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Furcht vor „Klumpenrisiko“

Die Österreicher sind wenige Tage vor dem Anpfiff der Fußball-EM in Frankreich in Euphorie, ist doch die Nationalelf erstmals aus eigener Kraft dabei. Wettanbieter wittern noch mehr Geschäft als sonst bei einer EM. Grund dafür sei der „größte Fußballhype, den Österreich je erlebt hat“, wie es vom Anbieter tipp3 heißt.

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Bereits jetzt, gut eine Woche vor dem Beginn der EM, spürten die Buchmacher ein „sehr hohes Wettaufkommen“, erklärt tipp3-Chef Philip Newald. Das sei bemerkenswert, denn für gewöhnlich „springt das erst mit den ersten Spielen an“. Wie üblich wetten viele Österreicher auf die favorisierte Fußballgroßnationen (etwa Frankreich, Deutschland oder England).

„Sehr patriotisches“ Wettverhalten

Doch bemerkenswert viele Wettkunden setzen Geld auf Erfolge des ÖFB-Teams. „Das Nationalteam und der Trainer Marcel Koller waren noch nie so beliebt“, sagt Newald. Viele trauten dem ÖFB-Team auch den Aufstieg ins Viertelfinale zu. Früher ungeahnte Zuversicht ortet auch der Onlinewettanbieter bet-at-home: „Die Österreicher wetten sehr patriotisch“, sagt Konzernsprecher Claus Retschitzegger. „Es wird auch viel auf den Gesamtsieg von Österreich gesetzt.“

Die Buchmacher von bet-at-home werden deswegen aber nicht nervös. „Österreich ist ein wichtiger Markt. Wir bieten aber auch im Ausland an, da gleicht sich das aus“, so Retschitzegger. Der zum teilstaatlichen Casinos-Austria-Konzern gehörende Anbieter tipp3 muss jedoch Vorkehrungen treffen. Vor lauter Wetten auf das ÖFB-Team befürchtet tipp3 ein „Klumpenrisiko“.

ÖFB-Trend erfordert Absicherung

„Weil so viele Kunden auf Österreich wetten, müssen wir durchaus die Spitzen abhedgen“, erklärt tipp3-Chef Newald. Konsequenz daraus: Tipp3 wettet selbst. „Wir setzen bei zwei großen englischen Buchmachern auf Österreich. Bei denen wetten wenige auf Österreich, die nehmen unsere Wetten gerne an.“ Diese Art von Absicherungsgeschäften ist in der Buchmacherbranche üblich. „Andere Länder haben das auch schon bei uns gemacht.“

Auslage eines Wettcafes

ORF.at/Roland Winkler

Geschäfte mit Wetten werden in Lokalen und im Internet gemacht

Dabei wird ein EM-Sieg des ÖFB-Teams (verglichen mit vergangenen Jahren) quotentechnisch nicht für gänzlich ausgeschlossen gehalten. Tipp3 zahlt derzeit bei einem Euro Einsatz das 30-Fache aus, bei bet-at-home ist es derzeit das 35-Fache. Die sicheren Tipps platzieren Wettkunden auf Frankreich - hier winkt derzeit eine Vervierfachung des Einsatzes. Ähnlich verhält es sich mit den Quoten auf Spanien und Deutschland.

Was bleibt wem?

Wie viel Wettkonzernen und Kunden unterm Strich bleibt, hängt von den Resultaten ab. Als Faustregel gilt: Außenseitersiege sind gut für die Kunden und schlecht für die Buchmacher, bei Favoritensiegen verhält es sich umgekehrt. Im Einzelfall spielen aber mehrere Faktoren mit. „Im Grunde genommen versucht der Buchmacher, dass er, egal wie das Spiel ausgeht, etwas gewinnt“, sagt Andreas Kreutzer von der Beratungsfirma Kreutzer Fischer & Partner.

Das Unternehmen erstellt alljährlich einen Bericht zum Glücksspielmarkt. Generell würden Einsätze über die Quote ausgeglichen, hier spiele wiederum die besagte Absicherung über Hedging eine Rolle. In Jahren mit Großereignissen seien die durchschnittlichen Einsätze geringer. „Da wetten mehr Leute, die sonst nicht wetten“, sagt Kreutzer.

„High Roller“ verlieren am meisten

Mit den „High Rollern“, wie der Branchenexperte Vielspieler nennt, verdienen die Anbieter in der Regel besser. Bei tipp3 beträgt der durchschnittliche Einsatz während einer EM laut Geschäftsführer Newald rund zehn bis 15 Euro, bei bet-at-home ist es Retschitzegger zufolge ebenfalls „ein niedriger zweistelliger Betrag. Es hängt aber auch vom Einkommensniveau der Länder ab.“

Fußballwettkunden sind nach wie vor männlich. „Unsere Kerngruppe sind Männer zwischen 18 und 45 und mit dem Internet vertraut“, sagt der bet-at-home-Sprecher. tipp3-Kunden sind hingegen nicht so sehr die rein „Wettaffinen“, sondern eher die, „die auch auf den Fußballplatz gehen“, so Geschäftsführer Newald. Männlich und zwischen 25 und 50 ist die Zielgruppe aber auch.

Jede vierte Sportwette online platziert

Tipp3 will während der EM 700.000 Wetten verkaufen. Das Unternehmen macht nur ein Viertel seines Wettumsatzes online, der Großteil läuft nach wie vor über die Trafiken. Dieses Verhältnis gilt laut Kreutzer für die gesamte Branche. „Bei Sportwetten werden nur 24 Prozent des Bruttospielertrags online gemacht.“ Keiner der vier größten Wettanbieter sei eine Onlinefirma. Mit Abstand die Nummer eins sei die Novomatic-Tochter Admiral, weiters vorne im Ranking seien Cashpoint, Wettpunkt und tipp3.

Großereignisse wie eine EM sind für Onlineanbieter jedenfalls wichtig, um die Marke bekannt zu machen und neue Kunden zu gewinnen. Ein Jahr mit einer EM beschert Wettfirmen üblicherweise einen 13. Umsatzmonat, eine Weltmeisterschaft sogar einen 14. Bei tipp3 kommt die heurige EM sogar an eine WM heran.

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