EM-Songs beschwören Einigkeit und Stärke
Musik gehört zu Fußballgroßereignissen wie der Ball und die zwei Tore. Während bei der Europameisterschaft in Frankreich in den Stadien die jeweiligen Landeshymnen mehr schlecht als recht intoniert werden, produzieren Stars und die, die es gerne wären, mehr oder weniger stimmungsmachende Lieder zur EM.
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Mit dem offiziellen Song zur Fußball-EM 2016, „This One’s For You“, wurde kein geringerer als der Pariser DJ und Produzent David Guetta betraut. Dass die Wahl auf Guetta gefallen ist, überrascht kaum, denn er ist das Aushängeschild der französischen Musikszene.
Dancenummer mit einer Million Backgroundsängern
Gesanglich unterstützt wird Guetta nicht nur vom schwedischen Popsternchen Zara Larsson. Eine Million Fans aus aller Welt rief der 48-Jährige im Vorfeld auf, sich an der Produktion von „This One’s For You“ zu beteiligen. „Die Musik bringt genau wie der Sport Menschen zusammen, und deshalb bitte ich die Fans in der ganzen Welt, sich rund um das Fußballfest zu vereinen und mir zu helfen, diese Hymne aufzunehmen“, so Guetta.
Auf einer eigens eingerichteten Website konnten Fans Aufnahmen erstellen, die der Hitproduzent dann in den Song mischte. Mit seiner EM-Hymne, einem für Guetta typischen Dancetrack, eröffnet der Star-DJ die EM gleich zweimal. Vor der feierlichen Eröffnung des ersten Spiels am Freitag gab Guetta Donnerstagabend ein Eröffnungskonzert in der Fanzone vor dem Eiffelturm.
Frankreichs Liebe zum Team
Dass die offizielle EM-Hymne auf Englisch gesungen wird, ist ein Zeichen der internationalen Verbindung und Verständigung. Aber die Tatsache, dass Frankreichs „Equipe“ mit einer englischsprachigen Nummer angefeuert werden soll, ist so manchem Franzosen ein Dorn im Auge. Andre Vallini, Staatssekretär für die Pflege der französische Sprache, zeigte sich gar nicht erfreut, als eine textlich abgewandelte Version des Kiss-Klassikers „I Was Made For Loving You“ als offizieller EM-Song der Gastgebernation präsentiert wurde.
„I Was Made For Lovin‘ You, My Team“ heißt der Song der französischen Band Skip the Use. Sie setzten sich bei einem Wettbewerb des französischen Fußballverbands durch, weil sie einfach deutlich fußballbegeisterter wirkten als ihre Konkurrenz. Es sei bestürzend, dass die Wahl auf ein englischsprachiges Lied gefallen sei, sagte Vallini. Die EM müsse Frankreich und die französische Sprache erstrahlen lassen, so Vallini, die Entscheidung hält er für „bestürzend und unverständlich“.
Österreichs „Traum niemals näher“
Sprachliche Außergewöhnlichkeiten gibt es hierzulande nicht. Der Österreichische Fußball-Bund (ÖFB) schickt die Nationalelf mit dem offiziellen EM-Song von Klaus Eberhartinger und der Band Schmidhammer nach Frankreich.
„Das sind wir“ ist dank der Begleitung der sechsköpfigen Band von Xandl Schmidhammer eine leicht rockige Nummer, Eberhartingers Stimme klingt allerdings so defensiv wie selten. Im halbwegs eingängigen Refrain „Nie war es stärker, nie war es härter, nie war es besser, (...) dem Traum niemals näher (...) als heut’ und hier“ singt der EAV-Frontman Eberhartinger völlig ironiefrei - und auch ohne den typischen EAV-Witz - vom Topzustand der Mannschaft.
Fußballsongs: Tops und Flops
Star-DJ David Guetta liefert den offiziellen Song für die EM in Frankreich, Österreichs EM-Lied kommt von Klaus Eberhartinger und der Band Schmidhammer. International gibt es ganz unterschiedliche Nummern.
Loblied aufs österreichische Wunderteam
Das Team hochleben lässt auch das Lied, mit dem Heinz aus Wien mit Unterstützung des österreichischen Rekordtorschützen Toni Polster auf die EM einstimmen möchten. Die Band hat ihren acht Jahre alten Fansong zur EM 2008 aktualisiert und zum Song „Das neue Wunderteam“ umgetextet. Im Gegensatz zur alten Nummer träumt die Band im neuen Lied schon jetzt vom EM-Thron. Dass Polster noch einmal zum Mikrofon griff, lag an der Initiative der Firma Eskimo, die mit diesem Lied auch einen Fansong zur EM besteuern will. Polsters Unterstützung hält sich aber in Grenzen, denn getragen wird die Indie-Rock-Nummer von Heinz.
Mit persönlicher Hymne nach Frankreich
Auch der Wiener Hip-Hop-Musiker A.geh Wirklich? beschäftigt sich in seiner Nummer „Forza Österreich“ , mit dem Team. Zusammen mit dem Musiker Kid Pex rappt er in einer Mischung aus Teamtrikot und Gangsterlook in der für ihn typisch ironischen Weise über „Alaba mit seine Haberer“.
