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Zu spätes Einlangen kein Anfechtungsgrund

„Too close to call“ - das Ergebnis ist so knapp, dass der Sieger noch nicht feststeht, wegen der Schwankungsbreite auch nicht in der Hochrechnung. Das für eine Bundespräsidentschaftswahl beispiellos knappe Rennen führte noch am Wahlabend dazu, dass Vermutungen darüber angestellt wurden, ob es zu einer Neuauszählung kommen könnte.

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Das umso mehr, als die FPÖ und auch ihr Kandidat Norbert Hofer - der nach dem vorläufigen Endergebnis ohne Briefwahlstimmen 3,8 Prozentpunkte voranliegt - bereits vor der Wahl und am Wahlabend selbst Zweifel an der Korrektheit der Briefwahlstimmen anmeldeten, die seit Montagfrüh ausgezählt werden.

FPÖ: „Immer etwas eigenartig“

Hofer sprach in einem Nebensatz davon, dass „Wahlkartenstimmen immer etwas eigenartig ausgezählt“ würden. FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl hatte am Samstag in einer Aussendung betont, angesichts der hohen Zahl an Briefwahlstimmen „heißt es jedenfalls wachsam sein“. In der Vergangenheit seien immer wieder Ungereimtheiten aufgetreten - Kickl verwies dabei unter anderem auf die Wien-Wahl im Vorjahr. Hier beeinspruchte die FPÖ beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) die Bezirkswahl in Wien-Leopoldstadt wegen Ungereimtheiten bei den Briefwahlstimmen - die Entscheidung steht noch aus.

Verfassungsgerichtshof-Präsident Gerhart Holzinger trat indes dafür ein, dass alle Wahlkarten noch am Wahlabend ausgezählt werden. „Wir sollten hier künftig kein Vakuum zulassen“, sagte er am Montag in einem Statement gegenüber der APA und regte eine Änderung der Wahlordnung an. Man brauche rasche Wahlergebnisse: „Ohne Not 24 Stunden darauf zu warten, halte ich für demokratiepolitisch bedenklich.“

Fehler nie auf Bundesebene

Dass es bei den Wahlkarten Manipulationen gegeben habe, glaubt dagegen der Wahlleiter im Innenministerium, Robert Stein, nicht. In der Vergangenheit habe es solche gegeben, wiewohl nicht auf Bundesebene, betonte er Sonntagabend im ZIB2-Interview. Durch das Wahlrechtsänderungsgesetz von 2011 sei das System aber „in hinreichendem Maß wasserdicht“ gemacht worden, ist Stein überzeugt.

Stein und Hofinger über den Einfluss der Wahlkarten

Im ZIB2-Studio sprechen der Leiter der Wahlbehörde im Innenministerium, Robert Stein, und ORF-Wahlhochrechner Christoph Hofinger darüber, wie die Wahlkarten das Ergebnis verändern könnten.

Anfechtung möglich

Dass es angesichts des sich abzeichnenden knappen Ergebnisses zu einer Anfechtung des Wahlergebnisses kommen könnte, wollte Stein nicht ausschließen. Das sei das „gute Recht“ einer wahlwerbenden Gruppe und bei dieser „arithmetischen Lage“ nicht auszuschließen. Er hoffe nur, dass es keine erfolgreichen Anfechtungen geben werde. Dem Innenministerium seien bisher aber keine Rechtswidrigkeiten gemeldet worden.

Dass wegen zu spät zugestellter Wahlkarten eine Anfechtung möglich ist, glaubt Stein nicht. „Das verspätete Einlangen von Wahlkarten ist keine Gesetzesverletzung“, so der langjährige Wahlleiter im Innenministerium Montagfrüh im Ö1-Morgenjournal.

Taktisches Wählen ausgeschlossen

Das Wahlrechtsänderungsgesetz legte unter anderem fest, dass die Wahlkarte spätestens mit dem Schließen des letzten Wahllokals bei der zuständigen Bezirkswahlbehörde eingelangt sein muss. Dadurch wurde taktisches Wählen - also nach Vorliegen der ersten Hochrechnungen, wie es bis dahin möglich war - verhindert. Stein erklärte im ORF-Interview auch, warum die Briefwahlstimmen erst am Tag nach der Wahl gezählt werden. Würde noch in der Nacht ausgezählt, müssten die Beisitzer - also die Vertreter der wahlwerbenden Gruppen - 20 Stunden und mehr durchgehend arbeiten.

Wie Wahlkarten gezählt werden

Das Bundespräsidentenwahlgesetz regelt in Paragraf 14 die Auszählung bis ins Detail: Seit 9.00 Uhr prüfen daher die Bezirkswahlleiter - beobachtet von den Beisitzern - die eingelangten Wahlkarten. Nicht gültige Wahlkarten - etwa wenn die eidesstattliche Erklärung fehlt - werden ausgeschieden. Dabei muss begründet werden, warum eine Wahlkarte nicht gewertet wird. Vor der Auszählung müssen die verbliebenen Wahlkuverts „gründlich“ gemischt werden. Die Auszählung muss im Wahlakt genau dokumentiert und das Ergebnis schnellstmöglich an die zuständige Landeswahlbehörde gemeldet werden. Diese informiert das Innenministerium.

Falsche Grafik auf BMI-Website

Für einige Aufregung in den Sozialen Medien sorgte am Wahlabend eine Grafik auf der Website des Innenministeriums mit angeblich 544.000 ausgezählten Wahlkarten. Da sei ein Fehler passiert, so Wahlleiter Stein. Testdaten seien in den Produktionsbereich „gerutscht“, so Stein, der sich darüber „recht unglücklich“ zeigte.

Vorläufiges amtliches Ergebnis ohne Briefwahl:  51,9 % Hofer; 48,1 % Van der Bellen; Wahlbeteiligung: 60,7 %

ORF.at/Innenministerium

700.000 Briefwahlstimmen entscheiden

Stein ging in der ZIB2 davon aus, dass rund 740.000 Briefwahlstimmen am Montag auszuzählen sind, rund 700.000 werden wohl gültig sein. Das Institut SORA geht davon aus, dass Van der Bellen hier auf knapp 61 Prozent kommt, was den Einzug mit einem Vorsprung von nur knapp 2.900 Stimmen in die Hofburg bedeuten würde.

Hochrechnung Bundespräsidentschaftswahl 2016 – 50% Norbert Hofer; 50% Alexander Van der Bellen

ORF/SORA

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