Virtuose der modernen Musik: Gedenken an György Ligeti
Das Weltall bildet den idealen Raum für viele Stücke György Ligetis. Verborgene Strukturen in der Weite, Stille und doch ein wenig Bedrohlichkeit - Elemente, die auch die Musik des ungarisch-österreichischen Komponisten bestimmten. Ligeti starb heute vor genau einem Jahrzehnt im Alter von 83 Jahren in Wien und zählte zu den meistgespielten zeitgenössischen Komponisten.
Odyssee mit Stanley Kubrick
Nicht umsonst lieh sich Stanley Kubrick Ligetis „Atmospheres“ 1969 für sein Weltraumepos „2001: Odyssee im Weltraum“. Der Film machte Ligetis Kompositionen einem Massenpublikum bekannt. Reich machte er ihn nicht: Lediglich 3.000 Dollar erhielt Ligeti, und selbst diesen Betrag musste er vor Gericht erstreiten.

APA/Alexander Ruesche
Ligeti im Jahr 2003
Das Orchesterstück war acht Jahre zuvor im deutschen Donaueschingen uraufgeführt und so begeistert gefeiert worden, dass es wiederholt werden musste.
Komplexität und Virtuosität
Komplexität und Virtuosität waren zwei Säulen, die Ligeti an Musik besonders wichtig waren - beides zwar „kein Selbstzweck“, aber „etwas, wo man Neues finden kann“. Auch außereuropäische Musik spielte eine wichtige Rolle im Schaffen Ligetis.
Ligetis Konzeption bereicherte die Musikwelt nicht nur um in sich verwobene Klangflächenkompositionen. Den Abbau von Komplexität und die physikalische Maßeinheit der Unordnung, Entropie, etwa illustriert sein „Poeme symphonique“ für 100 Metronome, die zu Beginn eine nicht differenzierbare Klangfläche formen, nach und nach jedoch verstummen - und dann zunehmend komplexere rhythmische Strukturen preisgeben.
Vater und Bruder starben in KZ
Ligeti wurde am 28. Mai 1923 in Dicsöszentmarton (heute Tirnaveni) in eine ungarisch-jüdische Familie in Siebenbürgen (Rumänien) geboren. Er wuchs in Klausenburg (Cluj) auf. Im Alter von zehn Jahren schrieb er seine ersten Kompositionen. Nach der Matura studierte Ligeti Musiktheorie und Orgel.
1944 wurde er zum Arbeitsdienst der ungarischen Armee einberufen, im April 1945 traf er seine Mutter wieder, die Auschwitz überlebt hatte, während sein Vater in Bergen-Belsen und sein Bruder in Mauthausen umgekommen waren. 1956 verließ er Ungarn „mit einer Aktentasche mit ein paar Partituren und einer Zahnbürste“ unterm Arm, wie er einmal sagte.
Zu unbegabt zum Dirigieren
Seine internationale Karriere startete Ligeti in den späten 1950er Jahren. Damals, bereits mit österreichischer Staatsbürgerschaft, arbeitete er in Köln mit einer avantgardistischen Kompositionsgruppe um Pierre Boulez, Karlheinz Stockhausen und Luigi Nono zusammen.
Nebenbei begann er zu unterrichten, unter anderem an der Stockholmer Musikhochschule und der Hamburger Musikhochschule. Unterrichtet habe er „nicht gerne - aber ich musste immer unterrichten, als Dirigent war ich nicht begabt, das habe ich aufgegeben.“
Ligeti erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Österreichischen Staatspreis (1990), den Ersten Preis des Internationalen UNESCO-Wettbewerbs (1969), das Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst der Republik Österreich (1987), den Sibelius-Preis der Jenny und Antti Wihuri-Stiftung (2000) und den Polar-Preis (2004). Daneben war Ligeti Mitglied des Österreichischen Kunstsenats und Ehrenmitglied zahlreicher Orchester und Vereinigungen.