„Ziel ist eine wirtschaftliche Blockade“
Der Protest gegen die von der französischen Regierung geplante Arbeitsmarktreform hat das Land fest im Griff. Mit Andauern des Widerstands könnte auch die am 10. Juni in Paris beginnende Fußball-Europameisterschaft in Mitleidenschaft gezogen werden. Denn die französische Gewerkschaft CGT kündigte weitere Aktionen an - auch während der EM.
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„Jeder Tag muss ein neuer Schwung in der Mobilisierung sein“, so die CGT und andere Gewerkschaften in einer gemeinsamen Mitteilung. Für den 14. Juni wurde bereits eine nationale Kundgebung in Paris angekündigt. Für die kommenden Wochen sind immer wieder neue Streiks angesetzt. So soll etwa die Pariser Metro bestreikt werden - unter anderem auch am Tag des EM-Eröffnungsspiels, am 10. Juni.

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Immer wieder kommt es bei den Demonstrationen zu Ausschreitungen
Bis zuletzt hatte es auch vonseiten der CGT geheißen, dass sie es nicht auf die EM abgesehen habe: „Uns geht es nicht darum, die EM zu erpressen, wir haben früher angefangen.“ Doch die Kritiker der Arbeitsmarktreform setzen nun offenbar auf eine Strategie, bei der zentrale Wirtschaftsbereiche mit großen Auswirkungen für das Land gestört werden.
Gewerkschaft will auch AKWs bestreiken
Nach Straßenblockaden sorgten in den vergangenen Tagen Blockaden und Streiks an Treibstoffdepots und Raffinerien bereits zu Versorgungsengpässen an Tankstellen. Am Donnerstag war jede fünfte Tankstelle in Frankreich davon betroffen. Zugleich protestierten im ganzen Land laut Behördenangaben 153.000 Menschen gegen die Reformpläne. Die CGT sprach von 300.000 Demonstranten. In einigen Fällen kam es zu Ausschreitungen mit der Polizei.

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Arbeiter barrikadierten ein Treibstofflager bei Donges im Westen Frankreichs
„Das Ziel ist eine wirtschaftliche Blockade, denn die Wirtschaft hat dieses Sozialdumping angeordnet“, sagte CGT-Gewerkschafter Pascal Busson. Sein Kollege Philippe Martinez droht mit einer „Generalisierung der Streiks“. Zuletzt riefen die Gewerkschaften zu Streiks in allen 19 Atomkraftwerken auf. Laut CGT wurde bereits in zehn AKWs die Stromproduktion reduziert. Laut dem Netzbetreiber RTE gibt es aber noch keine Probleme bei der Stromversorgung.
Regierung schließt Veränderungen nicht aus
Die Regierung, die zuvor Blockaden räumen ließ, stellte angesichts der Massenproteste ein Entgegenkommen in Aussicht. „Es kann immer Veränderungen und Verbesserungen geben“, sagte Premier Manuel Valls am Donnerstag. Es sei aber „ausgeschlossen, den Rahmen zu ändern“. Es sei „inakzeptabel“, ein Land zu „blockieren“ und den wirtschaftlichen Interessen Frankreichs zu schaden.
Frankreichs Präsident Francois Hollande schlug am Freitag ähnliche Töne an: „Ich werde durchhalten, denn ich denke, es ist eine gute Reform.“ Ein „Dialog“ sei immer möglich, ein „Ultimatum“ aber nicht hinnehmbar, sagte Hollande mit Blick auf die CGT: „Wir können nicht akzeptieren, dass eine Gewerkschaft sagt, was Gesetz ist oder was nicht Gesetz sein darf.“ Wie auch Valls stellte Hollande mögliche Änderungen der Reform in Aussicht.
Fraglich ist aber tatsächlich, wie sehr die Politik noch auf die Forderungen der Gewerkschaften eingehen kann, ohne ihr Gesicht zu verlieren. Denn Hollande machte bereits Zugeständnisse und schwächte die Reform in mehreren Punkten ab. Mitte Mai brachte die Regierung die Gesetzesvorlage auf einem Sonderwege ohne direkte Abstimmung durch die Nationalversammlung. Der Senat wird sich ebenfalls mitten in der EM-Zeit, am 14. Juni, damit befassen.
„Wir sollten etwas runterkommen“
Hinter den Protesten steht auch ein Machtkampf unter den Gewerkschaften: Mit radikalen Protesten will sich die CGT gegenüber der moderateren CFDT profilieren. Die stellte sich inzwischen hinter die abgeschwächte Gesetzesvorlage und verweist auch auf den Nutzen für die Arbeitnehmer. Ihr Chef, Laurent Berger, sprach sich für eine Abkühlung der aufgeheizten Stimmung im Land aus. Das Klima sei etwas hysterisch geworden, sagte er im Rundfunk: „Wir sollten etwas runterkommen.“
Die Reform der Regierung soll das starre und komplexe Arbeitsrecht aufweichen. Ein zentraler Punkt: Mehr Regelungen, vor allem im Hinblick auf die Ausgestaltung der Arbeitszeit, sollen direkt auf Unternehmensebene ausgehandelt werden können. Die Regierung spricht von einer Stärkung des sozialen Dialogs - der allerdings in Frankreich keine echte Tradition hat und in dem zwischen Gewerkschaftern und Managern oft Misstrauen herrscht.
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