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Langwieriger Rechtsstreit programmiert

Der deutsche Volkswagen-Konzern wird in den USA zumindest einen Teil seiner Sorgen los. Verfahren zu „Dieselgate“ sollen per Vergleich beigelegt werden, es geht um Hunderte Schadenersatzklagen.

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Am Dienstag kommender Woche läuft die von US-Bezirksrichter Charles Breyer in San Francisco gesetzte Frist ab, bis zu der VW einen mit den US-Behörden ausgearbeiteten Entschädigungsplan präsentieren muss. Der Vergleich soll auch für mehr als 600 Sammelklagen gelten, mit denen der deutsche Konzern in den USA konfrontiert ist. Die Rede ist von einem „Meilenstein“.

„Bei dem Vergleich kommt es darauf an, dass die Verbraucher gut wegkommen und kein Interesse mehr haben zu klagen“, zitierte die Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag einen namentlich nicht genannten Insider. Ideal wäre, wenn 80 bis 90 Prozent der Verbraucher die Vereinbarung akzeptierten. „Das Ziel ist, dass die Mindestquoten für Sammelklagen nicht erfüllt werden.“

Feilschen bis zur letzten Minute

Wegen der Vielzahl an Klägern und Behörden sei davon auszugehen, dass bis zur letzten Minute verhandelt werde. Bei einer Vereinbarung werde es ein „Statement of Facts“ geben, eine detaillierte Sachstandsbeschreibung über die Manipulationen. Diese sei dann offiziell anerkannt und Grundlage für Bußgelder und Strafen.

Nach Aussage der mit den Gesprächen vertrauten Person wird am Dienstag oder Mittwoch, dem Tag der VW-Aktionärsversammlung, die Veröffentlichung einer Art „Dieselgate“-Zwischenbilanz angestrebt. VW hatte auf Druck der US-Umweltbehörde EPA und deren kalifornischen Pendants CARB im September 2015 zugegeben, Dieselabgaswerte durch eine illegale Software manipuliert zu haben.

Kosten noch nicht absehbar

Bei einem Vergleich, und danach sieht es nach der Grundsatzeinigung im April aus, dürfte auch klarer werden, wie viel die Abgasmanipulation in den USA Volkswagen kosten wird. Der Konzern hat für die Reparatur der weltweit elf Mio. betroffenen Dieselfahrzeuge sowie für Bußgelder und Schadenersatz 16,2 Mrd. Euro zur Seite gelegt und hofft, damit den größten Teil der Risiken abgedeckt zu haben. Insider und Analysten schätzen, dass allein der Kompromiss in Amerika VW zehn Mrd. Dollar (rund 8,9 Mrd. Euro) kosten könnte.

In Europa dürfte der Schadenersatz dagegen sehr viel niedriger ausfallen. VW argumentiert damit, dass die betroffenen Fahrzeuge nach der Umrüstung dem technischen Stand entsprechen und weitere Forderungen unbegründet seien. Bisher haben erst wenige Gerichte Autobesitzern das Recht zugesprochen, ihren Wagen gegen Erstattung des Kaufpreises zurückzugeben.

Grundsatzeinigung steht

Auf Grundzüge des Plans in den USA, der den Rückkauf von fast einer halben Million manipulierter Dieselfahrzeuge mit 2,0-Liter-Motor und eine substanzielle Entschädigung der Autobesitzer vorsieht, hatte sich der Konzern bereits vor zwei Monaten mit den US-Behörden geeinigt. Teil der Vereinbarungen sind auch zwei US-Umweltfonds, in die VW einzahlen soll - einen Fonds zur Wiedergutmachung von Umweltschäden durch überhöhte Stickoxidemissionen und einen weiteren zur Förderung umweltschonender Antriebe.

Die Fondslösung könnte an die Stelle der vom US-Justizministerium angedrohten Strafe wegen Umweltverstößen rücken. Hier standen anfangs bis zu 46 Mrd. Dollar im Raum. Juristen gingen allerdings schon vor mehreren Monaten davon aus, dass die Strafe geringer ausfallen dürfte. Welche Summe Volkswagen in die Fonds einzahlen wird, ist noch nicht bekannt.

Strafrechtliche Ermittlungen laufen weiter

Insgesamt sind in den USA fast 600.000 Fahrzeuge von Manipulationen betroffen, rund 480.000 davon mit 2,0-Liter-Motor. Noch keine Lösung gab es zuletzt für die rund 85.000 Dieselfahrzeuge mit 3,0-Liter-Motor. Richter Breyer hat aber bereits angekündigt, dass auch dieses Thema „zügig“ angegangen werde. Bei Fahrzeugen mit diesen Motoren war eine in den USA beanstandete Softwarefunktion nicht ausreichend bei den Behörden angemeldet worden. Der von Audi entwickelte Dieselmotor ist in mehreren Fahrzeugen des Ingolstädter Oberklasseherstellers sowie beim VW Touareg und dem Porsche Cayenne eingebaut.

Einen Schlussstrich kann VW damit voraussichtlich nur unter den zivilrechtlichen Streit über die halbe Million US-Fahrzeuge mit Zweilitermotoren ziehen. Die strafrechtlichen Ermittlungen wegen Betrugs in Zusammenhang mit dem Abgasskandal gehen in den USA weiter. Auch die Schadenersatzklagen von Investoren, die sich durch den Kursverfall der VW-Aktie im Zuge von Dieselgate geschädigt sehen, sind mit dem Vergleich nicht vom Tisch. Bis die juristische Aufarbeitung endgültig abgeschlossen werden kann, dürften noch einige Jahre vergehen.

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