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Kinder besonders stark betroffen

Im Kontext der Armutsbekämpfung haben zuletzt schärfere Regeln für Migranten in Oberösterreich und Niederösterreich hinsichtlich des Anspruchs auf die Mindestsicherung für Debatten gesorgt. Hintergrund ist, dass die Zahl der Bezieher und damit die Kosten für die Länder zuletzt stark stiegen.

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Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) will deshalb die Bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS) in die Bundeskompetenz verlagern - doch das dürfte nach aktuellem Stand der Verhandlungen wohl eher nicht passieren. Umstritten ist derzeit auch noch die von der ÖVP geforderte Deckelung der BMS. Das würde kinderreiche Familien treffen.

Stöger fordert eine Residenzpflicht - also die Verpflichtung für arbeitslose Flüchtlinge, den Wohnsitz in einem vorgeschriebenen Bezirk zu haben. Ziel ist es, damit die starke Konzentration von Flüchtlingen in den Städten zu vermeiden. Derzeit würden die Arbeitssuchenden oft einfach nicht dort leben, wo es auch Jobs gebe, argumentiert man im Sozialressort und befürchtet negative Folgen für die Integration.

Armutskonferenz vs. ÖVP NÖ

Die ÖVP Niederösterreich wirbt unterdessen seit Kurzem mit der Verschärfung der Mindestsicherung. Auf Plakaten findet sich unter anderem der Slogan „Wer arbeiten geht, darf nicht der Dumme sein. Den Ärmsten müssen wir helfen, den Faulen nicht.“ Die Armutskonferenz wirft der ÖVP NÖ aber nun vor, dass die Kampagne „diffamierend und falsch“ sei.

Falsch sei etwa das darin genannte Beispiel eines Tischlers und seiner Familie, die laut VP NÖ weniger Geld zur Verfügung hat als eine ebenfalls vierköpfige Familie, die Mindestsicherung bezieht. Ansprüche und Vorteile von unselbstständig Beschäftigten, wie etwa das 13. und 14. Monatsgehalt, Kinderfreibetrag oder Pendlerpauschale würden „einfach unter den Tisch fallen gelassen". Die Armutskonferenz fordert daher ein Ende der „abwertenden und falschen Rede über Mindestsicherungsbezieherinnen und -bezieher“. Die ÖVP Niederösterreich wies in einer Aussendung Montagnachmittag die Kritik umgehend zurück.

Finanzkrise warf Österreich weit zurück

Die Armutsgefährdung in Österreich ist in den vergangenen Jahren leicht gesunken. 18,3 Prozent der Bevölkerung zählten im vergangenen Jahr zur Risikogruppe, ergab eine Erhebung der Statistik Austria, die Mitte April vorgestellt wurde. 2008 waren es noch 20,6 Prozent. In den vier Jahren vor der Finanzkrise - 2004 bis 2007 - war die Zahl von 18,3 auf 16,8 Prozent gesunken. Das heißt nichts anderes, als dass Österreich nach den bereits sieben Jahre andauernden Folgen der weltweiten Finanzkrise noch immer deutlich vom Vorkrisenstand entfernt ist.

1,5 Millionen Menschen waren im Jahr 2015 aufgrund ihres geringen Einkommens, erheblicher Einschränkungen in zentralen Lebensbereichen oder einer niedrigen Erwerbsbeteiligung in Österreich armuts- oder ausgrenzungsgefährdet. 385.000 Menschen sind zudem von mindestens zwei dieser drei Merkmale betroffen. Der europäische Durchschnitt stieg von 23,7 Prozent 2008 auf 24,5 Prozent 2014.

1,5 Millionen gefährdet

Österreich steht damit freilich im EU-Vergleich gut da. Das Europa-2020-Ziel für Österreich sieht eine Reduktion um 235.000 Personen vor. Trotzdem sprach Sozialminister Stöger bei der Präsentation der aktuellen Zahlen von „Handlungsbedarf“.

Zu den Risikogruppen zählen in Österreich laut Statistik Einelternhaushalte, kinderreiche Familien, Langzeitarbeitslose, Personen mit ausländischer Staatsbürgerschaft und gering Qualifizierte. Personen mit Lehrabschluss sind nur halb so oft von Armut oder Ausgrenzung betroffen wie jene mit Pflichtschulabschluss. „Es ist daher besonders wichtig, dass jeder junge Mensch eine Ausbildung erhält, die über den Pflichtschulabschluss hinausgeht", betonte Stöger. Auch die Ausbildungspflicht sei daher eine wichtige Maßnahme zur Armutsbekämpfung.“

Jeder vierte Betroffene ist ein Kind

Fast ein Viertel der Armuts- und Ausgrenzungsgefährdeten (24 Prozent bzw. 380.000 Personen) waren in Österreich Kinder und Jugendliche unter 20 Jahren. Das Risiko sozialer Ausgrenzung lag für diese Altersgruppe mit 22 Prozent über dem der Gesamtbevölkerung (18,3 Prozent).

34 Prozent dieser Gruppe ist es laut Erhebung etwa nicht möglich, an kostenpflichtigen Freizeitaktivitäten wie Sport- oder Musikkursen teilzunehmen. Jedes zweite Kind (48 Prozent) aus einem armuts- oder ausgrenzungsgefährdetem Haushalt muss auf einen jährlichen Urlaub verzichten.

Stöger gegen Populismus

Immerhin zeige sich für Österreich - anders als im EU-Schnitt - ein positiver Trend, betonte auch Stöger. Dennoch gebe es genug zu tun. Vor allem will der Sozialminister laut eigener Aussage Sicherheit geben. Populismus sei in der Sozialpolitik der falsche Weg, warnte er.

Stöger kritisierte auch, dass immer weniger Lehrplätze in Österreich geschaffen und damit weniger qualifizierte Fachkräfte ausgebildet würden: „Da hört man, dass alle jammern, dass sie sie nicht haben. Aber warum bilden sie sie dann nicht aus?“

Mehrere NGOs, darunter die Diakonie, versuchen derweil, Vorwürfe von Kritikern der Mindestsicherung, diese werde vor allem von Flüchtlingen missbraucht, zu entkräften. Die Caritas verwies zuletzt in einer Aussendung darauf, dass ein Viertel aller Bezieher Kinder sind. Und die Diakonie versucht, wiederholt geäußerte Kritik mit Fakten und Argumenten zu entgegnen.

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