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Freie Meinungsäußerung unterdrückt

Mohammed Nasheed hat in London Asyl beantragt und es bekommen. Der ehemalige Präsident der Malediven, die sich nach außen hin gerne als Urlaubsparadies präsentieren, ist nun als Flüchtling in Großbritannien anerkannt. Im Exil gibt er sich kämpferisch und prangert Missstände in seinem Heimatstaat an.

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Bei den ersten demokratischen Wahlen auf den Malediven machte Nasheed 2008 das Rennen. Doch nur drei Jahre später musste er schon zurücktreten - um eigenen Angaben zufolge einem Putschversuch zu entgehen. Nach seinem Rücktritt war Nasheed bis 2015 in der Opposition.

Vor Nasheed hatte Maumoon Abdul Gayoom die Malediven 30 Jahre lang, von 1978 bis 2008, als Präsident autokratisch regiert. Denn Oppositionsparteien sind auf dem islamischen Inselstaat zwar seit 1998 erlaubt, existieren de facto aber erst seit 2005. Damals ließ Gayoom gnädigerweise ein Mehrparteiensystem zu: seine eigene, alles dominierende DRP, die islamische AP, die kleinen Parteien MSDP und IDP sowie die MDP, zu der Nasheed gehört.

Als Dissident im Gefängnis

Nasheed, der unter Gayooms Herrschaft als Dissident im Gefängnis gesessen war, wurde nach seinem Rücktritt zuletzt 2015 verhaftet. Ihm wurde vorgeworfen, er habe in seinen Amtstagen einen Richter unrechtmäßig verhaften lassen. Vor Gericht war von „Entführung und Internierung des Strafgerichtshofsvorsitzenden“ die Rede, das wurde als Terrorismus gewertet. Letztlich wurde Nasheed im März 2015 aufgrund des Anti-Terror-Gesetzes der Malediven zu 13 Jahren Haft verurteilt.

Das Urteil löste in dem islamischen Inselstaat Massenproteste aus. Auch die Vereinten Nationen (UNO) und zahlreiche westliche Staaten kritisierten den Prozess und die Verurteilung scharf. Obwohl die Haftstrafe nach nur vier Monaten in Hausarrest umgewandelt wurde, wurde Nasheed erneut in ein Gefängnis verlegt. Im Jänner dieses Jahres durfte er aufgrund von Rückenproblemen zur medizinischen Behandlung nach Großbritannien ausreisen.

Regierung zeigte sich „enttäuscht“

Dort wurde Nasheed, Ozeanograph und ehemaliger Journalist, nun Anfang der Woche als Flüchtling anerkannt, wie sein Büro berichtete. Er habe keine andere Wahl, als aus dem Exil gegen den amtierenden Präsidenten Abdulla Yameen - im Übrigen der Halbbruder des ehemaligen Machthabers Gayoom - zu arbeiten, sagte Nasheed. Die Regierung in Male, der Hauptstadt der Malediven, zeigte sich „enttäuscht“, sollte sich bestätigen, dass Großbritannien an dieser „Scharade“ zur Vermeidung einer Haftstrafe mitmache.

Der ehemalige Präsident der Malediven, Mohamed Nasheed

APA/AP/Alastair Grant

Ex-Präsident Nasheed wurde in Großbritannien als Flüchtling anerkannt

Erst im November vergangenen Jahres hatte Yameen für knapp eine Woche aufgrund nicht näher erläuterter „Bedrohungen der nationalen Sicherheit“ den Notstand ausgerufen. Auf Twitter wurde damals spekuliert, dass der Zeitpunkt mit geplanten Demonstrationen von Regierungsgegnern, die die Freilassung Nasheeds forderten, zusammenhängen könnte. Amnesty International kritisierte das Verhängen des Ausnahmezustands und erklärte, dieser dürfe nicht verwendet werden, um freie Meinungsäußerung zu unterdrücken und Menschenrechte zu beeinträchtigen.

Explosion auf Schnellboot des Präsidenten

Zur allgemeinen Anspannung trug ein anderer Vorfall im September bei: Auf Yameens Schnellboot explodierte eine Bombe. Er selbst blieb unverletzt, seine Frau und zwei weitere Insassen trugen leichte Blessuren davon. Während die USA einen Anschlag zunächst ausschlossen, sprachen örtliche Behörden von einem Attentat auf Yameen und nahmen Vizepräsident Ahmed Adeeb fest. Dieser wurde in weiterer Folge seines Amtes enthoben. Er hatte allerdings noch kurz davor regierungskonform die Verurteilung Nasheeds gegenüber der Deutschen Welle verteidigt: „Auch ein Star-Politiker steht nicht über dem Gesetz.“

Dabei ist das Vertrauen der Einwohner des Staates in die Justiz Studien zufolge sehr schwach ausgeprägt. Zahlen vom August letzten Jahres belegen, dass es 71 Prozent der Bevölkerung bevorzugen, Rechtsstreitigkeiten außergerichtlich beizulegen. Gleichzeitig sehen fast 40 Prozent Korruption im Justizbereich als gravierendes Problem, auch der Bewusstseinsmangel für gerichtliche Hilfestellungen und die Kosten für die Rechtsprechung fallen stark ins Gewicht. Die Umfrage wurde wohlgemerkt vor den Ereignissen um die Explosion auf dem Boot des Präsidenten durchgeführt.

Scharia gilt nicht für Touristen

In dem mehrheitlich muslimischen Staat gelten Teile des islamischen Rechts, der Scharia - allerdings nicht für Touristen. Einheimischen wiederum wird der Zutritt auf die Ferieninseln grundsätzlich verwehrt. Im Oktober letzten Jahres wurde ein Steinigungsurteil gegen eine Frau wegen Ehebruchs vom Höchstgericht aus formalen Gründen aufgehoben. Für dieses „Vergehen“ sind in der Regel Stockschläge vorgesehen.

Mitte des Vorjahres hatte die Regierung der Malediven internationale Kritik auf sich gezogen. Damals appellierte die Menschenrechts-NGO Human Rights Watch an den Inselstaat, „Menschenrechte zu akzeptieren“. Laut Medienberichten hatte die Staatsführung Todesurteile stets in lebenslange Haftstrafen umgewandelt, seit 60 Jahren war niemand mehr hingerichtet worden. Doch die aktuelle Regierung schuf diese Möglichkeit in Fällen von vorsätzlichem Mord ab.

Ideales Umfeld für IS-Rekrutierer

Auf den Malediven gewannen zuletzt zudem radikale Islamisten an Einfluss, so der „Spiegel“. Experten sprechen von einem idealen Umfeld für Rekrutierter von dschihadistischen Kämpfern für den Einsatz in Syrien - das Land weise, im Verhältnis zur Einwohnerzahl - die weltweit höchste Quote an Unterstützern für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) auf. Offiziell führt die maledivische Regierung noch kein Register über tote Staatsangehörige in Syrien, lokale Medien berichten aber regelmäßig über Kämpfer, die im Kampf für den IS in Syrien ums Leben kommen.

Kritiker werfen der Regierung vor, den IS heimlich zu unterstützen und islamistische Gesinnung zu schüren. Erst spät und sehr langsam begann die Regierung damit, die toten Staatsangehörigen auf syrischem Gebiet zu thematisieren. So diskutierte das Parlament über eine Erfassung von Bürgern, die ins Ausland reisen - wie solche Bestimmungen aussehen sollen, ist jedoch noch völlig unklar.

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