Während die österreichischen EM-Lieder alle nationalen Fußballhelden feiern, reist der nordirische Torschützenkönig Will Grigg mit einer ganz eigenen Fanhymne nach Paris. „Will Grigg’s on fire“ wurde erst von den Fans des Stürmers gesungen, dann professionell von DJ Kenno eingespielt und landete in den britischen Charts sogar auf Platz sechs. Bei seinen Mannschaftskollegen kam die Nummer so gut an, dass sie für die BBC eine eigene Version aufnahmen.
Deutsche Melancholie ohne Stimmung
Gleich zwei EM-Songs begleiten den amtierenden Weltmeister Deutschland nach Frankreich, wenn auch keiner davon vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) stammt. Die beiden übertragenden Sender, Das Erste und das ZDF, haben jeweils einen eigenen EM-Song in Auftrag gegeben, um die Berichterstattung akustisch zu branden.
Mark Forster, der deutsche Singer-Songwriter, singt für das ZDF „Wir sind groß“ . Im Rahmen der Berichterstattung wird das Lied des Deutsch-Popsängers auf und ab gespielt werden. Stilistisch ähnelt es Andreas Bouranis Nummer „Auf uns“, das nach dem Sieg Deutschlands bei der WM 2014 zur Fußballhymne wurde, textlich ist es aber deutlich melancholischer als der Stimmungsmacher.
Die ARD präsentierte kurz vor dem EM-Start einen Song von Herbert Grönemeyer und DJ Felix Jaehn. Mit „Jeder für jeden“ wollte die ARD einen EM-Song zum Mitsingen und Mitfiebern produzieren. Das Endprodukt ist ein typisch träger „Grönemeyer“ und auch die House-Beats des jungen DJ Jaehn tragen nur wenig zur Auflockerung seiner üblichen schweren Texte bei.
Deutschlands Vielseitigkeit
Neben den zwei großen Songs der öffentlich rechtlichen Rundfunkanstalten brachten diverse deutsche Künstler musikalische Beiträge zur EM hervor. Die Bandbreite reicht von Heino, mit seiner aufgepeppten, rockigen Coverversion von „Fußball ist unser Leben“, über den beliebten Sky-Kommentator Wolff-Christoph Fuss mit seiner Heavy-Metal-Nummer „Holt das Ding“ bis hin zu Ballermann-Trash: Melanie Müller, RTL-Dschungel-Queen, sang mit Stefan Stürmer die Single „Ab nach Frankreich“ ein. An Fußball erinnern hierbei nur die Nachnamen der beiden Interpreten.
Mit einem „EM-Song für besorgte Bürger“ und besonders für Anhänger der rechtspopulistischen Partei AfD ließ die Band Revolverheld in der NDR-Satireshow „extra3“ aufhören. Die Coverversion ihrer Hitsingle „Lass uns gehen“ versah die deutsche Rockband mit neuem Text und klarer Aussage: „Für uns bist du raus“ ist ihre Botschaft an jene Deutsche, die der Truppe aus Boatengs, Mustafis, Özils und Sanes wegen ihres kulturellen Hintergrunds nicht zujubeln wollen.
Nichts übertrifft den englischen Klassiker
Auch in England kursieren einige inoffizielle musikalische Beiträge zur EM. Besonders trashig wirkt „Gonna Win the Euros“ der Band The 1966. In Masken ihrer Fußballhelden tanzen die Sänger im Video – die Produktion kostete keine 20 Pfund - durch London.
Ein offizieller Song der englischen Nationalelf wurde heuer nicht vorgestellt. Möglicherweise weil bisher kein neues Lied dem englischen Fußballklassiker „Three Lions“ das Wasser reichen konnte. Der Refrain „It’s coming home, it’s coming home, it’s coming, football’s coming home“ hat mehr als nur Ohrwurmcharakter.
Die EM-Hymne schlechthin, die zur englischen Heim-EM 1996 von David Baddiel, Frank Skinner und den Lightning Seeds geschrieben wurde, war - und ist immer noch - so beliebt, dass sie zwei Jahre später als WM-Titel fungierte. Auf die Frage der BBC, warum es heuer keinen offiziellen Song für England gibt, antwortete Koautor Baddiel zu Recht unbescheiden: „Weil ‚Three Lions‘ allen anderen Fußballhymnen den Garaus gemacht hat. Es ist die beste Hymne aller Zeiten.“
Wales: EM-Sieger der Songs
Potenzial zu einer annähernd so guten Fanhymne hat der heurige Song von Wales. Denn im Vergleich zur internationalen Konkurrenz steht mit „Together Stronger (C’mon Wales)“ der EM-Sieger der Fansongs schon vor dem Anpfiff fest. Die walisische Band Manic Street Preachers lieferte eine rockige, mitreißende und vor allem mitgröltaugliche Nummer, eine Eigenschaft, die alle anderen Lieder missen lassen.
Schon der Anfang bringt die Fans in die richtige Stimmung, wenn der emotionsgeladene BBC-Kommentator vom entscheidenden, siegreichen EM-Qualifikationsspiel erklingt. Über 50 Jahre mussten sich die Waliser in Geduld üben, bis sie sich wieder für ein Fußballgroßereignis qualifizieren konnten.
Die anschließende Hommage aktueller und vergangener walisischer Fußballhelden mit eingängiger Melodie hat das Zeug zu einem neuen Fanklassiker. Ähnlich wie in „Three Lions“ werden auch in „Together Stronger“ Teile des harten Schicksals der walisischen Fußballgeschichte aufgearbeitet. Vielleicht ist ja das das Geheimnis für eine wirklich gute Fußballhymne.
Lilian Spatz, ORF.at
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