Gefährliche Schönheit
Er hat bunte Streifen, lange Stacheln und eine verheerende Wirkung auf bestehende Ökosysteme: Wo der ursprünglich im Süpazifik und Indischen Ozean beheimatete Rotfeuerfisch (engl.: Lionfish) einfällt, wird es für viele andere Arten eng. Nun dürfte der gestreifte Räuber Kurs auf das Mittelmeer genommen haben.
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Laut der Internationalen Union zur Bewahrung der Natur und natürlicher Ressourcen (IUCN) wurde der Tropenbewohner im östlichen Mittelmeer gesichtet - genauer vor den Küsten Zyperns und der Türkei. Manchen Taucher mag das jubeln lassen. Denn optisch machen die zur Familie der Skorpionfische gehörenden Räuber ordentlich etwas her. Bis zu 38 Zentimeter können die Fische groß werden, sind einmal braun, einmal orange, einmal rot gestreift und erinnern mit ihren langen Stacheln und großen Flossen an unterseeische Drachen. Doch die Schönheit trügt.
Bote des Klimawandels
Die Sichtungen zeigten, „dass sich der Fisch ausbreitet, und das ist ein Grund zur Sorge“, so IUCN-Mitarbeiterin Maria del Mar Otero. Laut der Umweltschutzorganisation wurde der Fisch zuvor auch vor der tunesischen und libanesischen Küste gesehen. Seine erste bestätigte Sichtung war allerdings vor der Küste Israels - schon vor 25 Jahren.
Hinter den nun geäußerten Befürchtungen der Umweltschützer mag dennoch mehr als reiner Alarmismus stehen. Die zuletzt häufigeren Sichtungen des Tropenfisches im Mittelmeer können auch als Zeichen klimatischer Veränderungen verstanden werden. In den vergangenen 25 Jahren erhöhte sich die Wassertemperatur des Mittelmeers um mehr als 0,75 Grad Celsius - und zwar nicht nur an der Oberfläche, sondern bis in tiefere Wasserschichten hinein. Bis 2050 prognostizieren Forscher für das östliche Mittelmeer gar einen Anstieg um 1,5 Grad.

APA/EPA/Ahmad Yusni
Der Rotfeuerfisch ist so schön wie gefährlich
Fische, denen es im Mittelmeer bisher zu kalt war, könnten in Zukunft ideale Bedingungen vorfinden. So berichten Taucher bereits von regelmäßigen Begegnungen mit dem Mondfisch bis in die Adria hinauf. Der bis zu drei Meter große Knochenfisch ist zwar schon länger im Mittelmeer beheimatet, seine Ausbreitung in den vergangenen Jahren dürfte aber sehr wohl mit den höheren Wassertemperaturen zu tun haben.
Sueskanal öffnet Tür ins Mittelmeer
Meeresbewohnern, die bisher im Mittelmeer noch nicht heimisch waren, steht über den Sueskanal die Tür weit offen - umso mehr, als Ägypten die Wasserstraße erst vergangenes Jahr ausbaute. Im Ballastwasser der großen Tankschiffe können invasive Arten in kurzer Zeit weite Strecken zurücklegen. Erst vergangenes Jahr schaffte es der Hasenkopf-Kugelfisch in die Medien. Mehrere Menschen vergifteten sich im östlichen Mittelmeer-Raum an dem Fisch. Eingewandert über den Sueskanal gelangte er inzwischen sogar bis vor die Küsten Italiens und Spaniens.
Experten bezeichneten ihn damals als den „schlimmsten fremdartigen Fisch“ im Mittelmeer. Den Rang könnte ihm nun der Feuerfisch ablaufen. Zwar ist sein Gift - anders als das des Kugelfischs - für Menschen im Normalfall nicht tödlich. Doch den Kugelfisch muss man essen, um sich zu vergiften. Beim Feuerfisch reicht ein Stich durch eine der giftigen Stacheln. Heftige Schmerzen, manchmal auch Erbrechen und in seltenen Fällen Atemstillstand sind die Folgen einer solchen Begegnung.
Fressreise durch die Karibik
Noch gefährlicher als für den Menschen ist der Fisch für andere Meeresbewohner. Wie verheerend das Eindringen des Räubers in ein bestehendes Ökosystem sein kann, zeigte sich in den vergangenen Jahren in der Karibik. Dort breitete sich der Fisch im Golf von Mexiko bis nach Kuba und Jamaika aus. Den Anfang nahm die Invasion möglicherweise nach dem Hurrikan „Andrew“ 1992 in Florida. Damals entkamen Feuerfische aus einem beschädigten Aquariumbecken ins Meer. Womöglich zeichneten für die Invasion auch Aquaristen verantwortlich, die (Stichwort: „Findet Nemo“) den Fisch aus ihren Aquarien im Atlantik aussetzten.
Auf jeden Fall fühlte sich der Tropenbewohner im warmen Wasser des Golfs ausgesprochen wohl - sehr zum Nachteil der dort heimischen Tiere. Ohne natürliche Feinde konnte sich der Räuber ungehindert durch die karibische Meeresfauna fressen. Innerhalb weniger Jahre führte das zu einer Dezimierung der ursprünglichen Riffbewohner, darunter sowohl kleine Fische als auch Schalentiere.
Essen gegen die Invasion
Der Raubfisch wurde zu einer Bedrohung für das Ökosystem und damit auch der Fischer, die in den Gewässern ihre Lebensgrundlage haben. Mittlerweile versuchen die Karibik-Staaten des Fisches auf kulinarische Weise Herr zu werden - und forcieren seine Verwendung als Speisefisch. Er landet in Kuba ebenso wie in Jamaika und an der Atlantikküste Mexikos auf dem Teller. Seit wenigen Wochen liegt der giftige Meeresbewohner auch in den Fischtheken der US-amerikanischen Supermarktketten Whole Foods und Wegman’s. Die giftigen Stacheln sind dann bereits entfernt.

Reuters/Christa Cameron
In der Karibik machen Fischer gezielt Jagd auf den tierischen Eindringling
In Honduras probieren es Taucher darüber hinaus mit tierischer Unterstützung. Sie versuchen Haie daran zu gewöhnen, Feuerfische zu fressen. Bisher machen die großen Raubfische einen Bogen um die stachelbewehrten Invasoren - ein Faktum, das vor drei Jahren eine Studie der Universität von North Carolina bestätigte. Die einzige Chance, die Zahl der Fische einzudämmen, sei, sie aus dem Meer zu fischen, stellten die Wissenschaftler damals fest.
Nicht immer eine invasive Art verantwortlich
Darauf müssen sich wohl auch die Küstenbewohner des Mittelmeers einstellen. Sollte sich der Feuerfisch im Mittelmeer ausbreiten „könnte das einen großen negativen Einfluss auf das Ökosystem und auch die lokale Wirtschaft haben“, so Carlos Jimenez, Meeresbiologe am Cyprus Institute. Laut Jimenez könnte eine solche Schwächung den Einfall weiterer invasiver Arten begünstigen.
Vielleicht braucht es dazu aber auch gar nicht den Feuerfisch. Denn anders als in der Karibik ist die unterseeische Tafel im Mittelmeer schon seit Jahren nicht mehr reich gedeckt. Dafür verantwortlich ist kein eingewanderter Tropenfisch, sondern einzig der Mensch mit seinem Fischhunger.
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