Malaysia ist nicht Malawi
Es ist ein Paradigmenwechsel: Die Weltbank verabschiedet sich mit ihrem diesjährigen Bericht von der Einteilung in „entwickelte“ und „Entwicklungsländer“. Die Institution folgt damit seit Langem erhobenen Forderungen nach einer differenzierteren Betrachtung der ärmeren Weltregionen.
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Die 1944 gegründete Entwicklungsbank begründet den Schritt damit, dass die Einteilung mittlerweile „weniger relevant“ sei. Stattdessen wolle die Institution die Welt künftig in Regionen einteilen, also etwa in Nordamerika, Subsahara- und Nordafrika und Europa samt Zentralasien. Besondere „Ausreißer“ sollen mit Fußnoten sichtbar gemacht werden.
„Nicht wirklich hilfreich“
Bis dato reihte die Weltbank all jene Staaten in die Kategorie Entwicklungsland ein, die sich bei der Reihung nach Bruttonationaleinkommen in den unteren zwei Dritteln befanden. Darunter fielen auch jene Länder mit „mittleren“ Einkommen.
Dieses Modell erlaubt der Institution mehr als ein halbes Jahrzehnt nach ihrer Gründung aber zu wenig Trennschärfe: „Das Hauptproblem ist, dass etwa Länder wie Malawi und Malaysia zu unterschiedlich sind, um sie in derselben Gruppe zu klassifizieren. Malaysia ist den USA ähnlicher als Malawi“, so der Weltbank-Ökonom Umar Serajuddin gegenüber dem US-Magazin „Quartz“. „Wenn wir ganz verschiedene Länder in dieselbe Kategorie werfen, ist das nicht wirklich hilfreich.“
Anderes Bild als 1960
Tatsächlich zeigen Daten aus den vergangenen 50 Jahren, dass die Abstufungen bei ökonomisch schwachen Ländern immer erheblicher werden. Das lässt sich etwa anhand von Zahlen zur Beziehung zwischen Fruchtbarkeit und Säuglingssterblichkeit ablesen, die oft als Indikator für das generelle Wohlergehen eines Staates gesehen werden, führte Weltbank-Datenexperte Tariq Khokhar im vergangenen Jahr in einem Appell für eine neue Kategorisierung aus.
1960 teilte sich die Welt in dieser Hinsicht im Großen und Ganzen tatsächlich in zwei große Gruppen - nämlich eben in die Gruppe der „Entwicklungsländer“ mit einer hohen Fruchtbarkeit und hohen Säuglingssterblichkeit und die Gruppe der „entwickelten“ Länder mit einer niedrigen Fruchtbarkeit und einer niedrigen Säuglingssterblichkeit. Bei Daten aus dem Jahr 2013 ergibt sich ein gänzlich anderes Bild - im größten Teil der Welt sind sowohl Kindersterblichkeit als auch Fruchtbarkeit niedrig, es lassen sich nur noch einzelne betroffene Staaten herausfiltern.
Auch bei den Einkommensunterschieden bestehen innerhalb des großen Topfes der „Entwicklungsländer“ eklatante Unterschiede. Während Malawi 2013 ein BIP pro Kopf von nur 226 Dollar aufweisen konnte, waren es im ebenfalls als „Entwicklungsland“ geführten Mexiko 10.307 Dollar - also mehr als das 45-Fache.
Keine klare Definition
Tatsächlich kennen weder Weltbank noch die Vereinten Nationen (UNO) eine wirkliche Definition für den Begriff „Entwicklungsland“. Erstere habe Länder mit niedrigen oder mittleren Einkommen bis dato aus „Zweckmäßigkeit“ in Berichten als Entwicklungsländer bezeichnet, schrieb Khokhar.
Der Terminus sei aber „nicht widerspruchsfrei oder präzise definiert“, und was es als „Definition“ gebe, sei auch nie aktualisiert worden. Selbst wenn das bisherige Verständnis einst sinnvoll gewesen sei, „ist es jetzt wert zu fragen, ob dem immer noch so ist oder ob eine grobkörnigere Definition Berechtigung hat“, so Khokhar.
„Intellektuelle Faulheit“
Große Teile der Entwicklungsbewegung fordern bereits seit Längerem feinere Schattierungen bei der Klassifikation von ärmeren Staaten. Darunter mischen sich auch prominente Stimmen wie jene von Bill und Melinda Gates, die glauben, dass der Begriff „seine Nützlichkeit überlebt“ habe. Der schwedische Mediziner Hans Rosling sieht in der Nutzung des Begriffes „intellektuelle Faulheit“.
Kritikern dürfte allerdings auch die Einteilung der Weltbank in Regionen nicht weit genug gehen - mehrere Strömungen der Entwicklungshilfe halten Differenzierungen für sinnvoll, die bis in einzelne Regionen eines Landes hineingehen.
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