsprechenden Petition auf der Onlineplattform change.org registriert. Der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan wird darin aufgefordert, die Hauptstadt für unabhängig zu erklären und ihren Beitritt zur Europäischen Union zu beantragen.
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