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Gauck erklärt Entscheidung

Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck wird sich im nächsten Jahr nicht für eine zweite Amtszeit zur Wahl stellen. Das kündigte der 76-Jährige am Montag im Schloss Bellevue in Berlin an. „Ich möchte für eine erneute Zeitspanne von fünf Jahren nicht eine Energie und Vitalität voraussetzen, für die ich nicht garantieren kann.“

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Gauck hob hervor, die Entscheidung sei ihm nicht leicht gefallen. „Ich bin dankbar, dass es mir gutgeht. Gleichzeitig ist mir bewusst, dass die Lebensspanne zwischen dem 77. und dem 82. Lebensjahr eine andere ist als die, in der ich mich jetzt befinde“, sagte Gauck. Bis zum Ende seiner Amtszeit im März 2017 werde er aber sein Amt wie bisher „mit Hingabe und auch mit Freude“ ausüben. Deutschland habe funktionierende Institutionen, sodass der Wechsel im Amt des Bundespräsidenten kein Grund zur Sorge sei, sondern „vielmehr demokratische Normalität“. Das gelte auch in schwierigen Zeiten.

Christian Wulff mit Frau Bettina und Joachim Gauck mit Partnerin Daniela Schadt

Reuters/Fabrizio Bensch

Gauck und sein Vorgänger Christian Wulff 2010

Der frühere evangelische Pfarrer und langjährige Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde war im Mai 2012 von einer Fünfparteienallianz aus CDU, CSU, FDP, SPD und Grünen zum Nachfolger des zurückgetretenen Präsidenten Christian Wulff gewählt worden. Die Amtszeit eines deutschen Bundespräsidenten dauert fünf Jahre. Maximal sind zwei Amtsperioden möglich.

„Werde ich fertig mit den Belastungen?“

Bereits im April hatte Gauck in einem Interview mit dem Deutschlandfunk sein Ringen mit der Frage beschrieben, ob er die Aufgabe für weitere fünf Jahre übernehmen soll. Es gehöre zu seinen Pflichten, „ganz realistisch über die eigenen Kräfte und Möglichkeiten nachzudenken“, sagte er damals und sprach auch über die Frage: „Werde ich fertig werden mit den Belastungen, auch wenn ich dann über 80 Jahre sein werde?“ Als Argument für ein Weitermachen nannte er den Zuspruch aus der Bevölkerung und den dadurch entstehenden „inneren Druck“.

Merkel kündigt Beratungen an

Die deutsche Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel kündigte Beratungen über die Union hinaus zu einem Nachfolgekandidaten für Gauck an. „Wir werden nicht nur zwischen CDU und CSU Gespräche führen, wir werden auch darüber hinaus Gespräche führen“, sagte die CDU-Vorsitzende am Montag in Berlin. „Wir werden jetzt in aller Ruhe ... im Lichte der Zusammensetzung der Bundesversammlung geeignete Entscheidungen treffen.“ Merkel sagte zudem, sie hätte sich eine zweite Amtszeit Gaucks gewünscht.

Keine zweite Amtszeit für Gauck

Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck sagte in einer Pressekonferenz, warum er nicht für eine zweite Amtszeit zur Verfürgung steht.

Der bayrische CSU-Chef Horst Seehofer sprach sich ebenfalls dafür aus, in Ruhe nach einem Nachfolger zu suchen. „Zu einem hektischen Übereifer besteht kein Anlass“, so der bayrische Ministerpräsident am Montag in München. „Die CSU wird in aller Ruhe mit Vernunft und Disziplin die Nachfolgefrage behandeln.“ Die CSU respektiere die Entscheidung Gaucks, bedauere sie aber auch.

Auch SPD-Chef Vizekanzler Sigmar Gabriel schlägt in eine ähnliche Kerbe. „Es werden in den nächsten Wochen und Monaten alle mit allen reden", so Gabriel. Er streute Gauck auch Rosen."Er hat das eingehalten, was wir damals wussten oder uns gedacht haben - dass er Ecken und Kanten hat. Ich bedaure, dass er keine zweite Amtszeit macht.“

Bundesversammlung wählt Nachfolger

Die nächste Wahl des deutschen Bundespräsidenten ist für Februar 2017 angesetzt. Die Besetzung des höchsten Amts im Staate wird nicht wie in Österreich direkt vom Volk, sondern in der Bundesversammlung gewählt. Darin sitzen die 630 Abgeordneten des deutschen Bundestags und die gleiche Zahl von Vertretern der deutschen Bundesländer - also nach derzeitigem Stand insgesamt 1.260 Wahlmänner und -frauen.

Die Ländervertreter werden in einem komplizierten Verfahren entsprechend dem Bevölkerungsanteil ihres Bundeslandes und der Parteienstärke in ihren Landtagen aufgestellt. Vor der Bundespräsidentschaftswahl finden noch in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern Landtagswahlen statt. CDU und CSU haben zwar die meisten Stimmen in der Bundesversammlung, nicht jedoch die absolute Mehrheit, die im ersten und zweiten Wahlgang nötig ist; mit den grünen Stimmen rechnerisch jedoch schon.

Vorgriff auf deutsche Bundestagswahl

Die ohnehin schon komplizierte Gemengelage der deutschen Politik gut ein Jahr vor der Bundestagswahl ist durch die Gauck-Ankündigung noch komplizierter geworden - vor allem für Merkel und Gabriel.

Applaus für Wahlgewinner Joachim Gauck

Reuters/Tobias Schwarz

Gauck bei seiner Wahl durch die deutsche Bundesversammlung

Die Kandidatensuche ist so delikat, weil viele in der Spitze von CDU/CSU und SPD vor der Bundestagswahl ein Signal in Richtung einer weiteren Großen Koalition scheuen. Das Bündnis der beiden Großparteien gilt als Notlösung und solle nicht durch eine politische Weichenstellung wie die Präsidentschaftswahl quasi vorbereitet werden, heißt es.

Joachim Gauck und Norbert Lammert

Reuters/Fabrizio Bensch

Gauck schüttelt bei seiner Angelobung dem Präsidenten des deutschen Bundestags, Norbert Lammert, die Hand

Erste Namen genannt

Nach dem Verzicht von Gauck forderten die Fraktionschefs von CDU/CSU und SPD im deutschen Bundestag, Volker Kauder und Thomas Oppermann, Ruhe und Sachlichkeit bei der Suche nach einem Nachfolger. „Dies gebietet der Respekt vor dem höchsten deutschen Staatsamt, das Joachim Gauck gegenwärtig in so hervorragender Art und Weise ausfüllt“, erklärte Kauder am Montag in Berlin.

Als potenzielle Nachfolger genannt werden unter anderem Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). „Der Spiegel“ berichtete am Wochenende, aus taktischen Gründen könnten CDU und CSU kurz vor der deutschen Bundestagswahl, die im Herbst 2017 ist, keinen gemeinsamen Kandidaten mit SPD oder Grünen präsentieren. Aus der Linken und der SPD wurden Stimmen laut, die einen gemeinsamen rot-rot-grünen Bewerber fordern. Auch hier würden Politbeobachter bereits einen Vorgriff auf die Bundestagswahl und eine mögliche Koalition herauslesen.

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