Konkurrenz auf dem Büromarkt
Neuer Wohnraum in schnell wachsenden Städten wie Wien ist Mangelware - nicht zuletzt aufgrund der begrenzten freien Bauflächen. Mit dem erwarteten Bevölkerungswachstum für die Bundeshauptstadt wird die Nachfrage noch weiter zunehmen. Verdichtung und Aufstockung sind eine Strategie, die Umnutzung bestehender Bürogebäude eine andere.
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„Die Büroräume sind schon da. Es ist sinnvoll, diese zu nutzen. Es wäre zu viel, wenn die Nachfrage aller Zuzüge mit der Erweiterung der Stadtgrenze abgedeckt würden“, ist Peter Ulm, Vorstandsvorsitzender des Projektentwicklers 6B47, im ORF.at-Interview überzeugt. Laut Bevölkerungsprognose wird Wien im Schnitt bis 2020 pro Jahr um über 17.000 Menschen - durch Zuzug und höhere Geburtenrate - wachsen. Ulm: „Dieser Wohnraumbedarf ist ohne Umnutzung und Verdichtung nicht zu bewältigen.“
Nachfrage abdecken
Die Immobilienbranche interessierte sich nicht zuletzt deshalb in den vergangenen Jahren vermehrt für ältere Bürogebäude, die in Wohnungen umgebaut werden können. 6B47 etwa übernahm bereits 2010 ein Bürogebäude in Nordbahnhof-Nähe, das damals 70 Prozent Leerstand aufwies, und errichtete darin 54 Wohnungen im mittleren Preissegment. Das Gebäude wurde erst 2003 errichtet, die Lage machte es aber für einen Bürostandort nach dem ersten Hype der 2000er Jahre unattraktiv.

APA/Herbert Pfarrhofer
Mit dem Austria Campus entstehen 300.000 Quadratmeter Büroflächen
Auch Sandra Bauernfeind, Immobilienexpertin bei Ehl Immobilien, erwartet in den nächsten Jahren eine weitere Steigerung des Trends zur Umnutzung. Ihren Schätzungen zufolge könnten fünf bis zehn Prozent der Wohnungsnachfrage pro Jahr in allen Preisklassen künftig so abgedeckt werden. Denn auch wenn der Büroleerstand von derzeit knapp unter sieben Prozent im internationalen Vergleich im unteren Bereich liegt, kommt doch in den nächsten beiden Jahren mit rund 600.000 Quadratmetern das Dreifache an neuen Büroflächen auf den Markt, was sonst pro Jahr an Vermietungsleistung in Wien vom Markt aufgenommen wird.
Wann ist ein Bürohaus alt?
Die Fertigstellung der neuen Büroflächen auf dem Hauptbahnhof, dem Austria Campus im zweiten Bezirk mit über 300.000 Quadratmetern und dem 26 Stockwerke hohen Orbi Tower in Erdberg mit zusätzlichen 25.000 Quadratmetern steht kurz bevor. Immobilienexperten erwarten sich dadurch neue Büroflächen von insgesamt rund 600.000 Quadratmetern, die 2017 und 2018 neu auf den Markt kommen.
„Neues Angebot schafft Nachfrage“, betont der Chef des Immobiliendienstleisters CBRE, Felix Zekely. Er erwartet, dass mit dem Überangebot Vermieter älterer Bürogebäude mit unattraktiven Standorten unter Druck geraten werden.
Alt ist Immofinanz-Chef Christian Traunfellner zufolge ein Bürohaus schon nach rund 15 bis 20 Jahren. Das müsse man aber auch je nach Lage differenzieren. Ehl-Kollegin Bauernfeind sieht vor allem Bürogebäude der 80er und 90er Jahre betroffen. Ältere Büros in Toplagen werden günstiger - um 15 Euro statt bis zu 25 Euro pro Quadratmeter - weitervermietet. In schlechteren Lagen ist nicht mehr als acht bis neun Euro herauszuholen, so Traunfellner.
Rendite zahlt sich aus
In solchen Fällen und in besonders guten Innenstadtlagen kann sich der Umbau in Wohnungen lohnen. „Vor allem in den inneren Bezirken gibt es inzwischen eine höhere Rendite bei Wohnungen als bei Büros. Vor zehn Jahren war es noch genau umgekehrt“, erklärt Herbert Zitter, Partner beim Immobilienstrategieberater M.O.O.CON. In einem palaisartigen Altbau im neunten Wiener Gemeindebezirk etwa kommen in einem ehemaligen Bürogebäude über 20 sanierte Altbauwohnungen und zwei Luxuspenthäuser auf den Markt.

