Absturz wird neu untersucht
Im Zuge neuer Ermittlungen zur Ursache des Absturzes einer polnischen Regierungsmaschine im russischen Smolensk sollen die Särge der Opfer wieder geöffnet werden. Das teilte die Staatsanwaltschaft des Landes Ende Juni mit. Bei dem Absturz im Jahr 2010 kamen neben mehreren Regierungsmitgliedern, Militärs und dem Notenbankchef auch der damalige Präsident Lech Kaczynski und seine Frau ums Leben.
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Kaczynskis Zwillingsbruder Jaroslaw ist heute Chef der Regierungspartei Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) und Drahtzieher der nationalkonservativen Regierung, die seit November des Vorjahrs wieder das Sagen im Land hat.
Schon mit Amtsantritt angekündigt
Die PiS kündigte schon mit Regierungsantritt an, die Ermittlungen zu dem Flugzeugabsturz neu aufzurollen. Verteidigungsminister Antoni Macierewicz, der nach der Katastrophe mit einem eigenen Untersuchungsbericht Spekulationen über einen Anschlag geschürt hatte, setzte zunächst einen neuen Untersuchungsausschuss an. Im März berief der polnische Justizminister und Generalstaatsanwalt Zbigniew Ziobro dann eine neue Kommission von Staatsanwälten ein, die das Unglück neu aufrollen sollte.
Untersuchung stellte Pilotenfehler fest
Ein Untersuchungsbericht des Innenministeriums der Vorgängerregierung machte Pilotenfehler für die Katastrophe beim Landeanflug im Nebel verantwortlich. Der Bericht wurde mittlerweile im Internet gesperrt. Vor allem Kaczynski hat die Unglückstheorie und die Einschätzung, dass es sich bei dem Absturz um einen Pilotenfehler gehandelt habe, nie akzeptiert.

APA/AFP/Wojtek Radwanski
Kaczynski bei der Gedenkfeier zum sechsten Jahrestag des Unglücks
Kaczynski vermutet eine Explosion an Bord des Flugzeugs. Außerdem machte er den damaligen Ministerpräsidenten und heutigen Präsidenten des Europäischen Rates, Donald Tusk, indirekt für den Absturz mitverantwortlich.
96 Tote
Neben Präsident Kaczynski und seiner Frau befanden sich die Befehlshaber der polnischen Streitkräfte, Zentralbankchef Slawomir Skrzypek, Vizeverteidigungsminister Stanislaw Komorowski und der stellvertretende Außenminister Andrzej Kremer an Bord der Maschine. Auch mehrere Parlamentarier sowie die engsten Mitarbeiter Kaczynskis starben.
Personenschützer verurteilt
Am Tag der Ankündigung der Exhumierung wurde der ehemalige Vizechef des polnischen Staatsschutzes BOR, General Pawel Bielawny, zu einer Bewährungsstrafe und einem Bußgeld in Höhe von 10.000 Zloty (rund 2.500 Euro) verurteilt. Nach Auffassung des Gerichts hatte der Beamte, der für den Personenschutz führender Politiker zuständig war, bei der Vorbereitung der Reise nach Smolensk in Russland seine Pflichten nicht ausreichend erfüllt.
Der Flughafen von Smolensk hätte überhaupt nicht als Landeort in Betracht gezogen werden dürfen. Kaczynski reagierte zufrieden auf die Entscheidung des Gerichts. „Ich hoffe, es wird noch weitere Urteile geben“, sagte er.
Belastungsprobe für Verhältnis zu Russland
Die neuen Untersuchungen könnten auch die Beziehungen zwischen Polen und Russland weiter belasten. Die PiS hat Russland zwar nie direkt vorgeworfen, für den Absturz und den Tod des damaligen polnischen Präsidenten verantwortlich zu sein. Russland habe aber davon profitiert, lautet die Position der Partei. Außerdem warfen PiS-Funktionäre Russland vor, die Ermittlungen zu verzögern und den Polen Beweisstücke vorzuenthalten.
Schon der Grund der Reise war heikel: Die polnische Delegation flog damals nach Smolensk, um der von sowjetischen Sicherheitskräften ermordeten polnischen Offiziere und Intellektuellen zu gedenken. Rund 22.000 Polen wurden 1940 im russische Katyn getötet. Jahrzehntelang hatte die Sowjetunion Nazi-Deutschland für das Massaker an den Polen verantwortlich gemacht.
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