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Enormer Bevölkerungszuwachs

Acht Quadratmeter stehen einem Bewohner der indischen Wirtschaftsmetropole Mumbai im Schnitt zur Verfügung. Zu diesem Ergebnis kommen aktuelle Berechnungen der Millionenstadt im Zuge der Erneuerung ihres Stadtentwicklungsplans. Ein großer Teil der rund 20 Millionen Einwohner lebt in den riesigen Slums in der Stadt, die etwa so groß ist wie Wien.

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In einem Slum bleiben noch 2,73 Quadratmeter pro Person. Und dort wird der Platz auch noch knapper. Zum einen steigen die Landpreise, zum anderen kommen immer mehr Menschen aus dem Hinterland nach Mumbai. Hier finden sie mehr Arbeit. Seit Anfang der 90er Jahre hat sich die Bevölkerung Mumbais verdoppelt. Neben der Skyline des Businessdistrikts wird daher nun statt einstöckiger Hütten auch in manchen Slums immer mehr in die Höhe gebaut.

Mehrstöckige Häuser in einem Slum in Mumbai

Reuters/Danish Siddiqui

Slumbewohner versuchen, durch Aufstockungen mehr Platz zu gewinnen

Oft leben mehrere Familien in den notdürftig aus Holz, Steinen, Wellplastik, Eisenrahmen und Planen gezimmerten Hütten mit vier bis fünf Stockwerken. Die Stadtverwaltung drückt nicht zuletzt wegen der Wählerstimmen beide Augen zu. Denn legal sind diese Baukonstruktionen natürlich nicht. Vielmehr erwartet die Stadt offenbar ein weiteres Ansteigen der Bevölkerungsdichte in den Slums, wie ein Stadtbeamter gegenüber der Zeitung „Indian Express“ sagte.

Häuser bis zu 14 Meter hoch

Schon wird überlegt, die derzeit maximal erlaubte Bauhöhe in den Slums von rund vier auf mehr als fünf Meter zu erweitern. Damit würde die Politik der Realität aber weiterhin hinterherhinken. Manche der Bauten überschreiten bereits 14 Meter und mehr, berichtete das „Wall Street Journal“ („WSJ“). Die oberen Stockwerke sind häufig nur über schmale Metallleitern zu erreichen, die an den Außenwänden angelehnt sind. In den oberen Stockwerken können die Temperaturen an manchen Tagen auch auf bis zu 50 Grad steigen.

Durch die mangelhafte Bauweise wächst die Einsturzgefahr. Besonders während der Monsunsaison klappen viele Hütten in den Slums zusammen. Auch Brände breiten sich rasant in den eng bebauten Slums aus. Über einstürzende Gebäude in diesen Wohngegenden werden keine offiziellen Aufzeichnungen geführt. Gehört einem die Hütte nicht selbst, ist die Miete nicht billig. Laut „WSJ“ kostet ein Raum in einem dieser baufälligen mehrstöckigen Hütten 150 Dollar (knapp 135 Euro) pro Monat.

„Slums werden noch dichter“

Für den Großteil der Bevölkerung von Mumbai gibt es keine Alternative zu den Slums. Sporadische Versuche der Stadt, die Bewohner aus den innerstädtischen Slums in Hausprojekte in den Vororten umzusiedeln, stießen immer wieder auf heftigen Widerstand, lagen diese Orte doch zu weit weg von den jeweiligen Arbeitsplätzen. „Slums werden noch dichter“, ist die indische Stadtplanerin Amita Bhide im „WSJ“-Interview überzeugt. Die „Vertikalisierung“ sei eine Konsequenz von Indiens jahrzehntelangem Versagen, die für die wirtschaftliche Entwicklung notwendige Urbanisierung zu managen.

Südlicher Finanzdisrikt in Mumbai

Reuters/Danish Siddiqui

Mumbai mit zwei Gesichtern - Slums und das Wirtschaftsviertel

Die Stadt arbeitet derzeit an einem neuen Entwicklungsplan bis 2034. Bürgerrechtsgruppen kritisieren aber, dass Slums und ihre Bewohner aus diesem Planungsprozess ausgeschlossen wurden, berichtete die Zeitung „The Hindu“. Mumbais Status als Wirtschaftsmotor sei ein Schlüsselziel beim Entwurf des Entwicklungsplans gewesen, sagen mit dem Plan beauftragte Beamte. So sei etwa von neuen IT- und Biotech-Parks und einem weiteren Businessbezirk die Rede. Recht wenig öffentliche Gelder flossen hingegen bisher in Projekte, die finanzierbares Wohnen fördern, in sanitäre Anlagen und Transportinfrastruktur.

Ähnliche Entwicklungen beobachtete die Sondergesandte der UNO zum Thema adäquates Wohnen, Leilani Farha. Ganz Indien setzte sich zum Ziel, bis 2022 20 Millionen neuer Wohnungen für die arme Bevölkerung zu errichten. Farha fürchtet aber, dass diese Strategie an den Slumbewohnern und Obdachlosen völlig vorbeigeht. Kritiker wie Farha fürchten, dass diese Bauprogramme mit dem Bau neuer Häuser zu sehr auf Wirtschaftswachstum fokussieren statt bereits existierende Unterkünfte in Slums zu verbessern und Infrastruktur anzubieten.

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