„Wollen sie uns erschießen?“
Frauen spielen in rund zwölf Prozent der großen Hollywood-Produktionen Hauptrollen. Und der Rest? Junge Frauen dürfen die Gespielinnen älterer Männer geben. Und ältere Frauen sind Mütter von Männern - oder Hexen. Immer wieder werden Klagen über diese Stereotype und diese Diskriminierung laut. Die Auswirkungen halten sich in Grenzen.
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Ein Fall im vergangenen Jahr: Maggie Gyllenhaal („Secretary“, „The Dark Knight“) etwa war mit 37 Jahren „zu alt“, um in einem Film die Angebetete eines 55-Jährigen zu spielen - das meinte jedenfalls ein Hollywood-Produzent, wie die US-Schauspielerin nun erzählte. „Erst hat es mich traurig gemacht, dann hat es mich wütend gemacht, und dann musste ich darüber lachen“, sagte Gyllenhaal (38) im Interview mit dem Branchenportal The Wrap.

Reuters/Toby Melville
Gyllenhaal und ihr Golden Globe für die Mini-TV-Serie „The Honorable Woman“
Altersdiskriminierung gang und gäbe
„Als Schauspielerin in Hollywood erlebe ich Dinge, die sehr enttäuschend sind und mich immer wieder überraschen“, sagte die Schauspielerin. Für die Rolle der potenziellen Partnerin eines 55-Jährigen abgelehnt zu werden sei „erstaunlich“ gewesen. Um welchen Film es sich handelte, wollte sie nicht verraten.
Gyllenhaal zeigte sich dennoch hoffnungsvoll: „Es gibt aktuell so viele Schauspielerinnen, die großartige Arbeit leisten, die wahrhaftige Frauen spielen, komplizierte Frauen. Ich fühle keinerlei Form von Verzweiflung. Ich suche hoffnungsvoll nach etwas, das mich fasziniert.“ Auch sie hatte sich zuvor den Zwängen des Systems unterworfen. Gyllenhaal spielte 2009 in „Crazy Heart“ die etwa dreißigjährige Geliebte des knapp sechzigjährigen Jeff Bridges.
Nur sieben Prozent Regisseurinnen
Hollywood steht wegen Altersdiskriminierung und der generell sinkenden Anzahl von Hauptrollen für Frauen aktuell verstärkt in der Kritik. So zitiert The Wrap die Studie „The Celluloid Ceiling: Behind-the-Scenes Employment of Women on the Top 250 Films of 2014“ der San Diego State University, wonach nur zwölf Prozent der Protagonisten in den 100 umsatzstärksten Filmen 2014 weiblich waren. Die Diskriminierung von Frauen beschränkt sich jedoch keinesfalls auf Schauspielerinnen. Nur bei sieben Prozent der Filme führten 2014 Frauen Regie.

AP/Disney, Frank Connor
Angelina Jolie ist 40: Nach Hollywood-Definition zählt sie zum alten Eisen
Nimmt man alle führenden Positionen zusammen, also Regisseure, Drehbuchautoren, Produzenten, Schnittverantwortliche und Kameraleute, liegt der Prozentsatz der Frauen bei 17 Prozent. Tendenz steigend? Nein. Das ist derselbe Wert wie 1998. Bei den Regisseurinnen ging der Wert sogar zurück - 1998 konnten noch neun Prozent der Produktionen Filmemacherinnen zugeordnet werden. Und selbst wenn man die Gesamtzahl der Frauen in Filmcrews hernimmt, in welcher Position auch immer, bleibt die Ungleichverteilung mit 22 Prozent bestehen (in diesem Fall der Durchschnitt der letzten 20 Jahre).
An der Zielgruppe vorbei
Die renommierte US-Bürgerrechtsinitiative American Civil Liberties Union (ACLU) erwägt sogar rechtliche Schritte wegen der notorischen Diskriminierung von Frauen in der Filmbranche. Ariela Migdal von der ACLU sagte im Vorjahr gegenüber dem britischen „Guardian“, dass die Filmindustrie mit dieser voranschreitenden Ungleichbehandlung nicht länger davonkommen dürfe. Es gebe nicht weniger talentierte Frauen als Männer - aber die Frauen würden von den Studiobossen ausgebremst. Schließlich würden für die Traumfabrik dieselben Antidiskriminierungsgesetze gelten wie für jede andere Fabrik.

APA/EPA/dpa/Jens Kalaene
Diane Keaton, 69 Jahre alt: „Wir sind nicht am Ende“
Nachgerade skurril mutet die Debatte an, wenn man sie von einem wirtschaftlichen Angelpunkt aus betrachtet, wie es das Scott Mendelson vom Magazin „Forbes“ vergangenes Jahr getan hat. Die Branche produzierte vollkommen an ihrer größten potenziellen Zielgruppe vorbei: erwachsenen Frauen. Immer werde auf junge Burschen abgezielt, die aber insgesamt nur acht Prozent der Gesamteinnahmen brächten.
Unbegründete Angst vor weiblichen Hauptrollen
Die Macher des aktuellen Drogenthrillers „Sicario“ erzählten vergangenes Jahr in Cannes, sie seien von den Produzenten unter Druck gesetzt worden, die weibliche Hauptrolle (Emily Blunt) doch noch auf einen Mann hin umzuschreiben. Sie hätten dagegen ankämpfen müssen. Dabei wollen Frauen Frauen in Hauptrollen sehen - und entsprechende Filme fahren ihre Produktionskosten in der Regel locker ein - siehe im Vorjahr „Lucy“ mit der heute 31-jährigen Scarlett Johansson und „Maleficent“ mit Angelina Jolie, die übrigens nächsten Monat 41 Jahre alt wird und damit nach Hollywood-Rechnung zum alten Eisen zählt.
„Wir sind immer noch talentiert“
Sucht man in den Presseagenturen nach dem Begriffspaar „Hollywood“ und „Jugendwahn“, ergibt sich ein bedrückendes Bild. Es vergeht kaum ein Jahr, in dem sich nicht eine Schauspielerin über 35 verzweifelt zu diesem Thema äußert. 2004 meldete sich Diane Keaton, damals 58, besonders drastisch zu Wort: „Wir haben alle Spaß am Leben, wir sind nicht am Ende, wir sind immer noch talentiert. Warum gibt es keine Rollen für uns? Wir haben nichts zu tun und noch viel zu geben. Was macht man mit einer Meryl Streep, einer Bette Midler, einer Goldie Hawn oder einer Susan Sarandon? Wollen sie all uns Mädchen rausführen und erschießen?“
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