Index soll für gerechte Verteilung sorgen
„Chancengleichheit“ ist seit Langem ein Schlüsselwort in der Bildungspolitik. Auch Sonja Hammerschmid, die neue Bildungsministerin der SPÖ, hob bei ihrer Antrittsrede im Parlament am Donnerstag Chancengleichheit als zentrales Ziel ihrer Arbeit hervor.
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Sie wolle „in einem Land leben, in dem alle Kinder dieselben Chancen haben - unabhängig davon, wo sie wohnen und wer ihre Eltern sind“. Zahlreiche Studien zeigen allerdings, dass der Weg zur Chancengleichheit in der Bildung noch ein langer ist - denn Bildung wird in Österreich nach wie vor vererbt.
Schulstandort ist mitentscheidend
Wie Zahlen der Statistik Austria von April zeigen, ist Schulerfolg zudem nicht nur vom Bildungsgrad der Eltern, sondern auch vom Standort der Schule abhängig. Kinder und Jugendliche an sogenannten Problemschulen haben geringere Chancen auf schulischen Erfolg. Die Arbeiterkammer (AK) führt die Ungerechtigkeiten im Bildungssystem auf eine „ungerechte Finanzierung“ der Schulen zurück.
Der Hauptkritikpunkt der AK, die am Montag eine Enquete zum Thema Schulfinanzierung veranstaltete: Zurzeit spielt bei der Finanzierung die Zusammensetzung der Schülerinnen und Schüler keine Rolle. Die Mittel werden pauschal zugewiesen, unabhängig vom Bildungshintergrund der Eltern. Je nach Familienhintergrund brauche das eine Kind aber mehr Förderung, das andere weniger, so die AK.
Gegen „Verteilung mit Gießkanne“
In einer Großstadt wie Wien zeige sich die Vererbung von Bildung besonders stark, sagte Wiens Stadtschulratspräsident Jürgen Czernohorszky am Montag bei der Enquete der AK. Die ungleichen Ausgangsbedingungen seien zudem noch ungleich auf die Schulen verteilt. Bei der Verteilung von Personal und Sachmitteln werde das aber nicht berücksichtigt: „Standorte mit großen Herausforderungen bekommen im Wesentlichen die gleichen Mittel zu Verfügung gestellt wie jene mit geringeren.“
Zehn Prozent der Volksschulstandorte in Österreich hätten eine sehr hohe soziale Benachteiligung, in Wien seien es 35 Prozent, so Czernohorszky am Montag in der AK. Er forderte eine „punktgenaue Ausstattung statt eine Verteilung mit der Gießkanne“. Die finanziellen Ressourcen müssten an die jeweiligen Anforderungen angepasst werden.
Index soll für gerechte Verteilung sorgen
Sowohl der Stadtschulrat als auch die Wiener AK, die Armutskonferenz und die Initiative Bildung Grenzenlos schlagen eine indexbasierte Verteilung von Ressourcen vor - den „Chancenindex“. Durch diesen Index soll jedes Kind optimal gefördert werden: „Je höher der Chancenindex, desto mehr Mittel“, beschreibt Czernohorszky die Systematik, die allerdings erst entwickelt werden muss. Die Bildung der Eltern soll dabei jedenfalls im Vordergrund stehen.
Schulen in sozial benachteiligten Bezirken müssten besonders gut ausgestattet werden, damit sie für alle Einkommensschichten attraktiv bleiben, so die Armutskonferenz, ein Netzwerk sozialer Hilfsorganisationen. Mit einem Index zur Verteilung von Fördermitteln könne zwar die Spaltung in „gute“ und „schlechte“ Wohngegenden nicht aufgehoben werden, so Sozialexperte Martin Schenk von der Armutskonferenz - „aber es kann in den Schulen einiges verbessert werden“.
Auch Hammerschmid für „Chancenindex“
Auch Hammerschmid sprach sich am Montag für eine Änderung des Finanzierungssystems aus: Durch einen Index könnten die Ressourcen an den jeweiligen Schulstandort und somit an die Klassen angepasst werden. Sie sei zudem überzeugt, dass mit dem Index auch die Lehrenden unterstützt und entlastet werden, so die Bildungsministerin in einer Aussendung.
Ähnliche Modelle wie den vorgeschlagenen „Chancenindex“ gibt es etwa in den Niederlanden und in Kanada. Abhängig unter anderem von Bildung, Beruf und Einkommen der Eltern bekommen Schulen einen bestimmten Prozentsatz an Förderung.
„Keine Wunder erwarten“
Laut Michael Bruneforth vom Bundesbildungsinstitut BIFIE reicht es an Problemschulen zudem nicht, einzelne Schüler zu fördern. „Die Schulen als Ganzes brauchen zusätzliche Mittel, um die gleiche Unterrichtsqualität erreichen zu können wie an einer weniger belasteten Schule“, so Bruneforth im Gespräch mit der APA. Unabhängig davon müssten aber auch einzelne benachteiligte Kinder weiterhin zusätzlich eine individuelle Förderung erhalten.
Wunder dürfe man sich von einer indexbasierten Finanzierung nicht erwarten, so Bruneforth: Auf dem Weg zu einem gerechteren Bildungssystem sei die Frage der Finanzierung „nur einer von vielen Pflastersteinen“.
Romana Beer, ORF.at
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