6B47
Im denkmalgeschützten Philips-Gebäude entstehen Luxusapartments
Im ehemaligen Philips-Gebäude am Wienerberg erfolgte Mitte Juni der Spatenstich für den Umbau in luxuriösere Apartments mit Concierge-Service für kurz- und mittelfristige Vermietungen - mehr dazu in oesterreich.ORF.at. Das Bürohaus aus den 60er Jahren stand seit 2013 leer. Das Gebäude ist denkmalgeschützt, die Fassade wird daher erhalten bleiben. Das zwölfstöckige Gebäude mit seinem zwischen vier Stützen eingeklemmten Kubus wurde 1961 bis 1964 und 1969/1970 nach den Plänen des Architekten Karl Schwanzer errichtet und adaptiert.
Nicht nur Luxus
Für Bauernfeind zahlen sich Revitalisierungen alter Büros in Wohnungen auch in Randlagen aus. Es gebe mehr Nachfrage und sei risikoärmer. Das zeigt sich auch bei einigen in Umbau befindlichen Gebäuden. So wird derzeit von der Immofinanz ein Wohn-Büro-Gebäude auf dem Floridsdorfer Spitz im Wohnbereich stark erweitert, die Büros in bestimmten Teilen des Gebäudes konzentriert.

Immofinanz
In dem Haus auf dem Floridsdorfer Spitz werden Büros und Wohnungen gebündelt
In dem früheren Gebäude eines großen Schulungsanbieters in Wien-Simmering errichtet die Immofinanz bis 2019 rund 400 Wohnungen - im günstigeren Preissegment. Dafür sprechen eine gute Verkehrsanbindung und Nähe zu Grünflächen. Wirklich günstige Wohnungen im Rahmen von sozialem Wohnbau seien mit Umnutzung nach Meinung von Zitter aber kaum möglich: „Es ist schwer vorstellbar, dass die dafür vorgesehenen Reglementierungen und Vorschriften auf Büroimmobilien adaptierbar sind.“
Entwicklungsgebiet Franz-Josefs-Bahnhof
Große Pläne gibt es auch für den Umbau des Geländes auf dem Franz-Josefs-Bahnhof, wo derzeit noch die Bank Austria groß vertreten ist. Konkretes will Projektentwickler 6B47 noch nicht sagen. Es sind jedenfalls künftig neben Büros auch Wohnungen auf diesem Areal geplant. Fortgeschrittener ist das ursprünglich für die Postdirektion für Wien, Niederösterreich und das Burgenland errichtete Gebäude in unmittelbarer Nähe zum Franz-Josefs-Bahnhof. Hier werden rund 250 Wohnungen gebaut.

6B47
Seit 2013 stand das Bürogebäude beim Franz-Josefs-Bahnhof leer. Nun entstehen hier rund 250 Wohnungen.
Die technischen Herausforderungen beim Wechsel von Büro auf Wohnung - aber auch wieder umgekehrt - sind komplex. Doch die häufig gute Bausubstanz, Verkehrsanbindung und durch die Doppelböden gute Raumhöhe sind für Bauernfeind wichtige Vorteile beim Umbau eines bestehenden Bürogebäudes für den Wohnungsmarkt. Auch die Aussicht, wieder Wohnungen in zentraler, innerstädtischer Lage anbieten zu können - trotz Platzknappheit -, dürfte eine nicht unwesentliche Rolle bei der Entscheidung für die Neuverwendung von Bürohäusern sein.
Simone Leonhartsberger, ORF.at
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