Umgebaute „Fairland“ war nur der Beginn
Der Beginn von Revolutionen ist oft nicht sofort als solcher zu erkennen. So war es auch Anfang Mai 1966: Als die ersten Seefrachtcontainer einen europäischen Hafen erreichten, erregte das kaum großes Aufsehen. Der Seetransport von Waren in großen Metallkisten galt eher als skurriler Versuch denn als mutige Vision. Selbst Fachleute nahmen die Erfindung zunächst nicht ernst.
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Mittlerweile gilt der Container als wesentlicher Treiber für die Globalisierung, nicht wenige Experten sehen in ihm eine der wichtigsten Innovationen des vergangenen Jahrhunderts. Erst der standardisierte Versand von Waren in genormten Containerboxen beschleunigte die Transportabläufe und senkte die Frachtkosten. Zugleich war es die Grundlage für die heute gängige globale Arbeitsteilung und Warenkreisläufe.
Tiefgreifende Folgen
Das zog unterschiedlichste Begleiterscheinungen nach sich: Das Auslagern ganzer Industriezweige in Regionen mit niedrigeren Lohnkosten gehört ebenso dazu wie der Rückgang der Verbraucherpreise für Kleidung, technische Geräte und Unmengen an anderen Konsumgütern. Außerdem die atemberaubende Entwicklung von Ländern wie China, die ihren Aufstieg wesentlich auf arbeitsintensive Exportindustrien stützten.
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Entladebrücken in Hamburg: vor 50 Jahren war noch Improvisation gefragt
Erfindung als Spinnerei abgetan
Begonnen hatte in Europa alles im Hafen von Rotterdam, wo am 3. Mai 1966 die „MS Fairland“ der US-Reederei Sea-Land mit 266 Containern an Bord anlegte. Ein paar Tage später erreichte die „Fairland“ mit 110 Containern an Bord den Bremer Überseehafen, danach den schottischen Hafen Grangemouth. Allerorts wurde die neue Erfindung von Experten als nicht ernstzunehmende amerikanische Spinnerei abgetan.
Die genormte Transportbox war von dem US-Spediteur Malcom McLean entwickelt worden und brach mit der jahrtausendealten Tradition des Gütertransports auf See, wo Waren in Kisten, Fässern oder Säcken verschifft wurden. Schon ein Jahrzehnt früher hatte der Spediteur die Idee, unterschiedliche Waren in Großbehältern zu verfrachten.
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Die „MS Fairland“ während des Umbaus in Chickasaw im US-Staat Alabama
1955 erwarb er die Reederei Pan-Atlantic, die er später in Sea-Land Industries umbenannte. Vor den Küsten der USA lief der Containerverkehr bereits, als das erste Schiff Europa erreichte: Am 26. April 1956 verließ schließlich das erste seiner Containerschiffe, die „Ideal X“, den Hafen von Newark (New Jersey) mit dem Ziel Houston in Texas. Transportiert wurden die Blechkisten auf umgebauten Frachtern, die mit Bordkränen auf- und abgeladen wurden. 1956 hatte McLean auch die besagte „Fairland“ zu einem Containerschiff umbauen lassen.
Schwierigkeiten zu Beginn
Doch die heute üblichen Entladebrücken an den Häfen fehlten noch - deshalb war damals viel Improvisation gefragt. In Bremen führte das nach Ankunft der beladenen „Fairland“ zu einem Zwischenfall: Gleich der zweite Container rutschte aus dem Geschirr und zertrümmerte einen Lkw. Verletzt wurde dabei niemand, dafür war die Skepsis gegenüber den Containern nicht geringer geworden.
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Verladung auf dem Industriehafen Fos-sur-Mer, er gehört zum Hafen Marseille
Die Vorteile des Containertransports aber waren so groß, dass auch der holprige Beginn den Siegeszug nicht aufhalten konnte. Insbesondere in den vergangenen 35 Jahren stieg das globale Volumen des Containertransports dramatisch. Wurden 1980 weltweit 13,5 Millionen Container umgeschlagen (gerechnet in sogenannten 20-Fuß-Standardtransporteinheiten, kurz TEU), waren es 2014 bereits 171 Millionen TEU. Das entspricht mehr als einer Verzwölffachung.
Aufschwung trotz Veränderungen
Mit der Zeit wuchsen auch die Dimensionen der Containerschiffe ins Gigantische. Die größten aktuellen Nachfolger der „MS Fairland“ mit ihren 226 Stellplätzen können heute rund 19.000 TEU laden. Schiffe mit bis zu 21.000 TEU sind bestellt. Laut UNO-Handelskonferenz UNCTAT wurden 2014 rund 1,63 Milliarden Tonnen per Container über die Ozeane transportiert.
Zugleich änderte sich das Bild der Häfen für immer. Vieles wurde automatisiert, viele Hafenarbeiter verloren ihren Job. Und auch wenn die globale Finanzkrise 2008 tiefe Spuren hinterließ und der Welthandel bis heute angesichts von Wachstumssorgen in Industrie- und Schwellenländern noch nicht wieder in der Spur ist, gilt der Trend von einer Delle abgesehen als ungebrochen - Experten sagen eine weitere massive Steigerung des globalen Containerumschlags voraus.
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