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Mönch mit Erfindergeist

Ob pur getrunken oder als Bestandteil des G’spritzten - ohne prickelndes Wasser kein richtiger Sommer. Bevor Erfrischungsgetränke im großen Stil abgefüllt wurden, hatte Sodawasser aus der Siphonflasche größte Bedeutung. Heute liegt das Wassersprudeln aufgrund des Ökogedankens vermehrt im Trend. Als Erfinder der Sprudeltechnik aus der Flasche gilt der ungarische Benediktiner Anyos Jedlik.

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Wissenschaftlich entdeckt und dokumentiert wurde der Effekt bereits im Jahr 1772. Der britische Theologe, Philosoph, Chemiker und Physiker Joseph Priestley experimentierte damals mit Schwefelsäure. Er leitete die Säure in eine kalkhaltige Lösung ein, um das so entstandene Kohlenstoffdioxid weiter in Wasser zu lösen.

In der Folge ergab sich der perlende Effekt, der in einer Zeit, als Seuchen und Epidemien Europa noch regelmäßig plagten, eine sehr nützliche andere Wirkung zeigte als nur der Zunge und den Geschmacksnerven zu schmeicheln: Kohlensäure ist in der Lage, Keime zu töten. Priestley erhielt für seine Entdeckung die begehrte Wissenschaftsauszeichnung Copley Medal.

Sprudeln gegen Cholera

Dieser Effekt der Kohlensäure beschäftigte einige Jahrzehnte später den jungen Ungarn Anyos Jedlik - einen Bauernsohn, der im Jahr 1800 im heute in der Slowakei liegenden Zemne geboren wurde und der als Schüler am Benediktinergymnasium in Bratislava früh mit der Wissenschaft in Berührung kam.

Denkmal in Form einer Siphonflasche

picturedesk.com/Zuma/Artur Widak

Jedlik-Gedenkbrunnen in Györ in Form einer Sodaflasche

Jedlik trat in der Folge in Bratislava in den Orden der Benediktiner ein, und der Legende nach soll der naturwissenschaftlich Interessierte erstmalig mit Kohlensäure experimentiert haben, um seine Mitbrüder in Erstaunen zu versetzen - es mag ihm wohl gelungen sein. Doch eigentlich war es dem neugierigen Geistlichen ein Anliegen, mit einfach herzustellendem Sodawasser Cholerakranke zu heilen.

Kein geschäftliches Glück

Jedlik machte sich an die Entwicklungsarbeit. Das Ergebnis war das technische Prinzip der Sodawasserherstellung mittels Siphonflasche, wie sie über Jahrzehnte führend war und wie sie heute nach wie vor in Verwendung ist. Doch wie so viele große Erfinderköpfe hatte Jedlik in geschäftlichen Belangen eine weniger glückliche Hand als bei der Forschung. Das zur Verbreitung der Technik gegründete Unternehmen schlitterte bald in den Konkurs. Das große Geschäft mit den Sodasprudlern machten in der Folge andere.

Der Benediktinermönch, der 1825 zum Priester geweiht wurde, sorgte allerdings in einem anderen naturwissenschaftlichen Segment für Furore. Jedlik gilt heute als einer der Pioniere der ungarischen Physik und Chemie, der nach dem Sodawasser im Bereich der Elektrizität höchst erfolgreich forschte.

Vielseitige Forschungsinteressen

Jedlik entwickelte im Jahr 1829 einen frühen Gleichstrommotor. Ab dem Jahr 1839 war der Geistliche Professor für Physik an der Universität Budapest. Dort leistete er weiterhin technische Pionierarbeit. Jedlik zählt zu den frühen Entdeckern der elektromagnetischen Rotation, und er hat das dynamoelektrische Prinzip bereits im Jahr 1853 beschrieben - allerdings ohne davon praktischen Gebrauch zu machen. Erst im Jahr 1861 versuchte Jedlik, eine Dynamomaschine zu entwickeln.

