Büro veröffentlichte Fotos
Nur Stunden, nachdem Istanbuls Polizei eine Kundgebung für die Rechte Homosexueller gewaltsam aufgelöst hatte, hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die berühmteste Transsexuelle des Landes zum Fastenbrechen eingeladen.
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Montag veröffentlichte Erdogans Büro ein Foto vom Vorabend, das ihn und seine Frau Emine an einem Tisch mit Schauspielstar Bülent Ersoy zeigt. Die 64-Jährige gehörte zu den Gästen beim Iftar (Fastenbrechen) in Erdogans Istanbuler Residenz.
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Bülent Ersoy, Erdogan, dessen Ehefrau Emine Erdogan und die Sängerin Sibel Can
Schwulendemo gewaltsam aufgelöst
In ersten Reaktionen mokierten sich Internetnutzer über den Hang des türkischen Präsidenten zu widersprüchlichem Verhalten. Wenige Stunden zuvor war die Polizei gewaltsam gegen Dutzende Anhänger der Homosexuellenbewegung vorgegangen, die an einer Demonstration in der Nähe des Taksim-Platzes in Istanbul teilnahmen.
Die Beamten setzten nach Angaben eines AFP-Fotografen Gummigeschosse und Tränengas ein, um die Kundgebung aufzulösen.
AP/Emrah Gurel
Die Sicherheitskräfte nehmen einen Demonstranten fest
Hunderte Spezialkräfte im Einsatz
Etwa 50 Anhänger der Homosexuellen-Bewegung und rund hundert Unterstützer nahmen an der Demonstration teil. Sie sahen sich einem Sicherheitsaufgebot von mehreren hundert Spezialkräften gegenüber. Als diese gewaltsam gegen die Demonstration vorgingen, flohen die Teilnehmer in die umliegenden Gassen. Laut türkischen Medienberichten wurden zwei Demonstranten festgenommen.
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Die Polizei will nicht fotografiert werden
Die Demonstranten hatten sich zuvor vor einem Büro der Homosexuellenbewegung nahe dem Taksim-Platz versammelt und dort die Regenbogenfahne aufgehängt - das Symbol der Bewegung der Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender (LGBT). Ein Aktivist wurde von einem Polizisten daran gehindert, vor den anwesenden Journalisten eine Erklärung zu verlesen.
Gay-Pride-Parade für Sonntag verboten
Vor der LGBT-Demonstration waren laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Dogan rund ein Dutzend Homosexuellengegner zum Taksim-Platz vorgedrungen. Sie seien von den Sicherheitskräften festgenommen worden. Einer der Demonstranten habe „Wir sind Ottomanen, wir wollen hier solche Leute nicht“, gerufen.
APA/AFP/Ozan Kose
Ein Polizist feuert gezielt Gummigeschoße auf fliehende Demonstranten
Die Demonstration mit dem Titel „Trans Pride“ fand im Zusammenhang mit der beginnenden LGBT-Woche in der Türkei statt, in deren Rahmen zahlreiche Veranstaltungen geplant sind. Die Istanbuler Behörden hatten am Freitag bekanntgegeben, die für Sonntag als Höhepunkt der LGBT-Woche geplante Gay-Pride-Parade zu verbieten. Die Behörden begründeten das mit Sicherheitsbedenken, LGBT-Aktivisten werteten das Verbot als verfassungswidrig.
Anti-Islamisten-Demo gewaltsam aufgelöst
Erst am Samstag war die Polizei in Istanbul gewaltsam gegen eine Demonstration vorgegangen, bei der gegen die Stürmung eines Plattenladens durch Islamisten protestiert wurde. Die rund 500 Demonstranten wurden von der Polizei mit Tränengas und Gummigeschossen auseinandergetrieben.
Die Demonstranten am Samstag skandierten „Faschisten“ und „Mörder“ an die Adresse der Regierung. Der Protest richtete sich gegen einen Übergriff auf Fans der Rockgruppe Radiohead am Freitagabend in einem Plattengeschäft. Die Angreifer hatten den jungen Leuten vorgeworfen, in dem für Muslime heiligen Monat Ramadan Alkohol getrunken zu haben.
Die Radiohead-Fans hatten im Geschäft das neue Album der Band „A Moon Shaped Pool“ gehört. Damit feierten Anhänger der Gruppe auf der ganzen Welt zeitgleich die Veröffentlichung des Albums und übertrugen die Veranstaltung live im Internet. Das Video zeigt, wie mehrere Männer unter lauten Rufen das Plattengeschäft stürmen, Menschen auf die Straße treiben und vor dem Geschäft Möbel umwerfen.
Erdogan: Beide Seiten schuld
Erdogan verurteilte die brutale Attacke der Islamisten, gab aber gleichzeitig den Musikfans eine Mitschuld. Beide Seiten seien für den Zwischenfall verantwortlich, sagte er der Nachrichtenagentur Dogan. Die Anwendung „brutaler Gewalt“ sei ebenso verkehrt wie der öffentliche Genuss von Alkohol während des Fastenmonats. Kritiker werfen Erdogan eine schleichende Islamisierung der Türkei vor.
Radiohead verurteilten den Angriff. Es sei ein Akt „gewalttätiger Intoleranz“, teilte die britische Rockband am Samstag im Magazin „Rolling Stone“ mit. „Wir schicken unseren Fans in Istanbul unsere Liebe und Unterstützung“, hieß es in der Mitteilung. Die Band hoffe, dass solche Angriffe bald der fernen Vergangenheit angehören würden.
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