„Alarmierende Qualifikationsdefizite“
Die EU-Kommission will „alarmierende Qualifikationsdefizite“ bei den europäischen Bürgern beseitigen. Die Brüsseler Behörde legte am Freitag eine europäische „Kompetenzagenda“ vor. Damit sollen die Kompetenzen der EU-Bürger verbessert werden.
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Laut dem Vizepräsidenten der EU-Kommission, Jyrki Katainen, können derzeit 70 Millionen Menschen in der EU nicht ausreichend lesen und schreiben. Noch mehr Menschen hätten Defizite beim Rechnen und bei den digitalen Kompetenzen. Dadurch seien sie von Arbeitslosigkeit, Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht, so die Kommission.
„Digital“-Koalition geplant
Angesichts der Millionen von Arbeitslosen müsste alles getan werden, damit sich diese Menschen jene Kompetenzen aneignen, die auf dem Arbeitsmarkt gebraucht werden. Es gehe um eine Verbesserung der EU-weiten grenzübergreifenden Anerkennung von Qualifikationen bis hin zur Unterstützung gering qualifizierter Erwachsener beim Erwerb von Kompetenzen.
Gleichzeit wolle man den EU-Qualifikationsrahmen überarbeiten und eine „Koalition für digitale Kompetenzen und Arbeitsplätze“ ins Leben rufen, die es Akteuren aus den Mitgliedsstaaten, dem Bildungswesen, dem Arbeitsmarkt und der Wirtschaft ermöglichen soll, gemeinsam ein großes Reservoir an IT-Fachkräften zu schaffen. Mit einer „Blaupause zur Branchenzusammenarbeit für Kompetenzen“ soll die Erfassung von Daten über Kompetenzen verbesser werden.
Investition in Kapital Mensch gefordert
EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen verlangte verstärkte Investitionen in das „Humankapital“, was Beschäftigungsfähigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum in Europa fördere. Katainen sagte angesichts der jüngsten Flüchtlingsbewegung, bei der Kompetenzagenda müssten auch Zugewanderte einbezogen werden. Sie müssten so schnell wie möglich ihren Beitrag für die Gesellschaft leisten können.
Eine am Freitag veröffentlichte Studie zur Arbeitsmarktlage in der EU stellt fest, dass das Risiko der Langzeitarbeitslosigkeit für schlecht qualifizierte Personen seit Beginn der Wirtschaftskrise im Jahr 2008 am stärksten gestiegen ist.
Österreich beschloss Ausbildungspflicht
Der jüngste Vorstoß der österreichischen Regierung zur Vorbeugung von Qualifikationsdefiziten ist eine Einigung auf die Ausbildungspflicht bis zum Alter von 18. Die Maßnahme wurde am Dienstag im Ministerrat beschlossen. Sie gilt ab Herbst nächsten Jahres. Ab 2017/2018 soll es damit keinen Jugendlichen mehr geben, der nach Abschluss der Schulpflicht keine weiterführende Ausbildung absolviert.
„Wer nur einen Pflichtschulabschluss hat, wird dreimal leichter arbeitslos und viermal öfter Hilfsarbeiter“, so Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) in einer Aussendung. „Das können wir nicht akzeptieren.“ Mit dem neuen Gesetz vermeide man frühzeitige Bildungsabbrüche und damit, dass junge Menschen „dann unter niedrigem Einkommen sowie starker Betroffenheit von Arbeitslosigkeit und Armut leiden müssen“.
In die Pflicht genommen werden zuvorderst die Erziehungsberechtigten, die melden müssen, wenn ihre Kinder keine Ausbildung machen. Als Ansprechpartner dafür dienen bereits bestehende Koordinierungsstellen, die dafür aufgestockt werden. Auch Schulen, Arbeitsmarktservice, Sozialministeriumservice, Lehrlingsstellen etc. sollen regelmäßig Meldung erstatten. Wenn der betreffende Jugendliche vier Monate danach keine Ausbildung begonnen hat, gilt das als „Bildungsabbruch“, und er wird von der Koordinierungsstelle kontaktiert.
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