Elektromotor vom ungarischen Physiker Anyos Jedlik

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Jedlik war auch Forscher und Entdecker im Bereich der Elektrizität

Werner von Siemens, dem die Entdeckung des Dynamoprinzips zugeschrieben wird, ging mit seinen Darstellungen erst im Jänner 1867 in Form eines Vortrags an der Berliner Akademie der Wissenschaften an die Öffentlichkeit. Damals haben sich viele Forscher gleichzeitig mit dem dynamoelektrischen Prinzip beschäftigt. Der dänische Physiker Soren Hjorth war mit seiner Beschreibung des Phänomens noch um einige Jahre früher dran als Jedlik.

Teil der Wiener Weltausstellung

Die Innovationen des Universitätsprofessors erlangten Bekanntheit über Budapest hinaus. Im Jahr 1873 waren Jedliks elektrische Maschinen und seine technischen Experimente mit Batterien etwa im Rahmen der Weltausstellung in Wien zu sehen. Und angesichts seiner wissenschaftlichen Erfolge rückte Jedliks früherer Beitrag zur Sodawasserkultur entsprechend in den Hintergrund – auch wenn die Technik mit der Siphonflasche im Lauf des 19. Jahrhunderts zu boomen begann.

Sprudeln als Umweltansatz

Der Boom hatte seinen Höhepunkt überschritten, als damit begonnen wurde, kohlensäurehaltige Getränke in Glasflaschen zu füllen. Dort, wo das Leitungswasser im Lauf der Geschichte zunehmend mit Chlor und weiteren Stoffen versetzt wurde, um keine gesundheitlichen Risiken einzugehen, hatte das Sprudeln aus geschmacklichen Gründen ohnehin ein Ende.

Und die PET-Flaschen haben aufgrund ihrer Leichtigkeit zunächst ihr Übriges getan, um selbst hergestelltes Sodawasser unattraktiver zu machen – Umweltgedanken und eine zunehmende Skepsis gegenüber Plastik spielen dem Selbstsprudeln in jüngster Vergangenheit allerdings wieder in die Hände.

Ein Wasser, viele Wahrheiten

Doch Wasser kennt viele Trends. Etwa jenen hin zu Wasser mit weniger oder gar keiner Kohlensäure, weil das der Gesundheit dienlicher sei. Die deutsche Zeitung „Die Welt“ ortete ähnliche Mechanismen wie im Fall von glutenfreien Nahrungsmitteln. Wenig Kohlensäure gilt im Marketing längst als Verkaufsargument - auf vielen Produkten prangen entsprechende Hinweise auf ein besonders bekömmliches Trinkerlebnis.

Ob etwas dran ist, entscheidet jeder für sich: Sprudelwasser stehe exemplarisch für die Widersprüche, in denen sich der Mensch der Post- und der Postpostmoderne befindet, schreibt „Die Welt“ über die vielen Wahrheiten hinsichtlich der Wirkweise von Wasser, die dank Internet in alle Richtungen beflügelt würden.

Vier Gramm pro Liter

Was sich in Österreich Sodawasser nennen darf, bestimmt das österreichische Lebensmittelbuch bis aufs Gramm. Tafelwasser mit einem Mindestgehalt von vier Gramm Kohlenstoffdioxid pro Liter darf sich demnach Sodawasser nennen.

Und abseits von gesund und ungesund gilt es als erwiesen, dass prickelndes Wasser für eine bessere Durchblutung der Mundschleimhaut sorgt. Wer zum Essen trinkt, schmeckt mehr. Die Vermarktung von Wasser als sinnlichem Erlebnis kommt nicht von ungefähr. Und was das Gesundheitliche anbelangt, hat Anyos Jedlik das viele Sodawasser auf keinen Fall geschadet. Er verstarb 1895 hochbetagt im 96. Lebensjahr.

Johannes Luxner, ORF.at

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